𝟎𝟖 | 𝐒𝐞𝐛𝐚𝐬𝐭𝐢𝐚𝐧 𝐒𝐭𝐚𝐧

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·°¯'·• für Larissa__Michelle •·'¯°·

Ich war lange nicht mehr feiern. Zumindest nicht ohne meinen gestörten Ex-Freund. Das ist das erste Mal seit der spektakulären und dramatischen Trennung. Es ist der erste Abend, die erste Nacht, in der ich mich wieder wirklich frei fühle und ich kann es noch gar nicht richtig fassen. Ich kann wieder ich selbst sein, ohne Angst davor haben zu müssen, verprügelt zu werden.

Als ich Cal kennengelernt habe, war ich gerade volljährig und aus der Obhut des Staates entlassen worden. Meine Jugend verbrachte ich in verschiedenen Wohngruppen für Jugendliche ohne Familien und Vormund. Das Sorgerecht für uns alle hatte der Staat und zumindest auf dem Papier hat er sich auch super um uns gekümmert. Die Realität ist aber brutaler und einsamer, gespickt von Drogen, Alkohol, Missbrauch und vielem mehr.

Es muss nicht immer so sein. In vielen Fällen sind diese Wohngruppen der Weg aus der Misere, aber für mich war es aussichtslos. Ich geriet schnell an die falschen Freunde und dann lernte ich Cal kennen, meinen Retter in der Dunkelheit. Er war gutaussehend und dermaßen charmant, dass ich schnell Vertrauen zu ihm fasste und mich in ihn verliebte. Ich hatte niemanden außer ihm und er ließ auch nicht wirklich zu, dass ich zu jemand anderem außer ihm eine Beziehung aufbaute.

Ich war abhängig von ihm und als ich nicht mehr von ihm los kam, zeigte er mir sein wahres Gesicht. Zu Anfang entschuldigte er sich nach jeder Ohrfeige und jedem blauen Auge. Er hätte bloß kurz die Kontrolle verloren, nachdem ich einen Fehler gemacht hatte, wie das Essen zu versalzen oder seinen Kaffee zu verschütten. Und irgendwann setzte er die Maske des guten Mannes nur noch auf, wenn er die Wohnung verließ und mich geprügelt zurückließ.

Unzählige Male musste ich mir Ausreden einfallen lassen, woher die blauen Flecken, das gebrochene Handgelenk oder Rippen kamen. Es war die dunkelste Zeit in meinem Leben und ich musste bis an den niedersten Tiefpunkt gelangen, um meinen Kampfgeist wiederzuentdecken, den ich schon als Jugendliche verloren hatte. Zunächst rief ich in einer Hotline an, aber ich legte immer schnell wieder auf. Doch eines Abends, als Cal noch mit seinen Kumpels in eine Bar gegangen war, blieb ich in der Leitung.

Und noch in derselben Nacht packte ich eine Tasche mit meinen wichtigsten Habseligkeiten. Alte Fotos, die ich immer vor Cal versteckt gehalten habe, meine liebsten Bücher und den Schmuck meiner Großmutter. Ansonsten nahm ich nur das Nötigste mit und wurde dann auch schon von einem Wagen abgeholt, der mich in ein Frauenhaus brachte. Ein Abend, der mein Leben veränderte und mich vor einer grausamen Zukunft rettete.

Ich lernte sogar die Frau kennen, mit der ich am Telefon gesprochen hatte. Ich lag schluchzend in ihren Armen. Aber ich war nicht traurig oder ängstlich. Ich weinte aus tiefster Dankbarkeit. Jeanie war nur vier Jahre älter als ich und wir blieben auch nach dieser Nacht in Kontakt, bis wir zu guten Freundinnen wurden. Sie war an meiner Seite, als ich bei der Polizei eine einstweilige Verfügung gegen meinen Ex beantragte und sie half mir, eine Wohnung und einen Job zu finden. Eine Freundin von ihr betreibt ein süßes kleines Café. Ihre drei Hunde liegen meistens den ganzen Tag auf zwei großen Decken neben dem Tresen, hinter dem sich unzählige süße Leckereien befinden.

Und jetzt sitze ich mit Jeanie und einigen ihrer Freunde in einem Club. Ich habe mich wirklich schick gemacht und beim Tanzen konnte ich zum ersten Mal seit so langer Zeit wirklich loslassen und im Moment leben. Ich bleibe bei Jeanie und wir tanzen uns die Füße wund - ein Sprichwort, das schmerzlich nah an der Realität ist, wie ich jetzt unweigerlich feststellen muss.

Der Bass pulsiert in meinen Adern und mein schwarzes Kleid klebt an meinem verschwitzten Körper. Mit einem Glas Wasser - was mir einen seltsamen Blick vom Barkeeper eingebracht hat - stelle ich mich etwas abseits der Tanzfläche in die Nähe des Vip-Bereichs hin und beobachte lächelnd die Mädels, die noch immer miteinander tanzen. »Entschuldigung?«, werde ich von einer tiefen Stimme angesprochen und mache einen Satz nach vorne, bevor ich mich umdrehe und in die schönsten blauen Augen sehe, die mir je untergekommen sind.

𝐚𝐝𝐯𝐞𝐧𝐭𝐬𝐤𝐚𝐥𝐞𝐧𝐝𝐞𝐫 𝟐𝟎𝟐𝟑Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt