TRACK 1

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WEIL WIR ALLE EIN ABENTEUER BRAUCHEN

MIA



Mein Herz klopfte fest gegen meine Brust, während ich den Blick ein letztes Mal auf die große Anzeigetafel über mir richtete, um sicher zu sein, dass sich innerhalb der letzten fünf Minuten nichts an meinen Flugdaten geändert hatte. Dann schulterte ich meinen Rucksack und atmete tief durch. Ein Abenteuer, genau das war es, was ich brauchte, wenn es nach meiner besten Freundin Ebony ging. Etwas Zeit fernab von London, dem Schreiben und vor allem von Wes. Nie zuvor hatte ich England verlassen, und jetzt stand ich hier in London Heathrow, allein am Flughafen. Bis vor wenigen Minuten war ich überzeugt gewesen, dass diese Reise eine gute Idee war. Ein paar Monate in Kanada, ein kleines Chalet außerhalb von Québec, nichts als die Natur um mich herum.

Bei einer Flasche Rotwein hatte dieser Gedanke durchaus verlockend geklungen, inzwischen jagte er mir Angst ein. Allein, in einem fremden Land, mit fremden Menschen, ohne Ebony oder eine andere Bezugsperson. Für einen Rückzieher war es ohnehin zu spät, also stöpselte ich mir meine EarPods in die Ohren und setzte mich in Richtung Gepäckabgabe in Bewegung. Musik war ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. In schwierigen Momenten, wie jetzt, sprach sie mir Mut zu und fröhliche unterstrich sie, wie wundervolle Film-Soundtracks es taten. Ich mochte die Stille nicht, während Wes sie liebte.

Wes ... Wieder einmal drehten sich meine Gedanken um ihn, dabei sollten sie das längst nicht mehr tun. Er war weitergezogen, hatte sich ein neues Leben aufgebaut, und ich trat immer noch auf der Stelle. Gerade deswegen war diese Reise so bitter nötig. Ich hatte genug Zeit verschwendet, damit war nun Schluss. In den nächsten knapp sieben Stunden würde es nur die Musik und mich geben, in der Hoffnung, in Kanada meine Muse wiederzufinden.
Mit welchem Recht nannte ich mich noch Autorin, wenn ich seit Ewigkeiten kein Wort mehr zu Papier gebracht hatte, geschweige denn einen Satz? Seit Wes seine Sachen gepackt hatte, war mein Kopf leer, als hätte er jede meiner Ideen in seinen elendigen Koffer gesteckt und mitgenommen.

Einen Ozean zwischen uns zu bringen, sollte helfen, endlich über die Beziehung hinwegzukommen. Nicht mehr an den Worten meiner Eltern festzuhalten, dass man in der Liebe nicht einfach aufgab und alles hinwarf, wenn es mal schwierig wurde. Dabei war es nicht bloß schwierig gewesen. Wir hatten schlichtweg keinerlei Gemeinsamkeiten mehr gehabt, wenn dem je so war.

Erneut wischte ich den Gedanken an ihn zur Seite und konzentrierte mich auf den Song. Sechs Monate Work and Travel in Ostkanada. Ein halbes Jahr, in dem ich alles hinter mir lassen würde. Dummerweise bedeutete es auch, Ebony nicht zu sehen. Doch was war schon ein halbes Jahr für die Chance, als neuer Mensch zurückzukommen und eine grandiose neue Buchidee im Gepäck zu haben? Oder gar ein fertiges Manuskript.

Ich gab meinen großen Trekkingrucksack auf. Er verschwand in den Tiefen des Flughafens und ich wusste, dass ich ihn erst in Québec wiedersehen würde. Ich war stark, mutig und würde diese Reise wagen, komme, was wolle.

Das nächste Lied in meinen Ohren war an einen klassischen Achtzigerjahre-Popsong angelehnt, der mich beschwingter laufen ließ. Und so trug mich dieser Song näher an das Gate und damit einem Abenteuer entgegen, von dem nicht mal meine überschwängliche Fantasie zu träumen gewagt hätte.

Stolen Beats - Lucky Dilemma - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt