ASH

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Ich öffnete Google und tippte neutrale Namen in die Suchleiste

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Ich öffnete Google und tippte neutrale Namen in die Suchleiste. Ich tippte auf das erste Ergebnis und scrollte mich durch die vorgeschlagenen genderneutralen Namen. Ich musste nicht weit scrollen, als Ash vorgeschlagen wurde. 

„Ash", flüsterte ich leise vor mich hin. Es klang gut, es war simpel, kaum anders als mein Geburtsname. Dass ich nicht selbst darauf gekommen war! Der Name war perfekt. Er passte zu mir wie angegossen. 

Oder?

Ich öffnete meinen Chat mit Luka. Sollte ich demm nach deren Meinung fragen? Ich war zwar noch nicht wirklich mit demm befreundet, aber vielleicht konnte dey das genau deswegen besser beurteilen. Weil dey nur den ersten Eindruck von mir hatte. 

Mit demm bin ich nicht früher in den Wald gelaufen, um ein Tipi zu bauen, was nach wenigen Minuten eh wieder zusammengefallen ist, doch in der Zeit hat es sich wie eine eigene Luxuswohnung angefühlt. 

Mit demm habe ich nie in der Ecke zwischen meinem Bett und dem Schrank eine geheime Höle gebaut und mich wie ein Detektiv gefühlt. 

Mit demm war ich nie heimlich bis abends draußen und habe in die Sterne geguckt, obwohl ich schon längst drinnen sein sollte. 

Mit demm lag ich nie im Sommer auf der kleinen abgelegenen Wiese im Park, wo immer so schön die Blumen blüten, dass alle Schmetterlinge in unserer ganzen Stadt sich dort versammeln. 

Das alles hatte ich getan, zusammen mit Zarah. 

Ich schnaufte. Ich konnte es nicht leugnen, dass sie mir schon jetzt fehlte. Dabei hatten wir uns erst vor wenigen Minuten gestritten. Wie sollte das denn erst werden, wenn wir einen großen Streit hatten? Ich wollte mich nicht mit Zarah zoffen, aber ich konnte auch nicht ohne jegliche Entschuldigung mitsamt Versprechen, dass sie mich nie wieder mit Luka nervte, einfach darüber hinwegsehen. 

Ich wollte, dass meine beste Freundin einsah, dass es nicht so toll war, was sie getan hatte. Ich wollte, dass sie endlich merkte, dass ich es nicht toll fand und es sein ließ. Ich wollte, dass sie es verstand und sich entschuldigte, nicht ich. Leider war ich nur viel zu anhänglich, um so lange zu warten. 

Ich tippe auf meinen Bildschirm, der sich schnon verdunkelt hatte, sodass der Chat von Luka und mir wieder aufblitzte. Ich klickte entschlossen auf das Nachrichtenfeld und begann, eine Nachricht zu tippen.

Hey Luka, ich weiß nicht, wieso ich dir das gerade schreibe, aber ich wollte dir etwas erzählen. Mir fällt keine andere Person ein, der ich davon erzählen könnte, deswegen dachte ich, ich schreibe dir einfach mal. Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. Ich habe gerade nach Namen gesucht, weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass „Ashley" nicht wirklich zu mir passt. Dabei bin ich auf „Ash" gestoßen, also einfach nur eine genderneutrale Kurzform meines Geburtsnamens. Ich finde den Namen wirklich total schön und es wäre auch nicht viel anders als „Ashley". Aber gerade frage ich mich, ob Ash überhaupt zu mir passt und ob ich das mit dem Namen durchziehen soll. Meinst du, der Name passt zu mir? Und hast du eigentlich deinen Namen geändert? (Ich will gerade ein Abschluss schreiben, aber „dein" passt nicht und „deine" auch nicht und Name weiß ich auch nicht, hast du eine Idee, was ich stattdessen schreiben kann?)

Ich überflog die Nachricht noch einmal und bevor ich mich dagegen entschied und die Nachricht doch noch löschte, klickte ich auf den Knopf, der die Nachricht an Luka versendete. 

Zwei Minuten starrte ich nur auf meine Nachricht, las sie nochmal und nochmal, bis ich dann mein Handy ausmachen und mich wieder anders beschäftigen wollte. Aber genau dann sah ich, dass Luka meine Nachricht gelesen hatte und jetzt tippte. Nervös starrte ich auf die drei Punkte über dem Nachrichtenfeld, die so aufgeregt wie ich hin- und herwippten, als endlich eine Antwort reinkam.

Hey Ash, du kannst mir immer gerne schreiben, ich freue mich, wenn ich eine Nachricht von dir bekomme <3 also ich finde den Namen wirklich toll und er passt meiner Meinung nach unglaublich gut zu dir. Ich verstehe deine Sorgen, aber du musst selbst für dich überlegen, wie wichtig sowas für dich ist. Es wäre auf jeden Fall ein kleiner, aber bedeutender Schritt, um dich bei mehr Leuten zu outen (wenn du das überhaupt willst). Ich habe meinen Namen nicht geändert, weil ich das unglaubliche Glück hatte, mit „Luka" als genderneutralem Namen geboren worden zu sein. Ich bin echt total froh darüber, weil ich mit meinem Namen an sich auch ziemlich zufrieden bin. Dein*e Luka (Das kannst du statt „dein" oder „deine" schreiben. Die Sternchenmethode mag ich zumindest am besten und lässt sich ziemlich häufig anwenden, du kannst mich zum Beispiel so auch als eine*n Freund*, da stecken dann beide Formen und alle dazwischen drin. :))

Ich musste lächeln. Ich freute mich total, dass Luka sich so viel Mühe für eine Antwort gegeben hatte und mir so ausführlich beschrieb, wie es demm ging. Am meisten freute ich mich darüber, dass dey mir bestätigte, dass Ash gut zu mir passte. Ich hatte gerade wirklich das Gefühl, mich anderen öffnen zu wollen. 

Ich wollte Leuten sagen, dass ich nichtbinär war. 

Ich wollte Leuten sagen, dass ich Ash genannt werden wollte. 

Ich wollte Leuten mehr über mich erzählen und offener vor sie treten. 

So wie Luka es immer tat. Gott, bei demm sah es so einfach aus. 

Aber ich war eh schon schüchtern, wie sollte ich das dann also schaffen? Es war quasi unmöglich für mich. Obwohl ich schon das Gefühl hatte, dass es in letzter Zeit besser geworden war. Ich fühlte mich wohler damit, auch mal lauter zu werden und vertrat sogar immer häufiger meine Meinung. Ich war ein bisschen stolz auf mich. 

„Ash", flüsterte ich vor mich hin. Ja, das war es. Das war der Name, den ich liebte. Der Name, der perfekt zu mir passte. Der Name, den am liebsten die ganze Welt für mich benutzen sollte. Und ich würde auch der ganzen Welt davon erzählen. Am besten sofort. 

Oder vielleicht nur ein paar Personen. 

Oder auch nur Zarah. 

Und vielleicht auch noch nicht direkt. 

Vielleicht erst morgen. 

Oder in... ein paar Tagen? 

Irgendwann und irgenwem würde ich es schon noch sagen. 

 

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