Colbyns POV
Im Inneren des Gebäudes riecht es steril und nach Desinfektionsmittel. Die weißen Wände, die mich von allen Seiten einschließen, sind kahl und trostlos. Obwohl ich in meinem Käfig weniger Platz habe, fühle ich mich unwohl und eingeengt.
Für ein paar Meter folge ich dem schmalen Gang, der sich unmittelbar hinter der Eingangstür erstreckt, und bleibe erst stehen, als ich eine Abzweigung erreiche. Der Weg rechts führt zu dem sogenannten Traumzimmer; meinem Arbeitsplatz. Leider ist der Name nur Schein, denn bei dem Traumzimmer handelt es sich um einen kleinen Raum, in dem sich lediglich vier hochmodernisierte Stühle befinden. Und ein Fenster mit Gitterstäben.
Egal, wo man sich als Projekt aufhält: Man ist immer und überall gefangen. Und man wird immer und überall überwacht, wie die blinkenden Kameras an der Decke verdeutlichen.
Begleitet von einem frustrierten Seufzen lasse ich meinen Blick nach links wandern, wo der Gang nach nur zwei Metern endet, weil ein elektrisches Spannungsfeld, das gefährlich summt und knistert, den Weg versperrt.
Was sich hinter dem Spannungsfeld befindet? Der Eingangsbereich für die Schöpfer.
Auch wenn ich noch nie auf der anderen Seite der elektrischen Barriere war, kann ich mir gut vorstellen, dass es dort luxuriös ist und mit jedem einzelnen Gegenstand zur Schau gestellt wird, dass Geld keine Rolle spielt.
Wahrscheinlich müsste ich nur einen Blumentopf klauen und schon hätte ich mehr Geld als in meinem bisherigen Leben zusammengerechnet.
Ich seufze ein weiteres Mal. Da ich es mir zeitlich gesehen nicht leisten kann, in meinen Gedanken zu ertrinken, schüttele ich kurz den Kopf und folge dann dem rechten Gang, der mich geradewegs zu dem Traumzimmer führt.
Zutritt nur für befugtes Personal steht in geschwungenen Buchstaben auf der Tür. Um mich als Traumreiseleiter auszuweisen, halte ich meinen Barcode vor den Scanner und warte, bis sich die Tür öffnet.
Wie jeden Morgen bin ich der Letzte, der in dem Traumzimmer eintrifft.
„Hey Colbyn", begrüßen mich Berry, Evanya und Solene im Chor. Sie alle haben ein Lächeln aufgesetzt, das weder ihre Augen erreicht noch glaubwürdig aussieht.
„Hey", erwidere ich mit einem ebenso gezwungenen Grinsen. Zu gerne würde ich meine Arbeitskollegen fragen, wie es ihnen geht oder ob sie sich auf den Tag in Traumania freuen, doch jegliche Form der privaten Kommunikation ist hier verboten. Zumindest für Projekte.
Irgendwie ist es traurig, dass ich Berry, Evanya und Solene seit zwei Monaten täglich sehe, sie aber überhaupt nicht kenne. Ich habe keine Ahnung, wer die Menschen hinter den vermeintlich glücklichen Masken und Fassaden sind. Wahrscheinlich genauso unzufriedene Projekte, wie Lilah, Benedict, Juniper und ich.
Vor zweieinhalb Monaten wurden wir dazu auserwählt, als Traumreiseleiter die Schöpfer durch ihre selbst kreierten Traumwelten zu führen. Was uns für diesen Job auszeichnet oder qualifiziert? Nichts. Nur unser makelloses Aussehen.
Laut Seraphina Kingsley, die Traumania gegründet hat, seien Berry, Evanya, Solene und ich die hübschesten Projekte aller Zeiten. Manchmal bedauere sie es sogar, dass wir keine Schöpfer sind.
Und ganz ehrlich? Ich bedauere das auch, denn wer will schon ein Projekt sein, wenn er stattdessen sein Leben als Schöpfer genießen könnte? Richtig: Niemand.
Ein schriller Ton, der das ganze Traumzimmer erfüllt, reißt mich aus meinen Gedanken in die Realität zurück.
„Es ist so weit", murmelt Evanya. Dass sie genauso lustlos und unmotiviert ist, wie ich, verraten mir ihre ausdruckslosen, blauen Augen. „Macht euch bereit. Die Pflicht ruft!"
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Dreamcatcher - Through a Dream
Science FictionColbyn arbeitet als Traumreiseleiter. Obwohl er seinem Job nicht sonderlich viel abgewinnen kann, führt er täglich die reiche Bevölkerungsschicht durch ihre eigenen Traumwelten. Als wäre es nicht schon schlimm genug, der Gier und dem Geiz der Mensch...