3. Dezember - she

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Montag

"Mensch, sieht von Nahem doch ziemlich scheiße aus.", Miles stieß Jay lachend von der Seite an. Die beiden waren seit dem Kindergarten unzertrennlich und Jay hatte seinem besten Freund natürlich kurz nach seiner Haarschneideaktion ein Foto von seiner neuen Frisur geschickt. Aber jetzt sah Miles das Ganze zum ersten Mal in echt. "Ach halt die Klappe!", Jay schlug Miles leicht auf den Arm und dieser tat so, als hätte Jay ihm diesen soeben abgerissen. "Aua. Kein Grund gleich gewalttätig zu werden.", unmittelbar schlug Miles zurück und Jay, der wusste, dass die beiden schnell eine kindische Prügelei anzettelten, beließ es dabei. Die beiden liefen zusammen über den Schulflur zu ihrem ersten Unterrichtsfach: Sozialkunde. Glücklicherweise hatten sie alle Kurse zusammen, da sie sich bei ihrer Wahl aufeinander abgestimmt hatten. Das machte nahezu alle Fächer erträglicher. Nur Sport hatten sie getrennt. Und das war für Jay wirklich eine Qual. Denn während er mit den Mädchen Volleyball spielen musste, hatten die Jungs eine total entspannte Lehrerin, die nicht auf die Noten achtete, sondern ihren Sportkurs lieber Fußball und Basketball spielen ließ. Jay wäre diese Art von Schulsport deutlich lieber gewesen, zumal er dort noch zusätzlich zum Fußballtraining hätte trainieren können. Er hatte tatsächlich bereits darüber nachgedacht die Sportlehrerin des Jungenkurses, mit der er auch Sozialkunde hatte und sehr gut klarkam, zu fragen, ob er nicht vielleicht mit den Jungen Sport haben könnte. Zwar waren die Jungs im Kurs und generell in Jays Miles' Jahrgang jetzt nicht wirklich liebenswürdig, aber wenigstens wäre Jay mit Miles zusammen und könnte Fußball spielen. "Weißt du was? Ich werde Frau Veltin gleich nach Sozi fragen, ob ich mit euch Sport haben darf." "Das ist mega! Wie cool wäre das denn? Dann haben wir wirklich alle Fächer zusammen. Und Sport wäre dann auch nicht mehr so anstrengend mit den anderen blöden Jungs.", Miles war hellauf begeistert. So betraten sie den Klassenraum.

"Frau Veltin?", Jay hatte seine Tasche extra langsam eingepackt, um als letzter im Klassenraum zu bleiben. Miles stand neben ihm. "Ja, Jay.", Frau Veltin sah ihn interessiert an, während Jay sich die Schultasche auf den Rücken warf und zu ihr nach vorne an den Lehrertisch ging. Dicht gefolgt von Miles. "Glauben Sie es wäre vielleicht eventuell, so rein hypothetisch möglich...", Jay hielt kurz inne, weil er jetzt doch kurz unsicher war, ob die Idee, mit den Jungs Sport zu machen nicht doch etwas zu verrückt war. "Ja?", Frau Veltin sah Jay aufmunternd an und Miles rückte ein Stück näher an ihn heran, um ihm seine Unterstützung zu verdeutlichen. "... dass ich mit den Jungs Sport mache? Ich meine ich bin ja quasi einer und spiele sowieso lieber Fußball." Es entstand eine kurze Pause, die Jay vor Spannung fast platzen ließ. Um den Moment zu überbrücken fügte Miles hinzu: "Bitte! Er kann das auch voll gut. Sie wissen, er spielt im Verein und hat gestern mit seinem Team den Landespokal geholt." Erstaunt richtete Frau Veltin ihren Blick wieder auf Jay. "Wirklich?", Jay nickte. "Na dann herzlichen Glückwunsch. Und ich werde versuchen den Schulleiter zu überzeugen, dass du in meinen Kurs wechseln darfst. Ich habe jedenfalls überhaupt nichts dagegen. Passt mir nur auf, dass ihr beide auch tatsächlich Sport macht und nicht die ganze Zeit quatscht, wie hier in Sozi." Freudig sahen Jay und Miles sich an und klatschten ab. "Danke, Frau Veltin. Und wir schwören, dass wir uns zusammenreißen!" Jay strahlte seine Lehrerin an. Die konnte gar nicht anders als zurückzustrahlen. "Da bin ich aber beruhigt. Versprechen kann ich euch trotzdem nichts. Und jetzt ab auf den Schulhof. Ein bisschen frische Luft schnappen.", mit diesen Worten nahm Frau Veltin ihre Lehrerinnentasche auf die Schulter und verließ nach Jay und Miles das Klassenzimmer, die immer noch ganz aufgeregt vor Freude waren.

"Och neee. Jetzt haben wir Mathe mit dem Heck. Gar keine Lust.", widerwillig packte Jay sein Pausenbrot wieder in die Brotdose. "Hast du die Hausaufgaben?", Jay und Miles standen auf und begaben sich mit der Menge in Richtung Schulgebäude, denn es hatte just in dem Augenblick geklingelt, in dem Jay von seiner Stulle hatte abbeißen wollen. Am liebsten würden bei diesen frostigen Temperaturen alle die Pause drinnen verbringen, aber die Schule hatte die Agenda ihre Schüler*innen erfrieren zu lassen, da sich in den Pausen keine*r drinnen aufhalten durfte. Dies wurde, zum Leidwesen der Schüler*innen, auch streng kontrolliert und durchgesetzt. Jay und Miles waren schon fast am Klassenraum angelangt, als Jay plötzlich wie angewurzelt stehenblieb. "Verdammt! Ich hab mein Mathebuch noch im Spind. Ich lauf schnell, um es zu holen. Erzähl ihm ich wäre noch kurz auf Klo. Ich schwöre er bringt mich um. Mist, Mist, Mist!" Schon hatte er Miles stehengelassen und rannte in Richtung Schließfächer. Miles ging weiter in den Klassenraum und setzte sich auf seinen Platz. Herr Heck, der sich den Spitznamen "Herr Schreck" wirklich mehr als verdient hatte, hatte Miles und Jay direkt vor seinem Lehrertisch platziert, damit die beiden sich in seinem "wichtigen" Matheunterricht auf den Lernstoff konzentrierten. Geholfen hatte das jedoch keineswegs. Die beiden tauschten ununterbrochen direkt vor Herrn Hecks Nase Zettelchen aus und mussten sich teilweise wirklich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Einmal hatte Jay es nicht geschafft und musste über eine Karikatur von Miles so sehr lachen, dass ihm die Tränen nur so über das Gesicht liefen. Herr Heck hatte das alles andere als lustig gefunden und Jay für den Rest des Blockes vor die Tür gesetzt. Das war für Miles die einsamste und langweiligste Mathestunde gewesen, die er je erlebt hatte. Und dieses Gefühl kam kurz zurück, als es zum Unterricht klingelte und Jay immer noch nicht da war. "Na, wo ist sie denn?", Herr Heck, der auch gemerkt hatte, dass Jay nicht da war, deutete auf den leeren Platz neben Miles und sah ihn fragend an. "Wer ist "sie"?", Miles sah nun ebenso fragend zurück. "Neben mir sitzt ein er. Dieser er heißt Jay und ist gerade noch auf Toilette.", Miles mochte allgemein sehr schüchtern und zurückhaltend sein, aber wenn es um seine Freund*innen ging, von denen er zugegeben nicht sonderlich viele hatte, vor allen Dingen um Jay und seine Identität, verstand er gar keinen Spaß. "Meine ich ja.", Herr Heck machte eine wegwischende Handbewegung mit einem genervten Gesichtsausdruck. Dann widmete er sich der Klasse und fing an, in das heutige Unterrichtsthema einzuführen. Als es klopfte und Jay vorsichtig den Kopf zur Tür hereinsteckte, ließ Herr Heck nur seinen Standardspruch "Die Pause ist zum auf die Toilette gehen da." vom Stapel und ignorierte Jays Entschuldigung beflissentlich. Miles war erleichtert. Kurz hatte er Angst gehabt, dass Herr Heck anders reagieren würde. Besonders in Angesicht von Miles' Konter von eben. Die Klasse hatte Herrn Heck schon deutlich schlimmer mit zu spät kommenden Schüler*innen umgehen sehen.

Als auch der zähe Matheunterricht vorbei war und die beiden in der Pause an ihrer gewohnten Stelle endlich etwas essen konnten, erzählte Miles Jay von Herrn Hecks Frage nach Jay und Miles' Konter. Jay freute sich immer wieder, wenn Miles für ihn einstand. Es bewies jedes Mal aufs Neue, dass er sich immer zu 100% auf seinen besten Freund verlassen konnte. "Danke, dass es dich gibt. Und ich das Glück hatte, mit dir in eine Kindergartengruppe zu gehen.", Jay umarmte Miles, der das nur widerwillig zuließ. Als Jay die Umarmung wieder gelöst hatte, sagte Miles: "Das ist ganz schön schwul, weißt du das?" Und beide mussten lachen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 03, 2023 ⏰

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