Kapitel 6

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Franky und Silver schritten still durch den Brückengang. Keiner von Beiden sagte etwas. Zwischen ihnen herrschte eine leicht negative Stimmung, obwohl Silver seinen Katerfreund ganz anders kannte. Was war plötzlich los mit ihm? Sein Verhalten kam ihm immer eigenartiger vor. Vielleicht sollte Silver auf der Hut sein, aber was könnte Franky schon vor haben, was dem Wolf schaden könnte? Vielleicht war der Kater auch einfach übervorsichtig. Als sie durch die Tür ins Reptilienhaus liefen, verriegelte Franky sie, mithilfe einer Kommode, wie sonst auch. Silver beobachtete ihn zuerst stumm, dann brach er die Stille.

„Denkst du nicht, dass das ein wenig übertrieben ist?"

Franky drehte sich um.

„Übertrieben? Ich bin nur vorsichtig, Silver. Das solltest du auch besser sein", antwortete er.

„Aber, Franky. Stanley würde keiner Fliege etwas zu leide tun. Hast du Angst verspeist zu werden?", seufzte der Wolf, der merkte, dass der Kater sich nicht umstimmen lassen würde.

Franky tapste mit einer Pfote vor, bereit sein Stück Fleisch zunehmen und weiterzugehen.

„Die Zeiten haben sich geändert. Und es kann sein, dass auch all' jene, die du kennst, sich ebenfalls geändert haben. Wenn es ums Überleben geht, dann zeigt sich erst der wahre Charakter", miaute er kühl, hob das Fleisch auf und ging weiter. Silver trottete hinter ihm her, unwissend, was er sagen sollte. Irgendwann blieb Franky stehen und sagte: „Geh schonmal vor, ich komme gleich nach." Verwirrt blickte Silver ihn an.

„Wohin willst du nun schon wieder?", wollte er wissen. Der Wolf war sich sicher, wo Franky hingehen wollte. Aber würde der Kater ihm endlich sagen, was er dort im Geheimen trieb? Wahrscheinlich eher nicht.

„Pinkeln. Ich muss immernoch", antwortete sein Freund, schon sichtlich genervt.

„Also gut. Dann viel Spaß", sagte Silver stumpf und schritt davon. Franky blickte ihm nach. Möglicherweise hatte der Kater noch mehr Fragen erwartet, aber Silver würde schon von selber herausfinden, was mit ihm los war. Davon war er überzeugt. Im Lagerraum angekommen legte er sich auf die Decke und versuchte sich zu entspannen. Der Tag war lang gewesen, obwohl der Abend noch nicht eingebrochen war. Der Rüde spürte Müdigkeit in sich aufsteigen, aber das Adrenalin, in seinem Inneren, hielt ihn wach. Er horchte dem Platschen des Regens, der draußen zu hören war. In der Ferne donnerte das Gewitter und hinterließ eine schauriges Gefühl. Der Wolf dachte über die Ereignisse des Tages nach. Es war schwer für ihn die Geschehnisse zu verarbeiten. Er dachte an Stanley, der sich im Haus auf der anderen Seite alleine fühlen musste. Aber vielleicht hatte Franky Recht und Silver sollte besser auf der Hut sein. Wobei sich der Rüde im Moment nicht sicher war, wie vertrauenswürdig der Kater selbst war. Es machte beispielsweise keinen Sinn, dass eine Katze einem Wolf helfen wollte. Franky wirkte allerdings nicht wie jemand, der Schlechtes im Sinn hatte. Silver jedoch wusste, der Kater war schlau. Und viele Dinge tat er mit Sicherheit nicht unüberlegt. Dann dachte er an Alexandra und Hunter. Nach Stanleys Erzählungen waren sie losgezogen, um ein Heilmittel zu finden. Und wenn das stimmte, dann würde das heißen, dass Alexandra noch lebte. Dennoch fand Silver die Geschichte sehr seltsam. Losgezogen mit den infizierten Rudelmitgliedern. Stimmte das wirklich? Aber wie sollte das funktionieren? Der Rüde kam zu keiner Erklärung für Stanleys Erzählung. Vielleicht könnte er den morgigen Tag nutzen, um ihn nach mehr Informationen zu befragen. Und er sollte sich langsam Gedanken darüber machen, wann der beste Zeitpunkt sein würde, loszuziehen und den Zoo zu verlassen. Um Alexandra zu suchen. Egal, was Franky davon hielt. Silver fühlte sich mittlerweile kräftig genug, um endlich seine Reise anzutreten.

Bald ließ der Sturm nach und es wurde ruhiger im Raum. Franky war noch immer nicht zurück, also schloss Silver die Augen, um etwas zu dösen. Bis ihn jedoch der Schlaf einholte. Dieses Mal ein traumloser und tiefer Schlaf, welcher ihn nicht merken ließ, dass Franky sich mittlerweile in den Raum schlich.

Free Fall - Verlorene SpurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt