Roselyn bekam die restlichen Zeremonien kaum noch mit, so aufgewühlt war sie. Sie wusste nur, dass eine gewisse Xantha Dusk Gelb bekommen hatte und der Brunnen bei Lotus Heartshine in einem unangenehmen Pink erstrahlt war.
„Ich sagte doch, alles wird gut."
Roselyn sah verlegen auf ihre Schuhe. „Ich bin so erleichtert", gab sie zu. „Was wäre, wenn ich nicht Rot bekommen hätte? Was wäre dann aus mir geworden? Aus dir?"
„Jetzt beruhige dich mal!" Garnet legte ihre Hand auf Roselyns. „Sorge dich nicht so viel darum, was hätte sein können. Das Einzige, was zählt, ist die Wahrheit."
Typisch für sie, dachte Roselyn amüsiert. Immer muss sie mit ihren schlauen Sprüchen ankommen. „Wie wär's, wenn wir jetzt-"
Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Zu Tode erschrocken, klatschte sich Roselyn beide Hände an den Mund, um nicht aufzuschreien. „Der Moonray-Rubin!"
Heller als zuvor, bis beinahe der ganze Marktplatz von seinem roten Licht erfüllt war, leuchtete der Anhänger.
Garnet wurde weiß wie Schnee und umfasste den Stein mit der Hand. Doch das dämpfte seine Leuchtkraft kaum. „Oh nein", krächzte sie. „Ich hätte wissen müssen, dass er bei dir besonders stark reagieren wird."
„Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden!", drängte Roselyn und packte Garnet unsanft am Handgelenk, um sie in die Seitengassen zu ziehen.
Doch es war zu spät.
Die Xyleponaler schrien. Sie schrien so laut, dass Roselyn fürchtete, ihre Stimmbänder würden beschädigt werden.
Es war nicht schwer herauszufinden, dass sie wegen dem Moonray-Rubin so außer Kontrolle gerieten.
Ihr Hass gegen die Roten Magier war nicht aufzuhalten.
Dann hörte Roselyn eine nur allzu bekannte Stimme. „Ztairoken!" Die Stimme der Zeremonienleiterin übertönte die Schreie mit Leichtigkeit.
„Wir müssen von hier verschwinden!", rief Roselyn von Panik erfüllt. „Komm schon, Garnet! Lauf!"
Garnet sah sie nur mit einem unendlich traurigen Ausdruck in ihrem Augen an, während die Ztairoken angaloppiert kamen.
Roselyn biss sich auf die Unterlippe und sah sich nach hinten um. „Bitte!", bettelte sie. „Wir müssen..."
„Rose." Garnets Stimme war schneidend kalt wie ein Eiszapfen. „Rose, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht."
„Na und?", widersprach Roselyn heftig, den Blick starr auf die Ztairoken gerichtet. „Es ist nur eine Kette-"
„Hör mir zu!", unterbrach Garnet sie. „Lauf! Lebe! Ich muss für meine Taten bezahlen."
Roselyn spürte, wie ihre Augen anfingen zu brennen. Tränen. „Was meinst du?", flüsterte sie verwirrt.
Doch Garnet stieß sie nur von sich. „Vielleicht wirst du irgendwann die Wahrheit herausfinden. Jetzt bring dich in Sicherheit, Rose."
Mit dem Gefühl von Steinen in der Brust rannte Roselyn in die nächstbeste Gasse. Sie bewegte ihre Beine immer weiter, ohne anzuhalten, ohne zurückzuschauen.
Ihr ganzes Leben lang wurde ihr beigebracht, auf Garnet zu hören. Auf keinen Fall sollte sie ihre Befehle missachten.
Roselyns Sicht wurde verschwommen, dennoch rannte sie weiter. Ihr Kopf war frei von fast jedem Gedanken, nur Garnets „Lebe!" wiederholte sich tausende Male.
Dann trat sie ins Leere.
Einen Aufschrei vermeidend, hielt sich Roselyn im letzten Moment geistesgegenwärtig fest. Ihr Herz klopfte mit einer solchen Wucht, dass sie es spüren konnte.
Mit aller Kraft klammerte sich Roselyn an einen Felsen, der über der Schlucht hing. Sie trat mit den Füßen gegen die Steinwand, versuchte, Halt zu finden, doch vergeblich.
Langsam verlor sie den Halt. Nein! Ich darf Garnets Befehl nicht missachten! Roselyn packte den Felsen mit einer Hand fester. Ein Fehler, denn dadurch rutschte ihre andere Hand ab.
Vor Schmerz keuchte Roselyn auf, als sie bemerkte, dass ihre Hand blutete. Sie versuchte, sich wieder mit beiden Händen festzuhalten, doch mit ihrer Verletzung war es unmöglich.
Soll ich um Hilfe rufen? Mit jeder Sekunde, die verstrich, schwand Roselyns Kraft. Sie wagte es gar nicht, in die Tiefe zu sehen, die sich unter ihr auftat.
Wie tief war die Schlucht überhaupt? Niemand wusste es, da niemand den Grund sehen konnte. Denn dort unten, nur wenige Meter von Roselyns Schuhsohlen entfernt, waberte ein finsterer Nebel, undurchdringlich.
Plötzlich ertönte ein lautes Geräusch, wie das Schlagen riesiger Flügel, das immer näher kam.
Im nächsten Moment flogen die Ztairoken am Himmel vorbei. Roselyn starrte sie nur an. Sie haben Flügel. Woher haben sie Flügel?
Einer der Ztairoken sah zu Roselyn hinunter. Sie erstarrte bei dem Anblick. Das durfte nicht wahr sein.
Ihre Hand rutschte vom sandigen Gestein ab. „Was habe ich dir je getan?", schrie Roselyn zum Himmel.
Der Felsen fing an zu glühen. Heißer und heißer, wie Feuer. Roselyn schnappte nach Luft. Garnet, ich erwarte deine Strafe. Ich weiß, nichts, was ich tun werde, wird meinen Fehler umkehren. Ich habe dich enttäuscht.
Als Roselyn losließ, färbte sich der Himmel glühend rot.
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Die Farben der Bestimmung - ❤️Rote Magie❤️ (Bis auf Weiteres abgebrochen!)
FantasyIn Kattrahlis wird allen Bewohnern, die das vierzehnte Lebensjahr erreicht haben, eine bestimmte Farbe zugeteilt: Rot, Grün, Blau, Gelb und Pink. Sie verleihen ihrem Besitzer, dem Farbenschützer, eine Fähigkeit, die er nicht für Schlechtes missbrauc...