Die Zwillingsschwester des Schul-tyrannen, Silas Sawatzki, wechselt an die Wintersteinschule und kommt in seine Klasse. Dort ist sie nicht gerade Willkommen, da mehrere der Schüler schon Opfer der Schikanen ihres Bruders geworden sind.
Zu allem Über...
Musik ballerte laustark durch meine Over-Ear Kopfhörer und ich wippte mit meinem Kopf mit. Ich weiß, dass es nicht gut ist so laut Musik zu hören, aber was soll ich den machen wenn meine Lieblingsband ein neues Album veröffentlicht?
Vor mir, auf meinem Schreibtisch, lagen meine zur Hälfte bearbeiteten Mathe-Hausaufgaben. Miss Cornfield hatte zwar gemeint, dass ich sie nicht machen muss da sie noch nachschauen will wie weit ich überhaupt mit dem Lernstand bin, aber es kann ja nicht Schaden sie trotzdem zu machen. Den Satz des Pythagoras hatten wir schon letztes Schuljahr bearbeitet, aber ich glaub das kommt davon wenn man von einem Gymnasium an eine Realschule wechselt.
Ich musste grinsen. So wie's aussieht wird dieses Schuljahr um einiges angenehmer. Mit einem sehr guten Realschulabschluss bin ich auch viel zufriedener als mit einem Abi mit dreier Schnitt. Die Sicherheit, dass ich in unserem Bauunternehmen anfangen kann egal welchen Abschluss ich habe, hat mir Papa noch vor dem Schulwechsel gegeben.
Zufrieden legte ich meinen Kugelschreiber zurück in mein Mäppchen und verstaute mein Schulzeug für morgen im Ranzen. Anschließend ging ich zu meinem Kleiderschrank und legte die Kleidung für morgen bereit.
Wir haben Oktober, also ist ein Pullover aufjeden Fall angemessen. Nachdenklich zog ich meinen pinken Pulli mit einem 'Amour sans Fin' Schriftzug heraus, was 'Liebe ohne Ende' auf Französisch bedeutet, und meinen dunkelgrünen Pullover mit dem Logo meiner Lieblingsband. Ich entschied mich für letzteres, den ich mit meiner weißen Jeans und meinen sage-grünen Converse Schuhen kombinierte. Ich sollte mal wirklich mit Mama Winterstiefel kaufen gehen...
Anschließend sah ich mich in meinem Zimmer um, es gab ausnahmsweise mal keinen Aufräumbedarf. Also schmiss ich mich auf mein Bett, nahm meine Nintendo-Switch und beschloss meine Animal crossing Insel auszubauen.
Ich kam aber nicht weit, denn kaum war die Switch an, ging die Tür auf und ein ziemlich aufgebrachter Milan kam herein. Da ich unfassbar schlecht im Lippenlesen war, zog ich meine Kopfhörer aus und grinste ihn schief an: "Ich hab kein Wort gehört."
Milan seufzte: "Ich hab gefragt, was du eigentlich von meinem Ausbildungsplatz hälst. Weil ich, Papa und Mama haben gerade eine Wohnung für mich gefunden und Papa verhandelt grad mit dem Mieter."
Das war ein Stimmungskiller.
"Najaa, ich persönlich würde mein Studium nicht abbrechen, aber es ist dein Leben? Und ich mein wir haben gesehen wie fasziniert du von der Arbeit in dem Studio dort warst alsoo.. Ja. Ich find's nur Doof, dass du doch ein halbes Jahr früher als geplant ausziehst und dann halt noch 4 Stunden entfernt.."
"Och Selin.." , Milan setzte sich neben mich ans Bett, "Du weißt doch genau, dass du mich jederzeit anrufen kannst wenn was ist. Silas ist ja auch da.. und in den Ferien und an Feiertagen komm ich nach Hause keine Sorge." Bedrückt nickte ich: "Mhm hast ja Recht.." "Außerdem fahr ich erst am Samstag. Bis dahin sind es ja noch 5 Tage. Jetzt muss ich das noch Silas sagen.." Schon war er wieder weg und ließ mich in meinem Zimmer zurück.
Jetzt war sie wieder da. Diese beklemmende Einsamkeit. Ich kann ja verstehen, dass es für Milan großartig ist, endlich auszuziehen, zu arbeiten und einfach ein eigenes Leben anzufangen. Aber irgendwie macht es mich auch unfassbar traurig. Weil ich auch einfach nicht wusste, wie ich damit umgehen soll.
Ich wusste auch nicht, ob Silas noch als Gesprächspartner zur Verfügung stand oder ob er meine Einsamkeit überhaupt verstand. Denn er, hatte ja Rick. Und soweit ich es verstanden habe, hatte er durch ihn keinen Grund zur Einsamkeit.
Aber es gab eine Sache die dagegen half. Beziehungsweise diese eine Sache die ich immer machte wenn's mir schlecht geht. Backen.
Ich wusste ganz ehrlich nicht wieso, aber immer wenn ich aufgebracht bin fang ich an zu backen. Was ziemlich komisch ist, da es ja eigentlich heißt, man soll Essen mit Liebe zubereiten. Zumindest wurde mir das so beigebracht. Und das tat ich ja auch, immer wenn ich koche, mache ich das mit viel Liebe. Nur Backen ist irgendwie was anderes.
Da wir vor einer halben Stunde zu Mittag gegessen hatten, kam es mir nicht unsinnig vor zu backen. Also nahm ich meine grüne Haarklammer vom Tisch und machte mich auf in die Küche.
Zufrieden zog ich die Kuchenform aus dem Ofen und betrachtete den hübschen Gold-braunen Kuchen. Fehlt nur noch etwas Farbe, Buttercreme und Blümchen.
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Fertig! Stolz betrachtete ich mein Kunstwerk und zügte mein Handy, das muss ich meinen Freundinnen schicken. Ich hatte den Gruppen Chat schon geöffnet als ich inne hielt. Ich konnte den kein Bild davon schicken weil wir uns ja zerstritten hatten. Ups
Gleichgültig schloss ich WhatsApp und öffnete Snapchat um einen überaus ästhetischen Rundsnap zu machen. Ich wusste, dass ich bei dem Streit überhaupt nichts falsch gemacht hatte, dass es eigentlich gar kein Streit war. Gewisse Menschen nahmen es mir einfach nur übel das ich die Schule gewechselt hatte. Zugunsten meiner Mentalen Gesundheit.
