Der 24. Dezember war für mich, so wie jedes Jahr, ein ganz normaler Arbeitstag. Während andere Menschen diesen oder die darauffolgenden Weihnachtstage mit ihren Liebsten verbrachten und, so wie es hier geläufiger war, auf Dates gingen, übernahm ich die Schicht in unserem Café, das leicht versteckt in einer Seitenstraße lag. Meine Kollegen waren nur allzu dankbar dafür, denn sie konnten deshalb die Zeit mit und für ihre Partner planen, ohne befürchten zu müssen, dass das Los in diesem Jahr unverhoffterweise sie treffen würde und ihnen somit einen Strich durch die Rechnung machte.
Warum ich mich von vornherein für diese wichtige Zeit im Jahr zum Arbeiten einteilen ließ, hatte einen ganz einfachen Grund: Ich hatte niemanden, mit dem ich das Weihnachtsfest feiern wollte. Das Verhältnis zu meiner Familie war gespalten, seit sie von meiner Sexualität erfahren hatte und die meisten meiner Freunde waren in Beziehungen; ihre Tage waren also schon für diese reserviert.
Einen Freund hatte ich zudem schon lange nicht mehr gehabt, aber das war auch kein Umstand, der mich störte. Ich wollte nicht aktiv nach der Liebe suchen und mich krampfhaft an andere Menschen klammern oder Hals über Kopf in eine Beziehung zu einem praktisch Fremden stürzen, alles nur, damit ich nicht alleine war. Ich war glücklich mit dem, was ich mir aufgebaut hatte und wenn sich an diesem Zustand etwas ändern sollte, würde die Liebe mich schon von sich aus finden.
Anders lief es, wie bereits erwähnt, in der Gruppe meiner engsten Freunde, die praktisch meine neue Familie geworden waren: Mein bester Freund Hyunjin war seit vier Jahren mit Felix zusammen und damit waren die beiden auch das Paar, das bereits am längsten existierte; Seungmin hing schon immer an Changbin, auch wenn die beiden noch nicht lange offiziell waren und auch Bangchan und Jeongin waren unzertrennlich. Einzig und allein Jisung und ich waren noch solo, wobei ich allerdings noch nicht mitbekommen hatte, dass der Jüngere überhaupt mal in einer Beziehung war; wenn doch, hatte er uns nichts davon erzählt.
Die Paare unter uns jedenfalls hatten schon lange im Voraus angekündigt, dass sie auch dieses Weihnachten wieder in trauter Zweisamkeit verbringen würden und Jisung nutzte die Zeit in den Ferien, um zu seiner Familie zu fahren; also war auch schon früh klar gewesen, dass ein großes Fest zusammen mit allen nicht stattfinden würde, weil lieber alle für sich feierten - bis auf mich jedenfalls.
Dennoch war ich kein Grinch; ich erfreute mich an den hübsch dekorierten Schaufenstern und saisonalen Leckereien (mit letzteren krümelte ich auch ab und zu gern meine Sofadecke voll, wenn abends ein zur Jahreszeit passender Film lief) und tauschte ebenfalls Geschenke mit Freunden und Kollegen aus. Die Vorweihnachtszeit und die damit verbundene Stimmung genoss ich meiner Meinung nach also in vollen Zügen. Ich sah nur keinen Sinn darin, das Weihnachtsfest selbst aktiv zu zelebrieren, zumal es hier in Korea auch keine staatlich anerkannten Feiertage dafür gab.
Stattdessen konnte ich die ruhigen Schichten entspannt im Laden verbringen, heiße Schokolade und Kekse in greifbarer Nähe und zusätzlich im nächsten Jahr das Vorrecht auf die beliebtesten Urlaubstage einstreichen.
Gerade stand ich in besagtem Café, die weinrote Arbeitsschürze über einem leichten, hellen Pullover und das nussbraune Haar ein wenig gestylt und unternahm die letzten Handgriffe, bis ich den Laden für potentielle Kunden pünktlich als geöffnet ausweisen konnte. Da ich heute aber, wie bereits erwähnt, nur wenig davon zu erwarten hatte, bereitete ich mir erst einmal selbst ein Getränk zu und rückte dann die Kuchen in der Auslage zurecht, die ich zuvor dort platziert hatte.
Nun hieß es warten. Ich nutzte die Zeit und stöberte ein wenig in den sozialen Medien. Zwischendurch ließ mich die kleine Glocke, die an der Tür angebracht war und jedes Mal ertönte, wenn ein Gast sie öffnete, um das Café zu betreten, mein Handy automatisch zur Seite legen, damit ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Arbeit richten konnte. Dennoch gab es nicht viel zu tun; am heutigen Tage wollte wohl niemand länger als nötig unterwegs sein, weshalb ich alle Bestellungen zum mitnehmen einpackte.
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Baby Gay's Christmas Countdown
FanfictionBei diesem Buch handelt es sich um eine kleine Weihnachtsüberraschung von Baby Gays für Baby Gays. Ab dem 17. Dezember wird es bis zum 24. jeden Tag einen kleinen One Shot geben. Nicht ganz wie bei einem Adventskalender, aber doch fast. Dieses Proje...