Like Drowning | hyunlix

0 : Prolog

Das Wetter in Odivelas, eigentlich in ganz Portugal, war wunderschön an diesem späten Januartag. Die Sonne schien hell durch die wenigen Wolken und versuchte mit ihren kräftigen Strahlen den Stadtdjungel etwas aufzuheizen. Nicht dass das Wetter für die Judo-Fans, welche sich in der Pavilhão Multiusos de Odivelas für den Grand Prix Portugal versammelt hatten, gerade von irgendeinem Interesse war. Schließlich war derzeit alle Aufmerksamkeit auf die Finalisten der heutigen Gewichtsklasse der Männer gelenkt:

Auf den Publikumsfavoriten seit seinen Juniorjahren, Hwang Hyunjin, und dem Newcomer in der Weltklasse des Judos, Lee Felix.

Und Felix, Lee Felix, rauschte lautstark das Blut in den Ohren. So laut, dass es fast vollständig die Geräusche aus den gefüllten Reihen des Publikums ausblendete. Nur sein pochendes Herz, welches in jeder Zelle seines Körpers vibrierte, schallte laut in seinen Ohren wieder, als er sich vom Boden aufrappelte.

"Scheiße", fluchte er unter gedrungenem Atem und strich sich die Haare zurück, um seinen Gegner sofort wieder in Blick nehmen zu können.

Es war sein erstes internationales Finale und er war am Verlieren.

"Konzentrier' dich", murmelte Felix zu sich selbst, bevor er seinen Atem schwer, aber kontrolliert über seine Lippen drängte. Er fokussiert sich auf das Spannen seiner Muskeln, die Gewichtsverlagerung von Schritt zu Schritt. Das Rascheln der Stoffe seines Gewandes - Judogis - und wie es über seine Haut glitt, bei jeder einzelnen der gezielten Bewegung, die er tat. Und auf das Gefühl des kalten Bodens gegen seine nackten Füße und die Fixierungen seiner Bandagen.

Nur darauf lag sein Fokus.

Nur darauf und auf Hwang Hyunjin, welcher sich zum erneuten Angriff in Bewegung setzte.

Felix atmete tief ein - blitzschnell wich er aus und setzte zum Gegenmanöver an. Felix atmete tief aus - seine Hände griffen nach dem satten Blau der Jacke seines Gegners. Doch im selben Augenblick spürte er, wie sich die Hände des anderen auch in seine Jacke krallten.

Tiefe, dunkle Augen blitzten angriffslustig unter den rabenschwarzen Haaren hervor, gepaart mit einem viel zu siegessicheren Ausdruck. Felix' Atem stockte, die Welt stoppte, die Zeit schien wie für einen Moment stehen geblieben zu sein, doch seine Gedanken rasten.

Sie rasten zurück an den Abend vor ein paar Tagen. Zurück zu elegant gestylten dunklen Haaren und silbernen Schmuck, welche nur so unter den dimmen Lichtern der Eröffnungsparty glänzten. Zurück zu diesem schmalen, verführerischen Schmunzeln auf den vollen Lippen. Zurück zu denselben Augen, so dunkel und intensiv, dass er nicht wegschauen konnte - nicht wegschauen wollte.

Mit einem lauten Knall schlug er auf dem Boden auf. Es war etwas schmerzhaft, jedoch noch lange nicht so schmerzhaft wie die folgende Verarbeitung des Geschehenen: Ippon.

Er hatte verloren.

Er hatte tatsächlich verloren. Mit weit offenen Augen starrte er auf zurDecke, als alle äußeren Faktoren wieder über ihn hineinbrachen. Das Jubeln der Menge schwappte wie ein Schwall auf ihn hinab, aber der Jubel war nicht für ihn. Er brauchte eine Sekunde, um sich nicht selbst in seinen Gefühlen zu verlieren - reflexartig biss er sich auf seine Lippe.

"Hier", mit langen Strähnen, die ihm im verschwitzten Gesicht hingen, stand Hyunjin über ihn, eine Hand hilfsbereit zu ihm ausgestreckt. Dennoch sah er viel zu cool aus - viel zu relaxed - um gerade gewonnen zu haben. Frustriert schnalzte Felix mit der Zunge, ehe er bereitwillig in die ihm hingehaltene Hand einschlug, um sich auf die Füße helfen zu lassen. "Danke." "Kein Ding", erwiderte Hyunjin lächelnd, die Euphorie ihm nun über das ganze Gesicht geschrieben. Und in aller Fairness und Sportlichkeit verbeugt sie sich zunächst zueinander, dann zum Publikum.

"The Winner is Hwang Hyunjin!", rang keine Sekunde später die Gewinnerernennung laut durch die Lautsprecher. Doch bevor Hyunjin umstürmt wurde, klopfte er Felix wie nebenbei freundschaftlich auf die Schulter, als er an ihm vorbei schritt.

"Ich freue mich schon auf unseren nächsten Kampf. Dich im Tageslicht zu sehen, gefällt mir nochmal um einiges besser."