𝟎𝟕 | 𝐍𝐞𝐠𝐚𝐧

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·°¯'·• für lulu_world •·'¯°·

Nicht nur die Welt hat sich verändert, sondern die Menschen mit ihr. Zumindest die, die noch übrig sind. Ich weiß nicht, wie viele Prozent der ehemaligen Weltbevölkerung es noch gibt. Ich weiß auch nicht, ob es noch Menschen gibt, die so etwas wissen könnten. Aber wie sollten sie auch? Jeden Tag sterben Menschen und es werden kaum noch Kinder geboren. Was würde es noch bringen, zu zählen? Es würde zumindest niemandem mehr helfen. Wahrscheinlich kann uns niemand mehr helfen. Selbst wenn es Gott gäbe, würde er jetzt wahrscheinlich auf die Erde herunter starren und sich denken: 'Tja... das ist jetzt echt kacke gelaufen... Dann muss ich eben mit einem anderen Planeten spielen...'

Als der ganze Mist hier losging - als das Virus ausbrach und alle, die ich damals kannte, infiziert wurden, war ich trotz allem noch voller Hoffnung. Hoffnung auf eine Heilung. Eine Impfung, die Neuinfektionen verhindern würde und nach einigen Jahren vielleicht sogar eine Möglichkeit, den Verfall rückgängig zu machen. Aber schon nach Monaten war alles so sehr zerstört, dass es nur noch um das nackte Überleben ging. Ich war Lehrerin an einer Grundschule gewesen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie jemanden ernsthaft verletzt und jetzt laufe ich mit einer Machete und einer Axt an meinem Gürtel rum. Eine zuverlässige Sig Sauer mit selbstgebauten Patronen steckt in der Innentasche meiner Jacke. Und ich habe längst aufgehört zu zählen, wie viele von den Viechern ich getötet habe.

Zu Beginn war ich mit einer Truppe unterwegs. Aber der Schutz durch andere hält immer nur so lange, bis eine Horde Untoter auf euch trifft. Einige sterben und der Rest muss sich im Eifer des Gefechts trennen, um zu überleben. Selbst wenn man anfängt, sich auf andere Menschen zu verlassen, kann man sicher sein, dass es nicht lange halten wird. Mit jedem weiteren Tag steigt die Wahrscheinlichkeit zu sterben. Und wahrscheinlich sind wir längst über diesen Punkt hinaus. Eigentlich ist es wahrscheinlicher zu sterben, als den Abend zu erleben.

Ich würde ja sagen, dass jeder Tag, seit ich mir dessen bewusst wurde, ein Geschenk ist - aber das wäre eine eiskalte Lüge. Die Hölle ist auf der Erde ausgebrochen und wir leben mittendrin. Und der einzige Ausweg ist das Fegefeuer aka ein Leben als wandelnde Leiche, stets auf der Jagd nach Nahrung, ohne freien Willen oder überhaupt der Fähigkeit des Denkens. Es kann nicht mehr besser werden. Nur noch schlimmer. Deswegen sind die kleinen Momente des Friedens so unglaublich wertvoll, dass mir das Herz glücklich schmerzt, wenn ich an sie denke.

Zu wenige gute Momente sind uns noch vergönnt und ich zehre von ihnen, solange ich nur kann. Eine ruhige Minute in der ich an nichts denken muss; in der ich einfach kurz zufrieden sein und mich geborgen fühlen kann, geben mir noch wochenlang die Kraft, Tag für Tag um mein Leben zu kämpfen. Die winzig kleinen Momente mit ihm, in denen es nur um uns geht. Wenn er morgens noch bei mir im Bett liegt und seine Nase an meinem Hals vergräbt. Wie er grummelt, wenn er dabei ist, aufzuwachen. Wie verlangend und innig er mich küsst, bevor er seine mentale Rüstung anzieht, um vor seinen Männern der eiskalte Anführer zu sein, vor dem sie alle so viel Angst haben. Der Moment, als er alle seine Frauen freistellte, um mir zu beweisen, dass ich die Einzige für ihn bin. Oder die Abende, wenn wir auf dem Dach sitzen, er mich in seinen Armen hält und wir Whisky trinken, während wir unsere Untergebenen beobachten wie der König und seine Königin, die wir sind.

Und das ist alles, was ich jetzt noch tun kann. Mich an diese Momente der Wärme in einer eiskalten Welt erinnern, denn diese Nacht werde ich unmöglich überleben. Ich habe mich in diesen Schlamassel manövriert und jetzt bin ich alleine, umgeben von einer Horde Beißern, während der Schnee unaufhörlich fällt. Wer weiß, vielleicht erfriere ich ja sogar, bevor ich lebendig gefressen werde...

Wir waren als Gruppe unterwegs. Unsere Patrouillen hatten eine fremde Gruppe Überlebender gefunden und Negan wollte mit ihnen denselben Deal abschließen wie mit allen anderen. Wir gingen zu ihnen, weil sie sein erstes Angebot ablehnten. Und oh wie ihm das gefällt. Denn dann darf er Angst verbreiten, seine sadistische und vollkommen kaputte Seite an ihnen auslassen. Es lief super und natürlich gaben sie nach. Spätestens als Lucille in das Blut und die Gehirnmasse zweier Mitglieder der erstaunlich großen Gruppe gehüllt war, verkauften sie uns ihre Seelen.

𝐚𝐝𝐯𝐞𝐧𝐭𝐬𝐤𝐚𝐥𝐞𝐧𝐝𝐞𝐫 𝟐𝟎𝟐𝟑Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt