5. »Willkommen in meiner Hölle.«

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»Au, verdammt«, fluchte ich leise, als ich aus Versehen die Bürste der Wimperntusche in mein Auge stieß. Wie oft mir das doch passierte. Genervt davon entfernte ich die schwarze Farbe unter meinem Auge, ehe ich mich im Spiegel betrachtete. Das Make-up war dezent, ein Lidstrich ließ meine Augen größer wirken, während ich nach Mias Aufforderung dunkelrote Lippen bekommen hatte. Meine Haare hatte ich locker nach hinten gebunden, so dass ein paar Strähnen mein Gesicht umrahmten – so, wie es Matze gefiel. Mein Blick glitt an mir herunter auf das schöne Kleid und die schwarzen, hohen Schuhe. Es waren neun Zentimeter, für manche mochte das vielleicht nicht hoch sein, doch bei mir war das schon sehr hart an der Schmerzgrenze. Ich fühlte mich, als würde ich auf Stelzen laufen. Und so verließ ich seufzend das Bad und steuerte den Kleiderschrank an. Dort kramte ich zum Schluss meinen Mantel raus, welchen ich sofort überzog. Skeptisch betrachtete ich mich erneut im Spiegel. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob das nicht zu viel war. Wie Matze sich wohl kleidete? Mit diesen Gedanken drehte ich mich um. Als ich diese grünen Augen direkt vor mir sah, schreckte ich automatisch mit einem leisen Schrei nach hinten. Dabei stolperte ich in den Schuhen, doch Matze schlang seine Arme um mich und zog mich an sich.

»O Gott.« Hektisch atmete ich auf. »Was machst du hier? Erschreck mich doch nicht so.«

Er lächelte leicht und beugte sich zu mir runter, um seine Lippen ganz sacht auf meine zu legen. Der Schreck war augenblicklich verflogen, ich begann zu lächeln.

»Hey«, raunte er leise.

»Hi«, erwiderte ich ebenfalls ruhiger. »Wie kommst du hier rein?«

»Mit deinem Schlüssel, den ich gesichert habe, weil du ihn leichtsinnigerweise immer noch auf seinem Stammplatz unter der Fußmatte liegen hattest.« Mit einem schwachen Lächeln trat er von mir zurück, bevor er seinen Blick an mir herabgleiten ließ. Ungeduldig spielte ich mit meinen Händen, während ich seine Reaktion abwartete. Es beunruhigte mich, dass er keine Miene verzog.

»Ist das zu viel?«, fragte ich unbeholfen. »Ich wusste nicht, was-« Verzweifelt brach ich ab. »Ich kann mich auch noch schnell umziehen.«

»Du siehst ...« Ratlos strich er sich über die Haare und ließ seinen Blick erneut über mich wandern. »Du siehst umwerfend aus.«

Ein Kribbeln durchzog mich bei seinen Worten und mein Herz schlug auf einmal übermäßig schnell.

»Wow.«

Schüchtern schaute ich wieder zu ihm rauf und begutachtete ihn dann meinerseits. Das erste, was mir in die Augen stach, war das dunkle weinrote Hemd unter der braunen Lederjacke. Mein Atem stockte kurz, da ich ihn das erste Mal im Hemd sah und feststellte, wie unglaublich attraktiv er darin wirkte. Es war zwar nicht in die schwarze Jeans gesteckt, aber ich musste kurz auflachen, weil wir unbeabsichtigt die gleiche Farbe trugen. Er mochte sie also wirklich. Dies bestätigte das zufriedene Lächeln auf seinen Lippen, als er mein Kleid erneut musterte.

»Was magst du an dieser Farbe so gern?«, fragte ich ihn und trat an ihn heran.

»Ich weiß nicht, ich mag sie einfach.« Lächelnd umschloss er meine Taille, um mich wieder an sich zu ziehen. Durch die Schuhe kam ich ihm ein wenig näher. »Und an dir mag ich sie am meisten.«

Mein Lächeln wurde noch ein Stückchen breiter und ich richtete automatisch den Kragen seines Hemdes. Die ersten Knöpfe waren geöffnet, so dass ich einen unverschämten Einblick auf seine Brust hatte.

»Vielleicht hätte ich mich doch schicker anziehen sollen«, bemerkte er amüsiert. »Einen Moment.« Er nahm seine Hände von mir und öffnete seinen Gürtel, gleich darauf auch die Hose. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete ich ihn, wie er das Hemd in die Hose steckte. »So.«

Ungläubig schüttelte ich den Kopf und musterte das Hemd. Viel verändert hatte sich nun nicht, doch ich ließ ihn in dem Glauben – was auch immer er glaubte. Schnell warf ich mir noch einen Schal über, steckte Schlüssel und Handy ein und ergriff dann Matzes ausgestreckte Hand. Wie ein eingespieltes Team verschränkten wir die Finger ineinander und schlenderten die Treppen hinab. Auch er hatte wieder einen Schal um, seine Mütze auf und die Handschuhe steckten im Helm. Ich machte mir Sorgen, weil es echt kalt draußen war, aber es würde nichts bringen es anzusprechen, denn ich war mir sicher, dass der Abend schon schlimm genug werden würde für ihn.

»Fahr vorsichtig«, bat er mich vor meinem Auto.

»Immer«, entgegnete ich mit einem aufbauenden Lächeln. Er erwiderte es schwach und strich mir sanft über die Wange. Vorsichtig legte er seine Lippen hauchzart auf meine.

»Ich würde dich gerne richtig küssen, aber ich will dir nicht den Lippenstift ruinieren«, murmelte er.

»Wie aufmerksam.« Ich stahl mir einen letzten Kuss, ehe ich in den bequemen Stoffsitz fiel. Langsam schloss er mir die Tür und eilte dann zu seinem Motorrad. Ich ließ ihn vorfahren, da ich den Weg nicht kannte. Die Fahrt gab mir eine letzte Schonfrist, um mich auf das Bevorstehende einzustellen. Nur verging sie leider viel zu schnell, meine Nervosität war auf Level hundert angelangt und am liebsten wäre ich im Auto sitzengeblieben, als wir vor der großen, alten Villa hielten. Also waren wir bei ihnen zu Hause. Mit einem tiefen Atemzug stieg ich aus dem Auto und gesellte mich zu Matze.

»Ich will da nicht rein«, teilte ich ihm verzweifelt mit.

»Da sind wir ja schon mal zu zweit«, entgegnete er und griff liebevoll meine Hand. Im Augenwinkel sah ich, dass er ein letztes Mal tief Luft holte, sich dann in Bewegung setzte und mich mitzog. Er zögerte, bevor er die Klingel betätigte, doch als ich seine Hand aufbauend drückte, tat er es.

»Wissen sie von meinem Sprachfehler?«, fragte ich leise.

»Nein.«

»Klasse.«

»Mach dir keinen Kopf.« Mit diesen Worten wurde die schwere Haustür geöffnet und ein Mann trat heraus. Die riesige Tür sah neben ihm normal groß aus, so dass ich mich augenblicklich wie ein Zwerg fühlte, da Matze ebenfalls größer als ich war. Ich schluckte schwer, registrierte braun-gräuliches Haar, ein rasiertes Kinn und blasse braune Augen, die mich ernsten Ausdrucks musterten. Mein Unterbewusstsein war schneller als ich und schrie mir entgegen.

Das ist er. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 04, 2015 ⏰

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