66. Kapitel

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Taehyung:

An die Decke starren. Mehr blieb mir nicht, seit Tagen. Fünf lange, zermürbende Tage, in denen die Zeit fast stillzustehen schien. Jeder Moment, jeder Atemzug war durchdrungen von der unerträglichen Ungewissheit. Wo war Jungkook? War er überhaupt noch am Leben? Diese Frage nagte unaufhörlich an mir, wie ein giftiges Tier, das sich durch mein Innerstes fraß. Der Gedanke, dass er irgendwo in Dunkelheit und Schmerz gefangen war, drohte mich zu zerreißen. Doch der alternative Gedanke, dass er bereits... Nein. Daran durfte ich nicht denken. Konnte es nicht. Die Ungewissheit war bereits genug, um mich an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Gleichzeitig wusste ich, dass der Mann, der mir das angetan hatte, irgendwo da draußen frei herumlief, ohne auch nur die geringsten Konsequenzen zu spüren. Es war, als würde die Welt mit mir hämisch lachen, während ich langsam daran zugrunde ging.

Wenn Jungkook endlich zurückkäme, müsste er mir alles erklären. Wer war er wirklich? Und warum war das alles passiert? Doch bevor ich Antworten erhalten würde, stand noch dieses Treffen mit Jeongguk an – am Montag. In meinem tiefsten Inneren wusste ich, dass ich Jungkook bis dahin wohl nicht mehr sehen würde.

Mit zitternden Händen griff ich nach dem Glas, das auf dem Küchentisch stand, und kippte die bittere, dunkelrote Flüssigkeit hinunter. Im Keller hatte ich noch drei Flaschen alten Weins gefunden, die ich ursprünglich für besondere Anlässe aufheben wollte. Aber was war schon ein besonderer Anlass, wenn das Leben in Trümmern lag? Die Angst hatte mich fest im Griff, sie hielt mich davon ab, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen. Also opferte ich die Flaschen. Der Alkohol war das Einzige, was die schmerzhaften Gedanken betäuben konnte, sie wenigstens für eine Weile zum Schweigen brachte.

"I think I’m broken, nothing can fix me~", murmelte ich betrunken vor mich hin, als „Maybe“ von Machine Gun Kelly und Bring Me the Horizon durch die Stille hallte. Wie passend. Es fühlte sich an, als ob das Lied für mich geschrieben worden war, als ob jemand meine gequälte Seele in Musik gegossen hatte.

In dieser trüben, von Selbstmitleid durchdrungenen Welt vergrub ich meine Finger in meinen ungepflegten, roten Haaren. Ich zog eine Strähne durch meine Hand, als ob das etwas ändern würde. "Tu was dagegen, sagte er... Pff, hätte ich keine Angst, könnte der mich mal...", murmelte ich vor mich hin, während ich mich vom Küchenboden hochhievte. Meine Beine fühlten sich an wie aus Gummi, der Alkohol hatte meinen Gleichgewichtssinn längst ausgeschaltet. Dennoch schaffte ich es irgendwie ins Badezimmer. Dort öffnete ich den Schrank und zog eine Packung Haarfarbe heraus, die ich für Notfälle gekauft hatte. Dunkelbraun. Meine alte Haarfarbe. Bevor das Chaos begann.

Benommen mischte ich die Farbe zusammen, klatschte sie ohne viel Sorgfalt auf meinen Kopf. Es war mir egal, dass ich kleckerte, dass ich die Farbe in meiner Trunkenheit überall verteilte. Ein hoffnungsloses Unterfangen, dachte ich, während mein Gesicht genauso von Farbe bedeckt wurde wie mein Haar. In meiner verwirrten Logik bedeckte ich meinen Kopf mit Alufolie – vielleicht würde die Hitze das Ergebnis besser machen? Es war alles andere als professionell, aber was sollte ich sonst tun? Die Welt da draußen war zu gefährlich, als dass ich sie betreten könnte.

Wieder zurück in der Küche, griff ich gierig nach der Weinflasche und setzte sie an meine Lippen. Tiefe Schlucke folgten, bis ich mit einem lauten Rülpser die Flasche abstellte und auf den Boden rutschte. Ein bitteres Lachen entrang sich meiner Kehle.

"Würde Jungkook mich so sehen, würde er mir sicher den Arsch versohlen~ Ich bin schon ein aaaaaarmes Schweinchen~" , lallte ich, doch das Lachen erstickte in meiner Kehle, als meine Gedanken erneut zu ihm abschweiften. Ob es ihm gut ging? Ob er mich genauso vermisste wie ich ihn? Die Sehnsucht nach ihm war schmerzhafter als jeder Kater, schärfer als jede Klinge. Und sie schnitt tief in mein Herz.

Police Affair | ᵏᵒᵒᵏᵗᵃᵉ ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt