Dishonored // Kapitel 3

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Ich sah auf und kniff sofort meine Augen wieder zusammen. Nein, das konnte nicht sein. Meine Wahrnehmung spielte mir einen Streich, wie schon so oft hier an diesem Ort. Oder sollte ich sagen Orten? In Gedanken zählte ich bis zehn. Dann, ganz langsam öffnete ich die Augen wieder. Er war immer noch da. Er stand auf Holzdielen ein Stück vor einer Wand aus groben Steinen, in der ein Fester war, durch das ein Schatten in den Raum fiel. Durch den Nebel glaubte ich noch ein Stück von einer Dachschräge zu erkennen. Mit langsam aufkeimender Hoffnung hob ich den Arm und winkte. Er stand mit dem Rücken zu mir, also rief ich nach ihm, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Aber auch dann drehte er sich nicht zu mir um.

Er befand sich nämlich mitten in einem Gefecht mit fünf anderen Männern, die ihn umkreist hatten. Er schien am Arm verletzt zu sein, aber so genau konnte ich das von hier aus nicht erkennen. Dafür war ich zu weit weg. Kurzer Hand beschloss ich ihm beizustehen – ich hatte es ja eine lange Zeit nicht anders getan – und nahm Anlauf um über den nebligen Abgrund zu springen, der mich noch von ihm trennte. Trotz meines seltsamen Gefühls bei der Sache.

Fast geräuschlos landete ich geduckt hinter ihm. Die fünf anderen bemerkten mich gar nicht. Sie starrten, ohne sich auch nur ein bisschen zu bewegen, ihm in die Augen und er sah genauso verbissen zurück. Das eigenartige Gefühl schon mal hier, genau hier an diesem Ort in genau dieser Situation gewesen zu sein, umfing mich wie ein dunkler Schleier, der langsam auf mein Gemüt hinunter schwebte.

Immer noch in geduckter Haltung schlich ich rechts um ihn herum. Rock und Hemd waren zerrissen. Sein rechter Arm war mit dem kurzen Schwert drohend nach vorne gestreckt. Ein Schnitt hatte sein Hemd und die darunterliegende Haut aufgeschnitten. Plötzlich trat ich auf etwas Weiches und im Fallen merkte ich, dass es der blaue Morgenmantel war, den ich immer noch trug. Geistesgegenwärtig griff ich bevor ich auf dem Boden aufkam nach seinem Arm.

Er bewegte sich kein bisschen, als ich mich daran wieder hochzog. Ich hätte mich genauso an einer Steinskulptur hochziehen können. Er zuckt nicht mal mit den Wimpern. Nein, er starrte nur grimmig die fünf Männer an, die in eingekesselt hatten. Mit zitternden Händen ließ ich seinen Arm wieder los. Und da sah ich es:

Ein kleiner Blutstropfen war aus seiner Wunde gelaufen und war gerade mitten im Fall. Nur ... Ich blinzelte zweimal hektisch und hockte mich dann davor. Er bewegte sich kein Stück. Eigentlich hätte er schon lange auf dem Boden aufgekommen sein müssen. Aber dem war nicht so. Der kleine rote Tropfen – so unscheinbar er auch war – schwebte in der Luft. Mei Herz schlug unwillkürlich schneller. Ich tauchte unter dem Arm hindurch, ich stand jetzt genau vor ihm – und sah in das mir so bekannte, vertraute, liebe Gesicht, dass jetzt von Wut und Schmerz verzerrt war.

Ich wusste eigentlich schon fast, dass er nicht antworten würde, aber trotzdem flüsterte ich leise und verzweifelt seinen Namen, der eigentlich keiner war.

„Admiral."

Die Erkenntnis wo ich hier war, also Ort und Situation, die mir so bekannt erschienen waren, traf mich wie der Blitz, auch wenn sie eigentlich nicht hätte sein dürfen. Ich wirbelte herum und lief auf das Fenster zu, durch das der Schatten auf die alten Bretter fiel. Ich lehnte mich hinaus, sah nach links und... sah in mein eigenes erschrockenes Gesicht, dass in den Raum mit den Kämpfenden spähte. Ich schrie laut auf und drehte mich ganz schnell wieder um. Mein Herz hämmerte wild und ich hörte es immer in meinem Kopf nachhallen. Ich lief direkt in Nebel hinein, merkte fast gar nicht, dass sich der Untergrund immer wieder änderte.

Wenn das hier ein Traum war – und anders konnte ich mir das hier alles nicht erklären – dann war das der schlimmste Albtraum, den ich je geträumt hatte.

Plötzlich tauchte vor mir eine alte Tür auf, vor der einige versteinerte Ratten hockten. Ich stieß sie auf und fand mich in meiner eigenen Wohnung wieder. Alles war so, wie ich es zurück gelassen hatte. Die Fensterläden verschlossen. Sogar mein Beutel lag noch genau dort wo er vorher gelegen hatte. Mein alter Ofen ... Ich stutzte. In ihm brannte immer noch ein Feuer. Obwohl das eigentlich schon lange hätte ausgegangen sein müssen. Hatten sich etwa neue Bewohner mein Heim als Unterschlupf ausgewählt?! Zum Glück war mein Geld gut verwahrt. Hoffte ich jedenfalls.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 27, 2016 ⏰

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Dishonored- Geschichte einer ÜberlebendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt