Kapitel 12

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Das erste Licht des Morgens drang widerstrebend durch die schmalen Ritzen der Jalousien, ein zaghafter Versuch, die monochrome Strenge des Raumes aufzubrechen. Ich lag dort, die Augen halb geöffnet, und lauschte dem monotonen Summen der Klimaanlage – das einzige Lebenszeichen in dieser Betonwüste.

Mein erstes bewusstes Handeln des Tages war ein gedehntes Gähnen, gefolgt von einem murmelnden Kommentar, der sich in die Luft webte: „Guten Morgen, Natasha", spottete meine Stimme, „auch schon wach? Ich sollte wohl froh sein, dass es keine Bettwanzen gibt..."

Ich war mir ziemlich sicher, dass diese gesamte Wohnung überwacht wurde, auch wenn ich noch keine Beweise dafür hatte. Diese vier Wände kannten mich – buchstäblich, da war ich mir sicher. Jedes Möbelstück, jedes Gerät, bis hin zur Art und Weise, wie das Licht erbärmlich scheiterte, Wärme zu spenden, zeugte von einer sterilen Funktionalität. Es war fast wie ein Gefängnis... immerhin eines mit Freigang, bei dem Gedanken musste ich grinsen.

Beim Aufstehen schlüpfte ich in ein schwarzes Shirt. Ein weiteres Gähnen entwich mir, während ich die Jeans vom Boden aufhob und hineinschlüpfte. „Für Ihre Sicherheit", sagte ich in den leeren Raum hinein, während ich durch die Zimmer schlenderte.

Die Wände, die die Farbe eines Himmels kurz vor einem Sturm hatten, waren genauso düster wie Romanoffs Laune, doch im Gegensatz zu der Agentin, verharrte die Einrichtung in Stille. „Niemand zu Hause", rief ich aus, während ich mir eine Socke anzog.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand, die vermutlich so schwarz war wie die Akten, die meinen Namen trugen, ließ ich den Gedanken Revue passieren, was es bedeuten würde, wenn jede meiner Bewegungen beobachtet würde. „Richtet meine besten Wünsche an das Überwachungsteam", sagte ich, während ich einen Schluck nahm. „Möge ihr Tag so erfreulich sein wie mein Kaffee."

Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, stand ich auf und zog den Rest meiner Kleidung an, bereit, den Tag zu beginnen. Die Tasse landete zusammen mit dem übrigen Geschirr im Spülbecken. Mit meiner Tasche über der Schulter verließ ich die Wohnung, deren sterile Atmosphäre ich nicht vermissen würde. Es war noch früh, gerade mal 05:30 Uhr, und eine kühle Brise wehte draußen, die mich veranlasste, den Kragen meiner Jacke höher zu ziehen.

Die Straßen Manhattans begannen langsam zum Leben zu erwachen – eine sanfte Erinnerung daran, dass die Stadt niemals wirklich schläft, sondern nur kurz die Augen schließt, bevor ein neuer Tag beginnt. Auf dem Weg zu Stark Industries entschied ich mich für einen kleinen Umweg, denn ich hatte noch eine Erledigung zu machen. Ich fand einen kleinen Blumenladen, der gerade öffnete. Einer der Vorteile in New York ist, dass unabhängig davon, was du brauchst, immer ein Geschäft geöffnet hat, das genau das anbietet. Der Duft frischer Blumen umhüllte mich beim Betreten, ein willkommener Kontrast zur sterilen Luft meiner Wohnung.

„Guten Morgen, wie geht es Ihnen?", begrüßte mich die Verkäuferin mit einem warmen Lächeln. „Gut, danke", murmelte ich. Glaubt mir, diese Frage ist im Big Apple nie ernst gemeint. Ich stellte mir kurz vor, wie die Verkäuferin wohl reagieren würde, sollte ich in Tränen ausbrechen und ihr von all meinen Sorgen erzählen. Doch genug davon.

Ich wählte einen Strauß leuchtender Herbstblumen aus, deren Farben so intensiv waren, dass sie fast unreal wirkten. „Für Janet", brummte ich, während ich den Strauß der jungen Frau überreichte, die ihn kunstvoll band. Mit einem Dankeschön bezahlte ich den Strauß und setzte meinen Weg fort. Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken und tauchten die Hochhäuser in ein sanftes goldenes Licht. Als ich schließlich bei Stark Industries ankam, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken. „Für Ihre Sicherheit", murmelte ich erneut, während ich durch die Eingangstür trat.

Ich klopfte an Janets Bürotür, etwas nervös und gleichzeitig genervt - eine Gefühlsmischung, auf die ich gerne verzichtet hätte. Die Tür öffnete sich, und da stand sie: Unerschütterlich, wie unsere geliebte Lady Liberty, auch bekannt als die Freiheitsstatue – nur dass Janet um einiges lebendiger erschien.

IronroseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt