"NEIN!"
Mit einem Schrei schreckte Qui-Gon aus seinem Bett hoch. Sein Herz raste noch immer, als er versuchte sich in der Dunkelheit zu orientieren, doch das war nicht länger die Schwärze des Wirbels. Er war zurück in seinem Quartier. Alles war so, wie er es kannte, Xanatos war weg und die Macht durchflutete ihn wieder in ihrer ganzen Wärme. Er war wieder zurück in der Wirklichkeit."Obi-Wan!"
Hektisch stolperte er aus seinem Bett heraus in die Schlafkammer seines Schülers, doch das Bett war verlassen. Natürlich. Obi-Wan hatte die Nacht bei seinen Freunden verbracht. Hoffte er jedenfalls. Wenn er darüber nachdachte, hatte er eigentlich keine Ahnung, wo sein Schüler eigentlich die Nacht verbrachte, wenn er nicht in ihrem Quartier schlief. Bislang hatte er sich nie darüber Gedanken gemacht, doch mit den Bildern seiner Vision eingebrannt in seinen Verstand, wurde ihm eiskalt.
Ungeachtet seines geräderten Aussehens schnappte er sich seinen Mantel vom Stuhl und rannte raus in die -der Macht sei Dank- verlassenen Gänge des Tempels. Er hätte gerade wahrlich nicht die Geduld zu erklären, warum er im Schlafgewand durch den Tempel rannte, als hinge sein Leben davon ab. Erst als er vor der Tür des Padawan-Dojos ankam, hielt er einen Moment inne. Sie war abgeschlossen, wie Windu angekündigt hatte, doch das wäre kaum ein Hindernis für Obi-Wan. Oder Qui-Gon. Mit einer kleinen Handbewegung fuhr der Schließriegel zurück in den Türrahmen und die Tür öffnete sich vor ihm leise zischend. Der Trainingsraum dahinter lag bis auf das Licht, das um ihn durch die Tür fiel, in kompletter Dunkelheit. Kalter Horror erfüllte ihn bei der Ähnlichkeit zu seiner Vision. Aber er würde diese Zukunft nicht zulassen. Mit diesem Gedanken straffte er seine Schultern und öffnete die Tür zu den Waschräumen. Doch dahinter erwartete ihn nur Dunkelheit. So genau er auch suchte, es gab keinen Hinweis darauf, dass Obi-Wan kürzlich hier gewesen war. Er war erleichtert, dass seine Vision damit nocht nicht wahr geworden ist, aber es bedeutete auch, dass er keine Ahnung hatte, wo Obi-Wan sich befinden könnte. Falls Qui-Gon nicht vorher schon panisch gewesen war, war er es spätestens jetzt. Er hatte keine andere Wahl, er musste alle Orte absuchen, an denen ein junger Padawan sein könnte. Wenn nötig würde er den ganzen Tempel durchsuchen, bis er ihn gefunden hat. Mit neuem Mut sprang er auf, als etwas klappern aus seiner Manteltasche zu Boden fiel. Sein Komm. Es war unwahrscheinlich, dass Obi-Wan einen Anruf hörte, falls er schlief, aber es war definitiv einen Versuch wert.
Er versuchte es wieder und wieder, bis er das kleine Gerät am liebsten wütend gegen die Wand geworfen hätte, als jemand den Anruf annahm.
"Was wollt Ihr, Jinn?" grummelte seine ehemalige Freundin Tahl müde. Wie so viele seiner Freunde hatte er in seiner Trauer auch sie von sich weggestoßen. Eine weitere Beziehung, die er dringend in Ordnung bringen musste, aber zuerst musste er sich um Obi-Wan kümmern. "Ist Obi-Wan bei dir? Bitte sag mir, er ist bei dir!"
Die Jedi stutzte einen Moment bei der Dringlichkeit in seiner Stimme, bevor Wut ihren müden Verstand übernahm. "Was auch immer du mit dem Jungen vor hast, vergiss es! Obi-Wan wird mit Bant und mir Jul feiern, ob es dir passt oder ni-"
"Geht es ihm gut? Bitte Tahl, ich flehe dich an, sieh nach, ob er da ist, ob es ihm gut geht. Bitte!"
Ein Teil von ihr wollte das Comm einfach zu klappen und weiter schlafen. Qui-Gon hatte sich noch nie wirklich besorgt um irgendjemanden, geschweige denn Obi-Wan, gezeigt seit Xanatos Tod und sie wollte verdammt sein, wenn sie dem Jungen dieses Jul verderben würde. Aber in all den Jahren, die sie ihn kannte, hatte sie Qui-Gon nie flehen hören, nicht einmal um sein eigenes Leben. Was auch immer der Grund für Qui-Gons Anruf war, es bereitete ihm tiefe Angst um Obi-Wan. Nun doch besorgt, griff die Meisterin mit der Macht hinaus in den Wohnraum, in dem Obi-Wan auf dem Sofa schlief, seine Presenz ein warmes Licht in der Macht. "Er schläft friedlich, es geht ihm gut. Qui-Gon, was bei der Macht ist hier los?"Die Stimme ihres alten Freundes klang deutlich weniger panisch, dafür aber umso verunsicherter, als er mit belegter Stimne antwortete. "Ich- Hör zu, Tahl, ich weiß, dass ich ein schrecklicher Meister war. Und Freund. Du hast jeden Grund dazu mir zu misstrauen und mich zu hassen -ich hasse mich selbst dafür, was aus mir geworden ist- aber bitte, lass mich mit ihm reden." Endlos lange Sekunden zogen sich, als Tahl über seine Bitte nachdachte. Nichts in den vergangenen Monaten hatte darauf hingewiesen, dass ihr ehemaliger Freund sein Verhalten bereuen und ändern würde. Auf der anderen Seite sehnte sie sich nach der Chance, ihn wieder als sein altes Selbst zu sehen. Mehr als einmal hatte sie sich Vorwürfe gemacht, ob sie sich vielleicht zu früh von ihm abgewandt hatte. Sicher, er war damals unerträglich geworden, aber sie konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie es damals für ihn gewesen sein muss, von seinem eigenen Schüler verraten zu werden. Allein der Gedanke, dass Bant ihr eines Tages mit Hass entgegen treten würde, machte sie beinahe verrückt.
"In Ordnung, in zwei Stunden zum Frühstück bei uns." beschloss Tahl seufzend "Aber solltest du dem Jungen auch nur schief ansehen, wirst du Jul in den Hallen der Heilung verbringen."
"Verstanden. Danke, Tahl."
"Lass es mich nicht bereuen, Jinn."
Damit beendete sie den Anruf und ließ Qui-Gon alleine in der stillen Dunkelheit des Dojos zurück.Obi-Wan ging es gut und er würde gleich mit ihm sprechen dürfen. Er hatte noch immer die Chance seine Bindung zu Obi-Wan zu reparieren und seinem brillianten Schüler ein guter Meister zu werden. Zwei Stunden hatte er noch Zeit, zwei Stunden die er sinnvoll nutzen musste. Doch niemand war freiwillig um so eine Uhrzeit schon auf den Beinen. Obwohl, dachte Qui-Gon mit einem Grinsen, eine Person war es mit Sicherheit schon.
Wie erwartet, war Kit Fisto bereits wach, als er Qui-Gon sichtlich irritiert die Tür öffnete.
"Fröhlichen Jul, Kit. Darf ich reinkommen?"
Der junge Nautolaner sah aus, als hätte ein rosa Nexu gesehen, doch folgte der Bitte, zu verwirrt, um genauer darüber nachzudenken.
"Ich muss mich bei dir entschuldigen, Kit. Du hattest recht, unsere Schützlinge sind unsere Kinder und sie verdienen alles Glück der Welt. Und ich bin froh, dass sie dich haben, der sie bedingungslos liebt und für sie da ist und der selbst mich nicht aufgeben hat, obwohl ich so gemein zu dir war. Zu jedem war. Es tut mir so leid."Einige Sekunden lang sah der Nautolaner sein Gegenüber bloß ungläubig blinzelnd an, bevor er ihn in eine feste Umarmung zog. Qui-Gon zog scharf die Luft ein, bevor er förmlich in die Arme seines Freundes schmolz. Es war schon Ewigkeiten her, dass er das letzte Mal in den Arm genommen wurde. "Es tut mir so leid." flüsterte er leise in die Brust des Nautolaners und Kit könnte schwören, eine Träne auf sein Lekku tropfen gespürt zu haben. Sofort drückte er ihn noch fester an sich. "Wir bekommen das zusammen wieder hin. Wir sind für dich da, Qui-Gon." flüsterte er immer wieder, bis der Mann in seinem Armen sich so weit beruhigt hatte, dass Kit nicht mehr fürchtete, er würde zusammen brechen, wenn er ihn loslässt. "Ich bereite gerade einige Waffeln als Überraschung für die Jünglinge vor, hast du Lust mir zu helfen?" "Nichts lieber als das."
Damit verbrachten die beiden Männer den Tagesanbruch zusammen lachend in der kleinen Küche. Natürlich musste Qui-Gon sich seinem Freund irgendwann erklären, doch Kit konnte warten. Wichtiger war ihm zunächst etwas Klarheit und Ruhe in die rasenden Emotionen seines Freundes zu bringen, alles andere konnte noch warten. Und tatsächlich wurde Qui-Gons Machtpräsenz im Laufe der Zeit immer ruhiger und wärmer, bis es schließlich an der Zeit war, sich auf den Weg zu Tahls Quartier zu machen. Seine so mühsam verdrängte Nervosität kam in voller Stärke zurück bei dem Gedanken an das bevorstehende Gespräch. Mit einem letzten aufmunternden Schulterdruck verabschiedete sich Kit von ihm und er lief wieder alleine durch die Gänge des Tempels. Kit hatte ihm schnell verziehen und ihm geholfen seine Gedanken zu ordnen, er konnte nur hoffen, dass es genügte, um Obi-Wan nicht zu verschrecken.
Viel zu bald schon stand er vor der Tür zu Tahls Quartier. Noch bevor er die Klingel betätigen konnte, öffnete sie sich bereits vor seiner alten Freundin, die ihn abschätzend musterte. Er spürte, dass sie mit der Macht versuchte seine Intentionen zu ertasten und er ließ sie. Er hatte Nichts mehr zu verbergen.
"Er wartet im Wohnraum auf dich." erklärte sie schließlich kühl "Aber ich warne dich, solltest du den Jungen auch nur schief ansehen, siehst du ihn nie wieder!"
Qui-Gon wollte am liebsten im Boden versinken, doch er hielt ihren Blick. "Ich schwöre dir, ich werde alles tun, um jegliches Leid von Obi-Wan fern zu halten. Immer."
Sie sah immer noch nicht ganz überzeugt aus, aber ließ ihn eintreten. "Du hast 10 Minuten, Jinn. Wenn Obi-Wan bis dahin nicht lächelt, solltest du besser sehr schnell rennen können." Rief sie ihm noch über die Schulter zu, bevor sie mit ihrem Padawan das Quartier verließ.Als Qui-Gon das Wohnzimmer betrat, saß Obi-Wan steif auf der Couch. Er versuchte emotionslos zu wirken, doch Qui-Gon sah ihm seine Nervösität deutlich an. Langsam ging er auf ihn zu, bis er sich einen halben Meter vor ihm auf den Boden kniete, um auf Augenhöhe mit seinem Schüler zu sein. Einen langen Moment lang konnte Qui-Gon nur in die blauen Augen seines Schülers starren. Er könnte schwören sie hätten bereits etwas an Glanz verloren in ihrem gemeinsamen Jahr.
"Es tut mir Leid, Obi-Wan." brach es schließlich aus ihm heraus "I- Ich hatte so große Angst davor, die gleichen Fehler bei dir wieder zu machen, dass ich nicht gesehen habe, wie sehr ich dir damit weh tue. Ich wollte unbedingt, dass du dein großes Potenzial voll entfalten kannst, dabei habe ich das genaue Gegenteil erreicht. Ich habe dich verletzt und vernachlässigt und dabei geglaubt, ich würde dir helfen. Ich weiß, das lässt sich nicht so einfach durch ein paar Worte wieder gut machen, aber ich will dir beweisen, wieviel du mir bedeutest, wenn du mich lässt."
Für einen Augenblick schien die Zeit wie eingefroren zu sein, bis Obi-Wan sich vom Sofa in die Arme seines Meisters fallen ließ. Qui-Gon wusste, dass sein Band zu Obi-Wan damit längst noch nicht geheilt war, dass er einen schwierigen Weg vor sich hatte und er vermutlich die Hilfe eines Jedi-Heilers annehmen sollte, aber hier mit Obi-Wan in seinen Armen wusste er, dass er es schaffen wird. Mit Obi-Wan an seiner Seite.
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Der Geist von Jul
FanfictionEs ist der Abend vor Jul. Der ganze Tempel ist in Vorfreude auf das Fest geschmückt, nur Qui-Gon Jinn kann der Besinnlichkeit nichts abgewinnen. Für den verbitterten Meister ist es nichts als Zeitverschwendung und Sinnlosigkeit. An diesem besonderen...