Die Realität der Angst

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Die Menschen in diesem Gebäude lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Die, die von ihren Familien hierzu motiviert wurden, und jene, die aus Mut hier sind. Ich jedoch gehöre zu keinen von beiden. Ich bin nicht aus Mut hier, sondern aus Angst.

Das denke ich, während ich auf den Aufzug warte, der nun endlich im Erdgeschoss angelangt ist. Wie so oft stehen alle darin dicht an dicht, sodass ich es kaum schaffe, den Knopf für die fünfte Etage zu drücken, als ich mich auch noch rein quetsche. Es sollte hier mehr Aufzüge geben. Fünf sind niemals genug für ein Gebäude, in dem täglich hunderte von Angestellten darauf angewiesen sind, so schnell wie möglich in unterschiedliche Etagen zu gelangen. Es ist zwar nicht mein Job, das zu hinterfragen, aber es ist trotzdem etwas, was mich an dieser Firma aufregt. Auch wenn man das hier wohl kaum eine Firma nennen kann.

Die Fahrstuhltüren öffnen sich in diesem Moment und ich steige schnellstens aus. Ich seufze, als mir auffällt, dass der direkte Weg zu Heaths Büro dank des Wasserschadens immer noch gesperrt ist. Also nehme ich den linken Gang und biege nach einigen Metern nach rechts ab. Vor Heaths Büro bleibe ich stehen und klopfe sachte gegen die Tür.

»Herein«, kommt es von innen und ich drücke die Klinke nach unten. Als ich eintrete sehe ich Heath, der an seinem Schreibtisch sitzt und sich gerade mit den Fingern durch die blonden Haare fährt.

»Meintest du nicht ich soll heute mit dem Neuen arbeiten?«, frage ich ihn und sehe mich nach eben genanntem um.

»Er ist noch nicht hier, Ness, aber hier sind schonmal seine Daten«, erklärt Heath und reicht mir ein Klemmbrett.

Auf dem obersten Blatt stehen alle relevanten Informationen zu dem neuen Angestellten, mit dem ich heute auf Patrouille gehen werde. Sein Name ist Kage Flister, er hat seinen Abschluss mit achtzehn gemacht und war seitdem Angestellter in einem Café. Nach einem unfreiwilligen Zusammentreffen mit einem Monster, hat er sich nun fünf Jahre später dazu entschlossen sich für M. H. C. zu bewerben und wurde aufgrund seiner unerwartet guten Kenntnis sofort angenommen.

»Hört sich gut an«, murmele ich mehr an mich selbst gewandt, aber natürlich hat Heath zugehört. Wir kennen uns seit fast fünfzehn Jahren, was ihn zu einem grundlegenden Bestandteil meines Lebens macht, auch wenn er nun seit guten fünf Jahren mein Chef ist.

»Was denkst du denn warum ich ihn dir zugeteilt habe?« Er lächelt. Seine hellbraunen Augen leuchten dabei durch das Sonnenlicht, das durch die aus Glas bestehende Fassade fällt.

Auf einmal vernehme ich ein Klopfen. Erst ganz zögerlich, dann hämmernd. Bevor ich mich umdrehen kann, ruft Heath denjenigen auch schon rein.

Ein Mann mit kurzen schwarzen Haaren und einem weißen T-Shirt, auf dem ›Living is believing to survive‹ steht, betritt das Büro. Er sieht fit aus, hat breite Schultern und generell eine muskulöse Statur. Es wirkt eher, als hätte er beim Militär gearbeitet, als in einem Café.

»Hi«, sagt er und sieht Heath und mich etwas fragend an.

»Kage Flister«, sagt Heath. »Ihre Partnerin für die heutige Patrouille wird Vanessa Burnheart sein.« Er deutet auf mich. »Sie hat jahrelange Erfahrung und wird Ihnen weitestgehend helfen sich einzufinden.«

»Cool, freut mich dich kennen zu lernen.« Kage Flister streckt mir die Hand entgegen, doch bevor ich sie ergreifen kann, wird er von Heath zurechtgewiesen.

»Für Sie Miss Burnheart«, rügt er ihn, als wäre er ein Kind, das unhöflich zu einem Erwachsenen gewesen wäre. Vielleicht ist es für ihn auch so, doch ich finde solche Reaktionen übertrieben. Er ist auch nur ein Mensch, genauso wie wir.

»Oh, ähm, sorry. Freut mich, Miss Burnheart.« Er lacht etwas unsicher, aber diesmal schüttele ich seine Hand.

»Ebenso«, sage ich und möchte seine Hand wieder loslassen, als mir das Tattoo darauf ins Auge sticht.

Hunting the Dark Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt