Kapitel 1

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Ich merke, wie die anderen Gefangenen aufmerksam werden. Einige drängen sich dichter an die Gitterstäbe von den Türen und versuchen nach draußen in den Gang zu schauen. Das berichtet mir zumindest Rick, der mit mir eine Zelle teilt. Er ist seit zwei Monaten mit in meiner Zelle und hat insgesamt acht Monate bekommen, also nur noch sechs vor sich. Ich habe noch anderthalb Jahre. Ein halbes habe ich schon abgesessen. Rick ist eigentlich ganz korrekt. Er ist 6 Jahre älter als ich, aber wir verstehen uns meistens ganz gut. Anfangs musste ich seinen Respekt zwar erst verdienen, aber das ging ziemlich schnell. Jeder hier respektiert mich und wer es nicht tut wird es schnell lernen. Das hier ist auch nicht mein erster Gefängnisaufenthalt, ich war schon mindestens viermal im Knast und habe somit mehr Erfahrung, was das angeht, als die meisten hier, eingeschlossen, Rick. Er steht auch an dem kleinen vergitterten Fenster in der Tür und schaut in den Gang.
„Was ist da draußen los?“, frage ich ruhig. 
„Wie es aussieht, bekommen wir hier einen Neuen. Da hinten kommt er!“ Rick stutzt. „Er sieht aber jung aus. Ich frage mich, was der angestellt hat. Wie ein Schwerverbrecher sieht er nicht aus, was sucht er dann in unserem Abteil?“
Ich dränge mich an Rick vorbei. „Mach mal Platz!“, befehle ich ihm und schaue an ihm vorbei in den kalten Gang. Vor der Zelle schräg gegenüber von unserer stehen zwei Bullen und halten einen zierlichen jungen Mann fest. Er steht mit dem Rücken zu mir und ich erkenne nur seine dunklen Haare, die Frisur kann ich nicht wirklich zuordnen. Es sieht irgendwie aus wie ein Mullet, der lange nicht mehr geschnitten wurde. Naja, in ein paar Tagen werden sie ihm sicher kurz geschnitten, so wie bei allen anderen. Ein Bulle sperrt die Zelle auf. Der Neue bekommt eine Einzelzelle. Alle anderen Zellen müssen schon belegt sein.
Ich will mich gerade umdrehen und mich zurück auf mein Bett legen, als der Neue sich in meine Richtung umdreht. Er schaut sich suchend um. Plötzlich treffen sich unsere Blicke. Mein Blick ist kalt und zeigt keinerlei Emotionen. Seine grünen Augen wirken sehr unsicher, jedoch bricht er den Blickkontakt erst, als er grob in die Zelle gestoßen wird. Der kleine ist nicht dumm, das sehe ich ihm an. Vielleicht ist er ja ganz nützlich.

Als ich endlich Ausgang habe, nutze ich es sofort, um mich nach dem neuen umzusehen. Ich muss nicht lange nach ihm suchen. Die ganzen älteren Typen belagern ihn schon. Das ist das Problem in einem Gefängnis voll mit Männern. Frauen gibt es hier ja nicht, deshalb fallen viele von den älteren über die jüngeren Typen her, die sich nicht wehren können. Ich hab da auch schon Erfahrung machen müssen, aber das ist lange her. Ich schätze, ich rette den Neuen vor seinem Schicksal, indem ich den Großen eine Tracht Prügel verpasse und dann in Ruhe mit ihm sprechen kann. Gesagt, getan.
Es dauert nicht lange, bis die anderen sich verziehen, denn ich habe auch ihren Respekt. Ich musste nur einem die Fresse polieren, da haben sie alle ihre Schwänze eingezogen. Scheiß Bastarde. Der Neue schaut mich mit großen Augen an. Ich hoffe, er hält mich jetzt nicht irgendwie für seinen Retter oder so einen Scheiß.
„Komm mit mir.“ fordere ich ihn knapp auf und setze mich langsam in Bewegung.
„Was, wenn nicht?“ kommt patzig von dem Neuen, der mit verschränkten Armen dasteht, zurück.
„Halt die Fresse und mach es einfach, sonst muss ich dich dazu bringen.“ Langsam werde ich wütend. Ich musste schon den ganzen Tag über meine Geduld auf die Probe stellen. Wenn er weiterhin so frech ist, dann kann er was erleben!
Er verdreht die Augen. „Wie heißt du überhaupt?“, fragt er patzig.
„Levin“, antworte ich trocken und schleife ihn hinter mir her.
„Ich bin Anthony, aber du kannst mich Tony nennen, oder irgendwie anders. Mir gefällt der Name nicht wirklich“, labert er mich voll und macht sich extra schwer, dass ich mich mehr anstrengen muss. Als wir dann einmal um die Ecke sind, lasse ich ihn los.
„Jetzt hör mir gut zu“, beginne ich und schaue ihm tief in die Augen.
„Ja?“, erwiedert er und grinst frech.
So eine Nervensäge, der Typ! Ich atme tief ein, um nicht die Geduld zu verlieren. „Du bist nicht dumm. An sich scheinst du mir ganz intelligent zu sein, das merke ich an deiner Art zu sprechen und dich zu bewegen. Du weißt, wie man Leute manipuliert und sie ausnutzt. Weil du so ein schlaues Köpfchen bist, brauche ich deine Hilfe. Du machst einen Plan, wie wir hier ausbrechen und dafür beschütze ich dich und helfe dir, dich draußen zu verstecken. Deal?“ auf eine Reaktion wartend halte ich ihm die Hand hin und hoffe insgeheim, dass er einschlägt.
Er scheint gerade in seinem Kopf abzuwägen, ob es schlau ist, einzuwilligen oder nicht. Es hat eigentlich nur Vorteile, trotzdem zögert er.
„Ich brauche dich eigentlich nicht. Wenn ich ausbrechen will, dann mache ich das alleine. Nach mir wird sicher nicht so groß gefahndet wie nach dir“
Er hat Recht, dieser Wichser. Wie bringe ich ihn jetzt am besten dazu, doch einzuwilligen?    
„Das mag sein. Du hast bis zum nächsten Ausgang Zeit, darüber nachzudenken. Wenn du nicht einwilligst, suche ich mir eben jemand anderes.“ Kühl drehe ich um und gehe wieder nach drinnen. Auf dem Weg in meine Zelle lasse ich noch eine Kippe mitgehen. Ohne überlebt man es in diesen Dreckslöchern nicht.

Da es regnet, haben wir den nächsten Ausgang erst drei Tage später, es regnet auch leicht an diesem kühlen Mittwoch, aber das lässt sich aushalten, weshalb wir auch raus dürfen. Ich denke der Kleine zieht sein Zeug allein durch, ich wäre ihm zwar nützlich aber würde auch viele Probleme mitbringen, gerade sitze ich auf einer Bank und rauche eine während ich in eine Pfütze vor mir starre, da tippt mich jemand auf der Schulter an.
„Okay komm, folgt mir einfach unauffällig", flüstert der Kleine und lacht kurz, um es wie ein normales Gespräch aussehen zu lassen. Wie dumm. Ich stehe auf und gehe mit ihm mit. Normalerweise lasse ich mich nicht herumkommandieren, aber ich will nicht die Aufmerksamkeit der Wachleute auf uns lenken.
„Also, wie ist deine Entscheidung?“, frage ich ihn ungeduldig.
„Hör auf so genervt mit mir zu reden, schließlich bist du derjenige, der etwas von mir will.“ entgegnet er.
„JA ODER NEIN?“, brülle ich ihn an. Ich habe so schon nicht viel Geduld, aber der Kleine bringt mich zur Weißglut. Vielleicht ist das mit ihm ja doch keine so gute Idee!
„Chill mal, sonst überlege ich es mir vielleicht doch nochmal anders. Ich habe schon einen Plan, wie wir hier rauskommen.“
Ich horche auf. „Wie lautet der Plan?“
„Ich habe von den Wachmännern gehört, dass es die nächsten Tage immer noch regnen soll. Der Regen soll noch stärker sein als gestern. Wenn wir Ausgang haben, was wir ja alle fünf Tage unabhängig vom Wetter mindestens einmal haben müssen, nutzen wir das, um zu fliehen. Am besten springen wir auf so einen Lieferwagen, der das Gefängnis mit Lebensmitteln versorgt. Bei starkem Regen wird uns keiner sehen und den Lieferwagen wird keiner kontrollieren, schon gar nicht wenn es regnet. Sobald wir dann aus dem Gefängnisgelände raus sind, springen wir ab und du übernimmst das Kommando. Das Ganze machen wir am besten gleich am Anfang des Auslands, dann dauert es länger, bis sie nach uns suchen“, verkündet er stolz.
Wenn man so darüber nachdenkt, ist es nicht ganz dumm. Ich nicke. „Klingt doch ganz gut. Jetzt verzieh dich, ich will meine Kippe in Ruhe zu ende rauchen“
Er verdreht die Augen. „Ein Danke hätte auch gereicht“
Nachdem ich ihm noch einen warnenden Blick zugeworfen habe, hat er sich endlich verpisst. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Hoffentlich spielt das Wetter mit…

Danke fürs Lesen :D Ich hoffe es gefällt euch schreibt doch gerne etwas in die Kommis

Wen mögt ihr von beiden mehr und warum ?

Das Chaos trägt einen NamenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt