5. Kapitel

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Seit über zwei Stunden laufen wir größtenteils schweigend hintereinander her. Kijan natürlich vorne weg. Es ist inzwischen fast Abend. Ich bin froh, dass ich nicht reden muss und meinen Gedanken nach hängen kann. Allerdings bin ich darin so vertieft, dass ich des Öfteren strauchele und beinah stolpere. Dieses Mal wäre ich mit dem Fuß fast über eine große Wurzel gefallen, doch Kijan stützt mich rechtzeitig am Arm.

„Also das kann man ja nicht mit ansehen", stöhnt er genervt. „Du träumst hier vor dich hin und stolperst durch die Gegend. So kommen wir nicht voran." Er schüttelt den Kopf und sieht sich um. Wir sind am Fluss entlang gelaufen und Kijan zeigt jetzt auf eine Stelle 20 Meter entfernt von Ufer.

„Dort können wir heute Nacht unsere Lager aufschlagen." Ich schaue mir die Stelle genau an und erkennen eine kleine Lichtung mit einigen Felsen. Es ist nicht so, dass ich irgendwie verwöhnt bin, aber irgendwie behagt es mir nicht, hier draußen zu schlafen. Ich habe noch nie draußen geschlafen, außer vielleicht aus Versehen so wie letzte Nacht. Aber da war ich nicht weit von Zuhause entfernt. Und schon gar nicht mit einem Fremdem allein. Allerdings weiß ich auch, dass wenn ich auch nur etwas davon sagen würde, Kijan mich auslachen würde. Also lasse ich es und folge ihm zu der Lichtung. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich keine Schlafsachen dabei habe. Was mache ich denn jetzt? Ich kann mich ja schlecht einfach so auf den Boden legen. Auch wenn schon fast Sommer ist, ist es in den Nächten immer noch kühl. Ich seufze. Da kann mal wohl nichts machen.

„Ich nehme an, du hast noch nie ein Lager aufgebaut. Nicht, dass wir jetzt großartig etwas machen müssen, aber ich bezweifele trotzdem, dass du irgendwas zustande bringen würdest. Also warte einfach hier, in Ordnung?" Ohne auf eine Antwort zu warten, dreht er sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Er führt sich wieder auf wie ein Arschloch. Wie kann man nur so überheblich sein? Wütend starre ich ihm nach. Dann setze ich mich auf einen kleineren Felsen, stelle meine Tasche neben mir ab und überlege, ob ich tatsächlich tun soll, was er sagt und hier einfach warten soll. Irgendwie will ich ihn ärgern. Mein Blick fällt auf den Fluss und ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht. Ich war schon lange nicht mehr schwimmen. Ich könnte nur kurz gehen. Schwimmen verschafft mir immer einen klaren Kopf. Genau das, was ich jetzt brauche. Es ist nur ein kleiner Nebeneffekt, dass ich mich Kijans Anweisung widersetze und er sich wahrscheinlich darüber ärgert.

Voller Vorfreund laufe ich zum Fluss und streife meine Klamotten, bis auf die Unterwäsche, ab. Ich strecke meine Zehen ins Wasser und schaudre kurz. Kalt. Ich gehe trotzdem weiter, denn ich weiß, dass es nicht mehr kalt ist, wenn ich erst mal untergetaucht bin. Schnell gehe ich weiter und tauche unter. Ich spüre wie sich Schwimmhäute und Kiemen bilden, sobald das Wasser über meinem Kopf zusammen schlägt. Jeder Kalayer entwickelt Schwimmhäute zwischen den Fingern und Zehen und Kiemen am Hals, wenn er ins Wasser geht. So kann man Stundenlang unter Wasser bleiben. Ich liebe das. Pfeilschnell schieße ich durch die Fluten und tauche hinunter zum Grund. Mein Körper wird sanft vom Wasser umspült. Als ich mich umdrehe, sehe ich das Abendlicht der Sonne durch das Wasser glitzern. Es ist wunderschön hier unten. Allzu tief ist der Fluss nicht, vielleicht fünf Meter. Auf dem Grund liegen einige Steine, die von Algen und Muscheln bewachsen sind. Dazwischen wächst Seegras. Ich bin froh, dass es nicht so tief ist, denn in tieferen Gewässern leben Wassergeister. Natürlich bin ich noch nie einem begegnet und würde es auch gerne weiterhin vermeiden, denn ich habe Geschichten über die seelenlosen Wesen gehört. Aber darüber brauche ich mir hier keine Sorgen zu machen.

Wenn ich schwimme, fühle ich mich so frei und lebendig. Nichts kann mich glücklicher machen. Ich beobachte einige Fische und versuche sie zu fangen. Natürlich sind sie trotz meiner Schwimmhäute noch schneller als ich und es gelingt mir nicht einen zu erwischen, aber es macht trotzdem Spaß.

Plötzlich spüre ich, wie ich vom Wasser nach oben gezogen werde. Ich versuche dagegen anzuschwimmen, denn das Gefühl ist mir unheimlich, aber es gelingt mir nicht und schon durchbreche ich die Oberfläche. Allerdings bin ich noch immer in einer Wasserblase einen Meter oberhalb gefangen. Ich sehe mich um und erkenne den Grund dafür. Am Ufer steht ein sehr finster dreinblickender Kijan und wirkt einen Zauberspruch.

Tochter der Kalaya - Verloren zwischen Magie und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt