Eingeschneit

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I v y

Eine unangenehme Stille hat sich zwischen uns gebildet, während wir heiße Schokolade schlürfen und uns dabei nicht anblicken. Ich kann nicht fassen, dass ich ausgerechnet mit Declan hier sitze und wir uns nicht anfeilen. Aber ich kann nicht gemein zu ihm sein, wenn er mir saubere und trockene Kleidung geborgt hat, mir ein heißes Getränk zubereitete und mich nicht aus der Hütte hinausschmeißt. Immerhin bin ich rein theoretisch bei ihm eingebrochen. Auch wenn ich das nicht so bezeichnen würde.

Ein kleiner Waffenstillstand, wenn man das so nennen möchte.

Was mir eher schwerfällt, ist sein Duft! Diese Hütte ist wirklich winzig und sein Geruch liegt überall in der Luft. Auch auf der Kleidung, die ich anhabe. Als hätte er darin gebadet. Es riecht nach Zedernholz und Pfefferminz. Eine unglaubliche Mischung, die mich schon längst süchtig gemacht hat. Wieso muss Declan Miller so attraktiv und charmant sein, aber auch gleichzeitig ein Vollidiot?

»Ich sollte gehen«, durchbreche ich die Stille. Declan nickt mir nur zu. Wir wissen beide, dass es das Beste ist. Lieber jetzt, bevor wir uns mal wieder in die Haare kriegen.

Plötzlich knallt es draußen vor der Tür, sodass ich laut auf quieke und Declan aus großen runden Augen anschaue. Auf seiner Stirn hat sich eine Furche gebildet, die ich am liebsten glattstreichen möchte, jedoch halte ich mich zurück und kralle meine Finger noch fester um die Tasse. Ein Glück, dass sie nicht zerbricht.

»Was war das?«, flüstere ich leise.

»Ich habe da eine Ahnung. Aber wieso flüsterst du?«

Declan steht langsam auf und visiert die Eingangstür. Sobald er sie geöffnet hat, fluche ich laut auf.

»Verdammte scheiße! Mein Neffe hatte recht!«

Das kann doch nicht wahr sein! Ich nehme meine Worte zurück! Mein Pech hat mich noch nicht im Stich gelassen.

»Was habe ich nur verbrochen, um so bestraft zu werden, lieber Weihnachtsmann?«, murmle ich vor mich hin. In der Hoffnung, dass mich der Miesepeter nicht gehört hat.

Eine weiße Wand versperrt den Durchgang. Der Schnee musste vom Dach heruntergefallen sein. Mein Blick wandert zum kleinen Fenster, jedoch kann ich sein Kopfschütteln im Augenwinkel erkennen.

»Ist kaputt. Tut mir leid, Ivy, aber ich glaube, du steckst hier mit mir fest.«

Irgendetwas an seiner Tonlage vermittelt mir den Eindruck, als würde es ihm nicht leidtun. Aber wieso sollte es so sein? Immerhin hat er selbst gesagt, dass ich ihn anwidere.

»Wieso ist dein Fenster defekt? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich kann doch nicht Weihnachten hier eingeschneit mit dir verbringen.«

Eine innere Anspannung hat sich bei mir gebildet, sodass ich im Raum auf und ab tigere und mir an die Schläfen fasse. Ich muss hier raus. Morgen ist der Backwettbewerb und ich möchte gerne teilnehmen. Außerdem weiß ich nicht, wie lange wir noch zivilisiert miteinander umgehen können. Unser Waffenstillstand wird nicht ewig halten können.

Wieso musste er auch Phill einen solchen Blödsinn erzählen und mich in diese Lage bringen? Wir haben uns geküsst, aber das gibt ihm doch nicht das recht, dass er solche Dinge über mich erzählt. Und wer schlabbert jemanden ab, wenn er ihn nicht attraktiv findet? Verstehe ich nicht.

»Die Scharniere sind vor einigen Monaten kaputtgegangen. Ich hatte noch keine Zeit, es zu reparieren. Und glaub mir, ich würde auch lieber hier allein sein, anstatt mit einer verrückten Elfe Weihnachten zu verbringen.«

»Das hast du nicht gesagt!«, rufe ich aus. Ich habe einige Kosenamen gehört, aber dieser sprengt alles. Ist das für ihn ein Witz, dass ich die Feiertage besonders mag?

Zufällig Eingeschneit | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt