7 - Prophezeite Zweige (oder so)

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Jahr 3 (Teil 1):

Als ich das Klassenzimmer für Wahrsagen zum ersten Mal betrat und Professor Trelawney erblickte stellte ich kurzzeitig meine Entscheidung in Frage, das Fach gewählt zu haben. Außerdem fragte ich mich, ob Professor Trelawney absichtlich diese Brille gewählt hatte, die ihre Augen viel zu groß erscheinen ließen, um wie nicht von dieser Welt zu wirken, oder ob sie einfach öfter in die Zukunft als in den Spiegel blickte.

Es ging mir auch heute, einige Wochen später, noch nicht anders, aber abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher war, ob ich auch nur den Hauch einer hellseherischen Gabe besaß, war Wahrsagen irgendwie lustig und vor allem Pandora war mit voller Hingabe bei der Sache.

Gerade verkündete Professor Trelawney wir sollten unseren Horizont erweitern und dann in Teetassen die Zukunft sehen. Mir kam das ja ein bisschen weit hergeholt vor, aber andererseits, schaden konnte es sicher nicht.

In meiner Teetasse, über die Pandora und ich uns gebeugt hatten, war... nun ja, mit etwas Vorstellungskraft konnte ich dort eine Fledermaus und einen Zweig entdecken.

"Fledermaus... steht für Enttäuschung", schlug ich im Buch nach, "Hm, nicht gut. Und der Zweig... steht für neue Freundschaften. Das ist schon besser. Außer natürlich, eine Freundschaft wird enttäuscht..."

"Ich sehe da auch noch eine Vase und eine Waagschale", verkündete Pandora und warf dann ebenfalls einen Blick ins Buch, "Die Vase steht für einen Freund, der Hilfe braucht. Das ließe sich mit deinem Zweig kombinieren. Und die Waagschale steht für Gerechtigkeit."

"Also werde ich Freundschaft finden und ein Freund braucht meine Hilfe und ich werde zwar enttäuscht werden, aber zum Schluss siegt die Gerechtigkeit?", fasste ich zusammen und warf Pandora einen zweifelnden Blick zu.

"Das ist eine mögliche Interpretation", pflichtete diese mir bei, "Aber in der Wahrsagerei gibt es nie nur eine Deutungsmöglichkeit, das weißt du doch. Komm, lesen wir jetzt noch aus meiner Tasse."

"Ja, gute Idee...", stimmte ich ihr zu, während ich immer noch über meine Deutung nachgrübelte. Gut klang meine Interpretation der Tasse ja nur bedingt...

~~~~~

Als es Zeit für Pflege magischer Geschöpfe wurde, meinem absoluten Lieblingsfach, begann ich zu überlegen, ob ich bei meiner Teeinterpretation vielleicht zu kompliziert gedacht hatte. Vielleicht hatte der Zweig auch einfach einen der Bowtruckle darstellen sollen, die ich jetzt gerade bestaunte.

"Bowtruckle leben meist in Zauberstabholzbäumen", erklärte Professor Kesselbrand gerade, "Ich habe euch diese hier aus dem Verbotenen Wald mitgebracht, wenn ihr vorsichtig seid, könnt ihr gerne näher kommen."

Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, mir war bisher noch kein Tierwesen über den Weg gelaufen, das ich nicht gerne näher kennengelernt hätte. Vorsichtig trat ich näher und ein paar andere Schüler, darunter Pandora und Dorcas, taten es mir gleich.

Als einer der Bowtruckele nach einiger Zeit sogar auf meine Hand sprang, und darauf mit seinen winzigen Füßchen hin und her stakste, kam ich aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Ich blickte mich nach meinen Freundinnen um, um ihnen den wirklich süßen Bowtruckle, den ich insgeheim Chuck getauft hatte, vorzustellen. Dabei blieb mein Blick aber an jemand ganz anderen hängen.

Barty, der etwas abseits bei einem der anderen Bowtruckle stand, sah mich direkt an, ein leichtes Lächeln im Gesicht. Als er bemerkte, dass ich in seine Richtung blickte, wandte er sich sofort ab. Stirnrunzelnd legte ich den Kopf schief. Was sollte das denn jetzt?

Ich beschloss, mir nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, sondern stattdessen die Zeit, die ich mit Chuck hatte, zu genießen. Ich drehte mich nun doch zu Pandora und Dorcas um, auf deren Händen ebenfalls Bowtruckle unterwegs waren. Wir hielten unsere Hände zusammen, sodass die Bowtruckle sich begrüßen konnten, was sie auch sichtlich aufgeregt taten.

Als die Stunde zu Ende war, setzten wir die Bowtruckle vorsichtig wieder ab und ich verabschiedete mich von Chuck, Professor Kesselbrand würde sie wieder zurück in den Verbotenen Wald bringen.

Irgendwann würde ich hoffentlich jeden Tag mit Wesen wie Chuck zu tun haben. Irgendwann würden magische Tierwesen im besten Fall mein Job sein. Naja, vorausgesetzt ich traute mich irgendwann, das meinem Vater mitzuteilen...

Somewhere inbetweenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt