2. Kapitel

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Ich liebe diesen Ort. Eine kleine Lichtung am Ufer des Flusses. Das weiche Moos unter meinen Füßen, die Bäume und Büsche, die in einem kräftigem grün um mich herum leuchten, die Sonne, die sanft durch das Blätterdach scheint und das Wasser zum Glitzern bringt. Es ist wunderschön hier. So ruhig und friedlich. Diese Lichtung ist zu meinem Rückzugsort geworden. Ich komme zum Nachdenken her, zum Lesen, zum Lernen und zum Schwimmen. Hier kann ich mich vollkommen entspannen.

Auch jetzt lasse ich mich nieder, lehne mich an einen Baumstamm und fange an zu lesen. Ich lese wirklich gerne. Auch wenn ich nicht viel bekommen kann, lese ich alles, was ich in die Hände bekomme. Besonderes, seit ich mein Elternhaus verlassen habe. Die Geschichten lassen mich vergessen und entführen mich in eine andere Welt.

Ich höre ein Geräusch und schrecke hoch. Kijan steht vor mir und schaut zu mir herunter. Wieso sitze ich eigentlich immer auf dem Boden, wenn er kommt? Ich stehe schnell auf. Wieso ist er zurückgekommen? Er hat doch alles, was er wollte.

Er blickt mich kühl an. „Zieh dich aus!"

Ich glaube mich verhört zu haben. Das kann er doch nicht gesagt haben. Ungläubig starre ich ihn an. „Wie bitte?"

„Zieh dich aus", wiederholt er noch einmal.

Unglaublich. Er hat es tatsächlich gesagt. Mein Gesicht wird rot. Vor Wut und vor Scham. Was denkt der sich denn? Es ist ja nicht so, als würden wir uns kennen oder als hätten wir irgendeine Art von Beziehung zueinander. Ich weiß ja nicht, mit welchen Frauen er sonst so Kontakt hat, ich glaub, ich will es lieber auch nicht wissen, aber er kann doch nicht wirklich denken, dass ich mich jetzt ausziehe. Verärgert stemme meine Hände in die Hüften. „Für wen hältst du dich eigentlich? Klappt diese Nummer bei anderen Mädchen? Bei mir jedenfalls nicht. Ich zieh mich doch nicht vor einem Fremden aus!", fahre ich ihn an.

Ich kenne ihn ja wirklich nicht, fällt mir ein. Er könnte gefährlich sein. Mit solchen Forderungen kann man nicht normal sein. Ich sollte schleunigst hier verschwinden. Ich drehe mich um und laufe eilig weg. Doch ich komme nicht weit. Nach wenigen Meter greift eine Hand nach meinem Arm und hält mich zurück. Zum Glück bedeckt mein Handschuh an der Stelle meine Haut.

„Warte", fordert Kijan. Doch ich denke nicht daran. Langsam bekomme ich echt ein bisschen Angst.

„Lass mich los", fauche ich und versuche mich zu befreien.

„Wenn du nicht wegläufst", antwortet er ernst. „Ich will dir nichts tun."

Irgendetwas in seiner Stimme schwingt mit, dass mich ihm glauben lässt. Ich nicke und höre auf mich zu wehren. Er sieht mir noch einmal kurz in die Augen, lässt mich dann langsam los und tritt einen Schritt zurück.

„Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was meine Worte noch für eine Bedeutung haben könnten", sagt er und seine Mundwinkel zucken dabei verdächtigt. „Ich wollte aus einem anderen Grund, dass du dich ausziehst. Die Magie, die du aus dem Medaillon gelassen hast, ist sehr bedeutsam. Sie ist vielleicht auf dich übergegangen und ich wollte deinen Körper danach absuchen."

„Trotzdem kannst du nicht einfach verlangen, dass ich mich vor dir ausziehe."

„Nicht?" Amüsiert zieht er die Augenbrauen hoch.

„Nein", antworte ich.

„Es gibt Frauen, die meiner Bitte nur zu gerne nachkommen würden", behauptet er frech und grinst dabei. „Schade, dass du keine davon bist."

Ich verdrehe die Augen und schüttelt leicht den Kopf. Wie kann man nur so arrogant sein? Dennoch erscheint mir ein Anliegen der Magie bezüglich berechtigt. Ich seufze. „Wenn es so wichtig ist, kann ich ja mal gucken, ob ich etwas finde. Aber sicher nicht hier. Nachher spannst du noch."

Tochter der Kalaya - Verloren zwischen Magie und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt