"Bist du da?"
"Natürlich, wie immer. Warum fragst du eigentlich jedes Mal?"
"Weil ich nichts sehen kann."
"Warum kannst du nichts sehen?"
"Weil ich blind bin, du Fellball."
"Oh."
"Du brauchst jetzt kein Mitleid zu haben."
"Verstanden. Bist du schon immer blind?"
"Ja."
"Aber, dann weißt du ja gar nicht, wie alles aussieht!"
"Das ist die Sache am Blindsein. Man sieht nichts."
"Schon klar."
"Ja."
"Woher wusstest du von Silberfuchs' Fellfarbe?"
"Helle Fellfarben nehme ich unbewusst wahr. Sie leuchten in der Sonne."
"Ich habe kein helles Fell."
"Nein."
"Warum hast du gesagt, dass ich auch schön wäre, wenn du mich gar nicht sehen kannst?"
"Weil du nett bist."
"Blattsprenkel ist auch nett und sieht nicht schön aus."
"Das ist egal. Wichtig ist, wie man innerlich ist, nicht, wie man aussieht."
"Soll ich dir mein Aussehen beschreiben?"
"Du kannst dich doch nicht selber sehen."
"Doch. Ich gehe einfach zu dieser Pfütze da und beschreibe dir mein Spiegelbild."
"Wenn du willst?"
"Ja. Also, ich habe rot-orangenes Fell-"
"Was ist rot-orange?"
"Rot-Orange ist wie der Himmel bei Sonnenaufgang. Nein, bei Sonnenuntergang. Rot-Orange ist angenehm warm, aber feurig. Wie die tanzenden Funken eines Feuers."
"Das war schön beschrieben."
"Kannst du es dir vorstellen?"
"Ja."
"Meine Augen sind grün. Grün ist frisch, wie Gras in der Blattgrüne. Grün ist wie die Halme unter deinen Pfoten, wenn die Sonne hindurch scheint."
"Sind deine Augen mattgrün oder klar?"
"Es ist klar wie Eis, aber wärmer."
"Grün ist eine schöne Farbe."
"Weißt du, wie dein Fell aussieht?"
"Nein."
"Dein Fell ist...Grau. Grau ist nicht schwarz und nicht weiß, es ist wie eine Dämmerung zwischen Tag und Nacht. Weiß ist kühl, dein Fell ist aber wärmer. Wie der Himmel vor einem Sturm, sturmgrau. Wie schwerer, feuchter Nebel."
"Grau klingt gar nicht so langweilig. Feder sagte, mein Fell sähe langweilig aus."
"Niemals! Grau ist geheimnisvoll. Angenehm. Wie eine Brise warmer Wind."
"Und meine Augen?"
"Deine Augen...Dein eines Auge ist blau. Das, von dessen Ohr du mich hörst."
"Was ist blau?"
"Blau ist wie der Himmel, wenn die Sonne scheint und keine Wolken ihn verdunkeln. Blau ist wie klares, stilles Wasser in einem See. Blau ist angenehm, aber frisch. Wohltuend frisch. Und klar wie Eis."
"Und das andere?"
"Ist gelb. Gelb ist wie die Sonne, warm, lichtvoll."
"Warm wie orange-rot?"
"Ja, aber heller. Hoffnungsspendend wie ein Sonnenstrahl in einer langen, kalten Blattleere."
"Danke."
"Bitte."
"Bis morgen."
"Ja. Bis morgen."
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Warum? (Band 1)
FanfictionZwei Katzenstimmen, die einander nicht kennen. Zwei Katzenstimmen, die einander lieben und respektieren. Zwei Katzenstimmen, die sich die Welt versuchen zu erklären. Zwei junge Katzen treffen sich an der Grenze. Sagt die eine: "Warum bist du hie...