Kapitel 1

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Regen prasselte in Fluten auf den Boden herab, welcher ihn kaum noch in sich aufsaugen konnte, begleitet vom wütenden Geheul des tobenden Sturms. Der Pfeifton, der durch das Gebäude hallte, hörte sich schaurig an. Die Ohren des silbernen Wolfes zuckten, als er die schäbbigen Geräusche in sich aufnahm. Langsam öffnete er die Augen. Seine Träume waren schrecklich und durcheinander. Kurz blieb er liegen, starrte auf die entfernte Wand vor ihm und fragte sich, wo er war. Er bewegte den Kopf, versuchte ihn anzuheben. Doch sein Blick wurde getrübt, durch eine eigenartige Schwärze und das schwankende Gefühl in seinem Inneren.

„Ugh...", stieß er aus, als er versuchte sich hinzustellen. Ein Stechen an beiden Seiten seines Halses war spürbar und brachte ihn fast um den Verstand. Der Rüde wusste nicht, was mit ihm los war, doch er versuchte es weiter. Er schleifte sich mühsam von der Ablage, auf die er lag. Dabei bemerkte er kaum, dass er einige Schläuche, die in seiner Haut hingen, mit sich zog. Er flog auf den Boden, mitsamt der Schläuche und einem lauten Bollern des Infusionsständers.

Stöhnend rappelte er sich auf. Der Sturz schmerzte und er zog mit aller Kraft die Nadeln aus sich heraus. Danach schlich er, fast kriechend, zur nächsten Tür.

Er lehnte sich an den Türrahmen und blickte sich um. Die Sicht wurde mittlerweile klarer, doch das Gefühl des Drehens spürte der Wolf noch immer. Es kam ihm vor, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht.

Das Geräusch des Windes wirbelte durch den dunklen Flur, schaurig und unberechenbar. Erst jetzt bemerkte der silberne Wolf die Stille.

„H... hallo!?", rief er angestrengt. Niemand reagierte.

Plötzlich überkam ihn das Gefühl der Übelkeit. Er musste würgen, doch kam nichts heraus.

>>Scheiße, was ist hier nur los? Träume ich?<<, fragte sich der Rüde, während er weiterschlich.

„Alles tut so weh. Und wo bin ich? Warum ist niemand hier?"

Fragen dröhnten in seinem Kopf, als er den Korridor hinunterlief.

Seine Schritte wurden allmählich fester und sicherer, doch der Schmerz hörte nicht auf. Langsam erreichte er den Ausgang, den er an einem grünen Leuchtschild erkennen konnte. Der Wolf öffnete die Tür und bemerkte, dass der Regen sich etwas beruhigt hatte.

Ein Pfad baute sich vor ihm auf, als er durch den Matsch lief. Seine Pfoten versanken teilweise in der Erde, als er dem Weg folgte. Silver war noch immer nicht ganz bei Verstand, aber sein Instinkt leitete ihn zu einem großen Gehege, am Ende des Pfades. Ein grüner Zaun erschien vor seinem Sichtfeld, davor noch ein weiterer Holzzaun, der als Abstandhalter dienen sollte.

Der Wolf suchte nach dem Eingang und sein Blick fiel auf das Eingangstor, welches offen stand. Silvers Ohren zuckten, als er dorthin schlich. Eine eigenartige Ruhe durchzog die Umgebung und nur der Regen, der von seinem Fell abperlte, war zu vernehmen. Vor ihm baute sich ein großes, mit Sträuchern durchwachsenes Gehege auf. Im hinteren Teil war es zum Großteil mit Bäumen bepflanzt. Der Wolf erkannte sofort, dass der Sturm auch hiervor nicht halt gemacht hatte, denn einige Pflanzen und Äste lagen chaotisch auf dem Boden herum. Auch die künstlich gebauten Holzhütten waren vom Wind zerstört worden.

Silver blickte sich um. Warum war er nochmal hierher gekommen?

Ein Schmerz schoss durch seinen Kopf, als er versuchte seine Erinnerungen wiederzufinden. Er taumelte durch das Gehege und hörte ein lautes Klicken. Sofort blickte Silver nach hinten und stellte fest, dass das Tor zugefallen war.

Reflexartig stürmte er hin, um es zu prüfen. Öffnen ließ es sich nicht mehr. Seufzend drehte der Wolf sich um. Suchend nach einem anderen Weg, der ihn wieder hinausführen könnte. Erst jetzt stellte er fest, wie verlassen das Gehege wirklich war. Warum war eigentlich keiner mehr hier?

Free Fall - Verlorene SpurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt