Anders als erwartet

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"Verfluchte Scheiße!" Außer mir vor Wut trat ich gegen die schwere  Tür. Die letzten Stunden hatte ich damit verbracht, sie zu  bearbeiten.

Jedoch ohne Erfolg.

Er lachte dunkel hinter mir.
"So werden wir hier auch nicht rauskommen."
Ich warf einen wütenden Blick über meine Schulter, und sah in seine leuchtend grünen Augen.
"Wir?! Kann mich nicht daran erinnern, dass es überhaupt ein wir gibt!" fauchte ich.
Hoffnungslos setzte ich mich mit dem Rücken an die Tür, sodass ich ihm nun direkt gegenüber saß.
"Sieh' es positiv. Immerhin hat man uns nicht an der Wand festgebunden, und wir können uns hier drin frei bewegen."
"Verwunderlich genug, dass wir nicht angekettet worden."
"Du hast den Kerkermeister gehört. Kein Entrinnen. Wozu also jemanden anketten, wenn er doch ohnehin nicht entfliehen kann?"
Ich seufzte tief.
"Und   das glaubst du, ja? Dass es einen Kerker gibt, aus dem man nicht   fliehen kann? Irgendeine Gelegenheit bietet sich immer, und wenn es dann   soweit ist, wenn man uns hier rausholt."
"Also doch ein wir." grinste er, und ich strich mir entnervt mit der Hand über das Gesicht.
"Leg' nicht alles auf die Goldwaage, du Spinner."
Er lachte kurz auf.
"Dany.   Wir befinden uns in einem Verließ, bei dem nicht klar ist, ob wir   überhaupt jemals hier rauskommen. Ich schlage vor, wir legen unsere   Feindschaft für die Dauer unseres Aufenthaltes mal beiseite und arbeiten   zusammen."
Ich streckte meinen Hals und starrte an die dunkle Decke.
Ungläubig lachte ich.
"Für dich immer noch Danielle. Wir und zusammen arbeiten... dass ich nicht lache."
"Und da war es schon wieder. Wir." Er grinste und strich sich über den schwarzen Bart.
"Wir   können natürlich auch jede Hoffnung auf Flucht ausgeben und... machen   uns die Zeit, die uns noch bleibt, hier so schön wie möglich." Er sagte   es scherzhaft, aber seine Augen wurden dunkler. Dieser Schuft hatte   wirklich ein Stelldichein im Sinn.
"Du bist unglaublich."
"Ich weiß, aber lass es mich dir beweisen."
Ich schüttelte wie wild den Kopf.
"Nicht mal, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst."
Er sah mich bedauernd an.
"Das trifft mich jetzt aber hart."
Sein Hundeblick war beinah herzerweichend. Aber nur beinah.
"Weißt du, was daran eigentlich das Schlimmste ist?" fragte ich und er hob die Brauen.
"Was?"
"Es gab mal eine Zeit, da fand ich dich richtig gut. Schön, stark, beeindruckend."
Damit   hatte ich ihn dieses Mal wirklich aus dem Konzept gebracht. Er starrte   mich für einen Augenblick so an, als hätte ich die Sprache des   Wüstenvolks gesprochen und er verstand kein Wort.
"Und was ist dann passiert?"
"Du hast mit deinem Verhalten gezeigt, dass du genauso ein Idiot bist, wie die Anderen auch." Ich zuckte mit den Schultern.
"Was genau meinst du?"
"Na   ja, du hast, egal wann wir uns irgendwo über den Weg gelaufen sind,   immer irgendeine andere Dirne im Schlepptau gehabt. Davon ganz abgesehen   warst du arrogant und dumm, das hat dich einiges an Beute gekostet."
Er verdrehte die Augen.
"Du   hast leicht reden. Mit dem Bonus, dass du als Frau mit vollem Busen   verführen kannst, hast du dir als Diebin einen Namen gemacht."
Ich   öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, aber er hatte nicht ganz   unrecht. Tatsächlich hatte ich den ein oder anderen Handelsmann, oder   sogar Edelmänner, schon mit List verführt, damit ich an meine Beute kam.   Einer schönen, zierlichen Frau trauten sie das offenbar nicht zu,   während Henry mit seinem muskulösen Körper und dem schwarzen, welligen   Haar schon bedrohlicher wirkte. Wenn er in den Städten unterwegs war,   trug er oft einen langen Mantel, dessen Kapuze er dann tief ins Gesicht   zog.
Wenn ich unsere Differenzen und seinen Charakter außen vor  ließ,  dann war Henry schon ein Mann, der sehr anziehend wirkte. Sein   kantiger, maskuliner Kiefer arbeitete, so als würde er auf etwas herum   kauen.
"Was tust du da?"
"Nachdenken?"
"Mit deinem Kiefer?"
Er reagierte gar nicht weiter und würdigte mich keines Blickes.
Endlich kehrte Ruhe ein.

Alles   war gut, solange es Tag war. Durch das kleine, vergitterte Fenster  fiel  ein wenig Licht, gerade genug, um sich in der Sonne zu wärmen.  Doch als  der Tag sich dem Ende zu neigte, wurde mir die Nähe zum Winter   schmerzlich bewusst. Die Temperatur fiel rasch, und da man mir meinen   dicken Mantel mitsamt meiner Waffen abgenommen hatte, hatte ich nicht   viel entgegen zu setzen.
"Ich kann dir meinen Umhang geben." sagte Henry plötzlich. Es war mein Stolz, der mich daran hinderte, sein Angebot anzunehmen.
"Danke,   aber ich verzichte." sagte ich leise bibbernd. Irgendwann schlugen   meine Zähne aufeinander, so kalt war mir. ich begann, im Verließ auf und   ab zu gehen, was in Anbetracht des kleinen Raumes gar nicht so einfach   war.
"Sei doch nicht so albern." sagte er irgendwann.
"Ich brauche deine Hilfe nicht!" knurrte ich leise.
Als   es dann irgendwann dunkel wurde und nur das silberne Mondlicht für ein   wenig Sicht sorgte, verlor ich mein Zeitgefühl. Meine Füße und Hände   wurden taub, und mein ganzer Körper zitterte.
"Komm her." sagte Henry plötzlich, und an seiner Stimme konnte ich hören, dass auch er merklich zitterte.
"Soll ich dich jetzt aufwär-"
"Besser,   du hältst zur Abwechslung einfach mal die Klappe und schiebst deinen   Stolz beiseite. Sonst überlebt keiner von uns diese Nacht."
Ich gab   es ungern zu, aber vermutlich hatte er recht. Widerwillig näherte ich   mich ihm und ließ mich neben ihm auf dem harten Boden nieder.
Er zog mich an sich heran und legte den Umhang, so gut es ging, um uns beide.
"Das,   was wir wirklich brauchen, ist ein Feuer." murmelte ich leise. Ich   konnte mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt einem Mann so nah    gewesen war, ohne dass ich ihn beklauen wollte.

Just on FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt