14) Für Joonmyun

1K 119 21
                                    

Joonmyun hat nicht den blassesten Schimmer, wo Jongdae ihn da hinbestellt hat. Mit dem kleinen Papierschnipsel in der Hand irrt er durch ein Wirrwarr aus Seitengassen. Die Fassaden der Wohnhäuser rechts und links sind gräulich, vor den heruntergekommenen Läden sitzen Verkäufer und ziehen alle paar Sekunden an ihrer Zigarette. Joonmyun nimmt all seinen Mut zusammen und hält einem hageren Mann in schmutzig weißem Muskelshirt den Schnipsel vor die Nase.

„Entschuldigen Sie, wissen Sie, wo das ist?"

Der Mann bläst den Rauch seiner Zigarette aus und inspiziert den Schnipsel mit verengten Augen.

„Gleich um die Ecke, neben dem Lieferservice ist ein Hauseingang."

Joonmyun verbeugt sich dankend und eilt die restlichen Meter der Gasse entlang. Er findet den Hauseingang recht schnell hinter der bunt verzierten Fensterreihe des Lieferservices. "3. Stock" hat Jongdae auf den Papierfetzen gekritzelt, also steigt Joonmyun die ein wenig instabil wirkende Wendeltreppe hinauf. Als er schließlich völlig außer Atem die letzte Treppenstufe erklimmt, findet er sich in einem kahlen Raum wieder. Staunend schaut er sich um. Die Wände sind fleckig und der Boden abgenutzt und Joonmyun hat das Gefühl, dass es sich bei dem Raum vor langer Zeit einmal um eine recht geräumige Zweizimmerwohnung gehandelt haben muss. Sein Blick schweift weiter und bleibt schließlich an einer vertrauten Gestalt hängen. 

Jongdae sitzt auf dem Fußboden, den Rücken gegen die Wand gelehnt. 

„Du bist gekommen", stellt er fest und mustert Joonmyun von oben bis unten. Dann rappelt er sich auf. Eins, zwei, drei, vier, fünf zählt Joonmyun seine Schritte mit bis er schließlich direkt vor ihm steht. Seine Haare sind ein wenig unordentlicher als sonst und um seine Augen herum erkennt Joonmyun blasse, dunkle Ringe. 

„Warum-?", setzt er an, da packt Jongdae plötzlich aus dem Nichts sein Gesicht mit beiden Händen und zieht es mit einem Ruck zu sich heran. Ihre Lippen landen unsanft aufeinander und Joonmyun glaubt, Blut zu schmecken. Jongdaes Fingernägel bohren sich in seine Kopfhaut, seine Zunge drückt immer wieder gegen seine Lippen bis Joonmyun nachgibt und seinen Mund öffnet. Jongdae schmeckt nach Tomatensauce und Nikotin und nach Jongdae...

Sie küssen sich vielleicht zwanzig Sekunden, dann beschließt Joonmyuns Gehirn, sich wieder einzustellen. Warte! Was passiert hier? Was tut Jongdae da? Er presst seine Hände auf die Brust des anderen Jungen und schubst ihn mit all seiner Kraft von sich. Jongdae taumelt erschrocken zurück, stolpert und landet mit dem Rücken auf dem Boden. Seine Haare sind nun vollkommen durcheinander, seine Augen rot und Joonmyun erkennt mit Schrecken, dass er weint.

„Was soll das?", keucht Joonmyun, sein Puls geht immer noch viel zu schnell von dem langen Kuss.

Jongdae schaut ihn nur unverwandt an, macht aber keine Anstalten, auf seine Frage zu antworten. Anstatt dessen lässt er den Kopf zurücksinken und fixiert mit seinen Augen die Decke. Er verschränkt die Arme hinter seinem Nacken und blinzelt träge die Tränen weg. 

„Seit ich mich erinnern kann, steht dieses Gebäude leer", murmelt er und beobachtet dabei weiterhin die Decke. „Hier ist es still. Endlich still."

Für einen Moment bleibt Joonmyun verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel auf der Stelle stehen, dann nähert er sich vorsichtig dem am Boden liegenden Jungen. 

„Endlich still?", er setzt sich neben Jongdae. Der Anblick erinnert ihn an die Nacht, in der Jongdae so furchtbar betrunken war. Auch jetzt würde er ihm gerne seine Hand auf die Stirn legen und ihm durch die Haare streichen. 

„Endlich still", wiederholt Jongdae. „Überall ist es laut, aber hier ist es still."

Joonmyun versteht nicht recht. Zwar hat Jongdae Recht, hier ist es nicht gerade laut, aber es gibt sicherlich noch andere Orte, an denen es ruhiger ist. Wortlos lehnt er sich zurück, bis er auf dem Rücken neben dem anderen Jungen liegt.

SuChen: Am Ende des Tages [EXO Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt