Kapitel 16

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Samstag, 15. Februar

Jan bekam die Minifernbedienung mit dem Notfallknopf in die Hand gedrückt und schon wurde er auf der Metallauflage durch eine weiße Röhre geschoben. Er kannte das laute Rattern und Brummen der Maschine. Wie Trommelschläge pochte es an sein Ohr und er vertrieb sich die Zeit damit, sich eine Melodie zum sich stetig verändernden Takt auszudenken. Bereits nach fünfzehn Minuten war die Untersuchung vorbei und er stand auf, um sich wieder anzuziehen.

„Sie können ins Wartezimmer zurückgehen. Schaffen Sie es allein oder soll Sie jemand begleiten?", fragte der Mann im weißen Kittel, während Jan den Gürtel zuzog. Automatisch dachte er dabei an Tristan, der mit dem Leder um den Hals so wunderschön verletzlich aussah. Jan seufzte tief auf, was den Arzt offenbar dazu verleitete, nochmals nach Jans Befinden zu fragen.

„Alles okay", meint er bemüht ruhig, obwohl er bereits überlegte, wo das Wartezimmer nochmal war. Seine Hände begannen zu kribbeln und er spürte, wie es ihm die Beine wegzuziehen drohte.

„Ich komme mir ein wenig neben der Spur vor", gab er zu, als ein weiterer Arzt hinzukam, den Jan bereits von früheren Untersuchungen kannte.

Er hatte gestern bereits gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war. Ständig war ihm schwindlig und ihm fielen die einfachsten Dinge nicht ein. Der Grund, warum er sich an diesem Morgen ins Krankenhaus begab, war, weil ihm das englische Wort für Ananas nicht einfiel.

„Deine Symptome werden vermutlich von der Angst ausgelöst, die du vor dem Kontrollverlust hast, doch das brauchst du nicht. Du hast eine wundervolle Familie, die in solchen Situationen auf dich Acht gibt, nicht wahr?" Eine Frage schwang hinter der Frage mit, Jan konnte es deutlich hören.

„Ich vertraue meiner Familie zu hundert Prozent", meinte er eindringlich. „Aber da gibt es jemand Neuen in meinem Leben und ja, ich habe tatsächlich Angst, dass diese Person unter den Umständen leiden muss. Was, wenn ich in dem desorientierten Zustand bleibe? Oder noch schlimmer, mich komplett zurückentwickle?" Jan gingen schon seit Tagen die schlimmsten Horrorszenarien durch den Kopf. Zum Beispiel, dass Tristan seine Pflegepraktika dann bei den Kerschers abschließen würde und dafür bezahlt bekam, ihm die Inkontinenzeinlagen zu wechseln, weil Jan jeglichen Bezug zu sich selbst verloren hatte.

„Darüber solltest du mit deiner Freundin offen sprechen. Aber ich kann dir versichern, dass du aufgrund deiner Krankheit bestimmt nicht zum Pflegefall wirst. Zumindest ist die Wahrscheinlich dafür nicht höher als wegen eines vom Himmel fallenden Klavier das Bett eines Pflegeheimes zu ergattern."

Sollte ihn das beruhigen?

„Warten Sie draußen Herr Kerscher", mischte sich der Herr ein, der die MRT-Aufnahme seines Kopfes gemacht hatte. „Sie bekommen Bescheid, wenn der Bericht fertig erstellt wurde."

Im Warteraum setzte sich Jan zu seinem Vater.

„Kopf okay, Herz gebrochen."

„Mach dir nichts daraus, Jan. Du brauchst vermutlich nur zu atmen, damit Tristan dir verzeiht."

Ganz so einfach war es dann aber offenbar doch nicht.

Es war bereits fünf Uhr abends als die beiden nach Hause kamen, doch Tristan las noch keine einzige von Jans Nachrichten. Und davon gab es mittlerweile viele. Seine Anrufe nahm er ebenfalls nicht an und irgendwann war das Handy ganz aus. Jan versuchte, ihn auf Instagram zu erreichen und scrollte dabei über ein Foto von Jenny, auf dem sie ganz offensichtlich auf ihrer Terrasse einen Joint rauchte. Zuerst konnte Jan nicht ausfindig machen, warum sein Blick auf diesem Foto hängenblieb. Erst bei genauerem Hinsehen erkennte er, dass ein Arm auf Jennys Schulter ruhte und dieser gehörte eindeutig zu Tristan, was Jan anhand des Perlenarmbandes und seinem Ring erkennen konnte. Er schlief also nicht, wie Jan hoffte, sondern er wollte schlicht nicht mit ihm sprechen.

Du bist JanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt