Die Sonne scheint, als wir das nächste Mal raus dürfen. Shit. Es sind schon Wolken da, aber Regen bringen sie sicher nicht.
Der Kleine läuft an mir vorbei, unauffällig schaut er mich aus dem Augenwinkel an, er will, dass ich ihm folge!
Wir klettern über den Zaun als der Motor des Lebensmittellieferanten, der gerade zu seiner nächsten Lieferung fahren will oder was auch immer, aufheult.
Schnell ziehe ich mich hoch, meine Hände hängen im Stacheldraht fest, doch das hält mich nicht davon ab, weiter zu klettern. Kaum, dass ich über den Stacheldraht hinweg bin, springe ich von dem Gitterzaun auf den Wagen, der bereits losgefahren ist. Der Kleine hat zu lange beim Stacheldraht gebraucht und sprintet hinterher, während der Wagen immer schneller wird.
Ich habe meine Bedenken, dass er es schaffen wird. Die Hauptsache ist, dass ich es nach draußen geschafft habe. Der Kleine ist nicht so wichtig.
Ich höre, wie er hinter mir aufholt. Respekt. Nicht lange, dann ist er neben mir. Der Lieferwagen wird langsamer, da er an eine Kreuzung kommt. Das ist unsere Gelegenheit und wir springen auf. Keuchend quetschen wir uns zwischen die Kartons. Tony, oder wie auch immer er heißt, fängt sofort an, mich vollzuquatschen. Ich muss ihm den Mund zuhalten, sonst hört er vermutlich nie auf. Er beißt mir plötzlich in die Hand und ich muss mich zusammenreißen, um nicht erschrocken aufzuschreien.
Ich funkle ihn wütend an. „Was ist dein Problem?“, zische ich.
Tony lacht leise. „Lass uns jetzt nicht schon wieder streiten. Wir sollten froh sein, dass wir es dank meinem genialen Plan raus geschafft haben.“
Ich verdrehe die Augen. Eingebildeter Spinner.
„Ja, vielleicht“ murmel ich zurück und schaue in die Landschaft, erst in der nächsten Stadt springen wir ab, länger können wir nicht mitfahren, weil ja gesehen wurde, dass wir auf diesen Lieferwagen aufgesprungen sind.
Tony humpelt hinter mir her wegen der Wunden des Stacheldrahtes.
Ich wollte sein Gehumpel eigentlich nicht beachten aber nach einer Weile höre ich seine Schritte nicht mehr hinter mir.
Erschöpft sitzt er an einer Hauswand. Er schwitzt und zittert, außerdem hat er sich die Beine am Stacheldraht total zerkratzt. Ich schätze, sowas hat er noch nie gemacht.
„Wir müssen weiter", sage ich trocken und schnappe mir ihn, um ihn zu tragen, seinerseits kommen keine Einwände und er macht es sich auf meinem Rücken bequem.
Ich laufe ein ganzes Stück, bis wir zu einem verlassenen Haus kommen. Die Fenster und Türen sind verriegelt und Bretter wurden davor genagelt, aber ich finde, als ich um das Haus herumlaufe, ein kleines Kellerfenster, bei dem die Scheibe eingebrochen ist. Dort passen wir beide locker durch. Im Keller angekommen, bahne ich uns einen Weg durch das ganze Gerümpel, das dort liegt. Alles ist ziemlich staubig, aber das ist in solchen Häusern nichts besonderes. Tony humpelt mir hinterher, während wir das Haus erkunden. Im ersten Stock finde ich ein Zimmer, in dem eine alte Matratze liegt. Hier werden wir über Nacht bleiben.
„Mach's dir gemütlich. Ich gehe jetzt schnell noch einmal in die Stadt und kaufe ein paar wichtige Sachen. Das muss jetzt erledigt werden, bevor die Öffentlichkeit von meinem Ausbruch erfährt.“
Ausnahmsweise widerspricht Tony mir nicht. „Pass auf dich auf!" ist alles, was er sagt. Daraufhin wende ich ihm den Rücken zu und gehe nach draußen.
Ich habe keine Uhr, aber ich würde behaupten, es ist ungefähr um sechs Abends. Ich überfalle eine Tankstelle, ein Kinderspiel wenn man die Kassiererin einfach verprügeln kann und nur Pfefferspray als Abwehr in die Augen bekommt. Meine Augen tränen aber ich habe essen, billige Kleidung und Wasser, sowie einen Rucksack und Zigaretten. Ich kämpfe mich wieder durch das enge Fenster und komme bei Tony an, der das Zimmer mit Licht einer Solar- Taschenlampe gestaltet hat, meine Augen sind geschwollen und Tränen immer noch und meine Hände brennen von den Entzündungen des Stacheldrahts.
„Was ist denn mit dir passiert?“ fragt der Kleine belustigt.
Keiner lacht über mich! Ich schubse ihn grob, er tritt mir in die Eier, woraufhin ich vor Schmerz zusammen sinke. Tony kniet sich über mich und presst mir das Knie auf die Brust, grob drücke ich ihm die Luft ab, bis er mich loslässt und ich ihn auf dem Boden fest nagel. Dem hab ich's gezeigt. Ich nehme mir ein Sandwich und denke nach, seine Oberschenkel sind ziemlich dünn. Wie weit meine Hand wohl darum gehen würde?„Hey Levin“ flüstert der Kleine vorsichtig als ich im Halbschlaf bin, noch halb in meinem Traum, in dem ich gerade die Atomwaffe anvertraut bekommen habe nachdem ich im Bundestag ein hohes Tier geworden bin antworte ich mit einem verschlafenem „hm?“
„Ich habe ehrlich gesagt Angst im Dunkeln, ich weiß das wir kein Licht anmachen können, weil Leute das sehen könnten, aber kann ich vielleicht mit zu dir kommen?“ fragt er schüchtern.
Diese Art passt besser zu ihm als dieses Großkotzige. Genervt schnaubend, rutsche ich und mache ihm Platz. Die Matratze ist groß genug, dass wir uns nicht direkt berühren, ich hoffe, das ist morgen nicht anders.Ich wache schon ziemlich zeitig auf, um genauer zu sein, weckt Tony mich durch seinen unruhigen Schlaf. Er tritt mich die ganze Zeit.
Seufzend setze ich mich auf und trinke einen Schluck Wasser. Ich frag mich, wann der Kleine aufwacht. Wecken will ich ihn ungern, aber wir müssen weiter.
Eine halbe Stunde später wecke ich ihn dann doch, weil wir nicht ewig warten können.
Jetzt sind die meisten Menschen auf der Arbeit, also ist jetzt die beste Zeit weiterzuziehen.
Ein Blick in einen verstaubten Spiegel zeigt mir Mal wieder meinen absolut emotionslosen Ausdruck.
„Meine Beine tun so weh, ich glaube, meine Wunden haben sich entzündet", nörgelt der Kleine mit weinerlicher Stimme.
Grob stoße ich ihn vor mir her, bis wir beim Kellerfenster sind. Während ich schon leichte Probleme habe, durch das Fenster zu passen, wegen meinen breiten Schultern schlüpft Tony ganz einfach hindurch. Ein paar Muskeln hat er zwar auch, aber das ist wirklich nicht viel.
„Steig auf meinen Rücken!" Befehle ich genervt und bücke mich etwas, dass Tony besser aufspringen kann, also echt was ich alles tun muss. Er springt mitsamt Rucksack auf und umschlingt meine Hüfte mit seinen Beinen, seine Hände liegen auf meinen Schultern. Schnell entwirre ich seine Beine, sodass sie mich nicht mehr umschlingen und stütze seine Beine, indem ich meine Hände unter seine Oberschenkel lege. Er legt seine Beine auf meinen Händen ab und ich umschließe diese. Meine Hände reichen wirklich über die Hälfte um seine Oberschenkel herum.
Mann, der ist wirklich super schlank.Mein Magen knurrt schon wieder. Ich verlange meinem Körper wohl relativ viel ab, denn vor 3 Stunden hatte ich ungefähr die letzte Mahlzeit. Meine Schritte sind schwerfällig und ich schwitze.
„Willst du anhalten?" Fragt Tony, der sich die ganze Zeit rumschleppen lässt.
Ich schüttel nur mit dem Kopf. Egal wie erschöpft ich bin, wenn wir jetzt anhalten, schaffen wir es nicht bis in den nächsten Wald, bevor der Berufsverkehr wieder beginnt.
„Iss wenigstens was" flötet er zufrieden während ich mich hier abarbeite und fummelt im Rucksack, der immer noch auf seinem Rücken sitzt, herum. Ein Sandwich taucht wenige Sekunden später genau vor meiner Nase auf. Will er mich jetzt füttern oder was?
„Wenn du nicht anhalten willst dann eben so"
Widerwillig beiße ich ab, es fühlt sich irgendwie seltsam an. Nicht das Essen, aber die Tatsache, dass er mich füttert. Ich lass mich irgendwie gern füttern. Die Aufmerksamkeit ist toll, aber es fühlt sich falsch an.Wir sind aus der Stadt raus, schon ein Stück und jetzt sehe ich den Wald und einen kleinen Asia Imbiss. Wir kriegen Hunger auf asiatisch und sind zum Glück die einzigen Gäste. Wir bestellen uns haufenweise Zeug, vor allem habe ich gefühlt die ganze Speisekarte bestellt.
Wir müssen erst nach dem Essen bezahlen, gut so, denn wir haben kein Geld. Wir schlagen uns richtig voll, als im Fernseher hinter uns eine Eilmeldung läuft. Über uns, oder eher gesagt, über mich.
Tony starrt mich entgeistert an, als er hört, warum ich im Knast war. Der Verkäufer, der gleichzeitig Koch des kleinen Asia Imbiss ist, zieht eine Pistole und brüllt irgendwas Unverständliches. Ich sehe sofort, dass er damit nicht umgehen kann und gehe auf ihn zu, weil ich weiß, dass er mich nicht wirklich erschießen wird und händige ihm einfach die Waffe aus der Hand.
Ich bin gut 2 Köpfe größer als der Mann mittleren Alters, also ist es eine Leichtigkeit für mich, ihn zu verprügeln.
Tony versucht verzweifelt, mich von dem Mann runter zu ziehen, aber der Kleine hat sowieso keine Chance. Meine Aufmerksamkeit hat er erst, als er anfängt zu schreien. „HÖR AUF!"
Ich verweile kurz, der Mann überlebt mit Sicherheit, aber er soll nicht überleben, er wird uns verpetzen.
„Bitte bring ihn nicht um Levin bitte, das kannst du doch nicht tun, der arme Mann lass uns abhauen Levin, bitte Levin" jammert Tony.
Ich verdrehe die Augen und lasse von dem Mann ab. Mir doch egal.
Tony schweigt, bis wir im Wald sind und ich ein kleines Feuer mache.
„Hast du wirklich mehrmals versuchten Totschlag begangen? Und hast du wirklich Menschen so brutal abgestochen?" Fragt er, ohne mich anzuschauen.
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Das Chaos trägt einen Namen
Teen FictionIm Gefängnis sind viele Menschen, wer hätte gedacht, dass ausgerechnet 2 Ungleiche einen Ausbruch wagen ? Und wer hätte gedacht, dass sie als Team fungieren müssen, wird ihnen ein Ausbruch gelingen ? -gewalt -Kurzgeschichte