4. Kapitel

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Es war eine lange erste Nacht in ihrem neuen Zimmer. Die Luft, die durch das gekippte Fenster hereinblies, war kalt und immer wieder wickelte sie die Bettdecke noch ein bisschen enger um sich, nicht weil ihr selbst kalt war, sondern weil es ihr das Gefühl gab, weniger allein zu sein, mit dem leichten Druck der Decke um sich.

Cyana überkam ein klammes Gefühl. Lizzy war heute so nett zu ihr gewesen und ihr wirklich sympathisch, doch beruhte dieses Gefühl auf gegenseitig, oder war es nur Neugier, was Lizzy empfand? Jedes Mal, wenn sie in eine neue Klasse gekommen war, war sie zuerst von so vielen Schülern umgeben gewesen. Alle wollten wissen, woher sie kam, wieso sie die Schule gewechselt hatte, und ab und zu war sie auch gefragt worden, ob sie sich in der Pause zu ihnen setzen wollte.

Doch dieses Interesse hielt selten lange an. Nach einiger Zeit war sie von allen nur noch als seltsam abgestempelt worden, vielleicht weil sie weniger redete als die meisten in ihrem Alter, oder weil es von ihrer Seite keine augenblicklichen Bemühungen gab, sich mit ihnen anzufreunden. Denn, obwohl sie so gerne mehr mit manchen Kameraden unternommen hätte, fiel es ihr schwer von sich zu erzählen und Vertrauen zu fassen und so kam es, dass sich ihre Mitschüler mit der Zeit immer mehr von ihr distanzierten. Also hatte sie mit der Zeit gelernt, vorsichtig mit dem Interesse, das Leute ihr gegenüber empfanden, umzugehen, vor Angst, sie würden es verlieren, bevor sie den Mut aufnehmen konnte, selbst auf diese Menschen zuzugehen und ihnen Vertrauen zu schenken.

Und genauso unsicher war sich Cyana bei Lizzy, doch gleichzeitig wollte sie von ihr gemocht werden, weshalb sie sich vornahm, sich um eine mögliche Freundschaft zu bemühen, obwohl sie jegliches Wissen zu diesem Thema wohl verloren hatte.
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Cyana wachte von einem schrillen Schrei auf. Langgezogen und hoch, in schiefen Tönen und immer wieder die Stimmlage wechselnd, war aus diesen Tönen die reinste und tiefste Angst herauszuhören. Er war so laut, dass er durch die dicken Wände ihres Zimmers gedrungen war und sie hatte kaum die Augen aufgemacht, da war sie schon reflexartig aus dem Bett aufgesprungen und zur Tür.

Im Kinderheim hatte Cyana fast jede Nacht jemanden schreien oder weinen gehört. Ständig war jemand wegen Alpträumen aufgewacht, weswegen sie zuerst annahm, dass es sich hier um eine ähnliche Situation handelte. Sie qar unsicher, was sie tun sollte. Doch in ihr breitete sich eine immer größere Unruhe aus, weshalb sie sich kurzerhand dazu ebtschloss, nachzusehen. Abgesehen vom anhaltenden, jedoch leiser werdenden Schrei war nichts zu hören, was ihre tapsenden Schritte unheimlich laut wirken ließ. Ihre Atmung wurde immer flacher. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Und als urplötzlich der Schrei erstarb, hatte Cyana das Gefühl sich nicht mehr richtig auf den Beinen halten zu können. Wieso war niemand anderes gekommen, um nachzusehen?

Cyana war fast an an der Tür angekommen, von wo sie die Schreie gehört hatte, als sie auf einmal einen starken Luftzug spürte. Instinktiv ließ sie sich zu Boden fallen, wodurch sie einen kleinen Tisch neben sich mitriss. Die Vase, die obendrauf gestanden hatte, fiel mit einem lauten Knall zu Boden und ihre Scherben ergossen sich um Cyana herum. Gleich daraufhin erklang erneut ein lauter Knall und der Tisch über ihr vibrierte. Panisch drehte Cyana sich unter dem Tisch herum, und entdeckte die Person, die für den Lufthauch verantwortlich gewesen sein musste. Diese hielt eine Peitsche in der Hand, dessen Hieb offenbar für Cyana bestimmt war, welcher jedoch vom Tisch abgefangen worden war.

Cyana konnte sich für einen Moment nicht rühren, diese Situation ihr absolut unbegreifbar. Wieso war jemand ins Haus eingedrungen und wollte ihr etwas antun? Sie wusste nicht, was sie je irgendeiner Person  angetan haben könnte, was diese Situation verständlich gemacht hätte. Sie wusste lediglich, dass sie schnellstmöglich hier weg musste, besonders da die Person, welche eine Art Anzug aus mehren Lagen schwarzen Stoffesgewickelt, trug,  gerade gemächlichen Schrittes auf sie zukam und dabei immer wieder ihre goldene Peitsche schwang. Cyanas Herz fühlte sich an, als würde es gleich bersten und sie robbte auf Händen und Füßen zurück. Doch es hatte keinen Zweck. Die Person, die aussah, wie ein tödlicher Ninja, kam immer weiter auf sie zu und Cyana sah keine andere Möglichkeit als immer weiter in den Gang hinein zu robben, ihre Augen panisch auf der Suche nach einem Ausweg. Sie musste aufstehen und es irgendwie an dem Ninja vorbeischaffen, sonst wäre sie binnen Minuten oder gar Sekunden tot, dessen war sie sich sicher. Cyana drehte ihren Kopf in alle Richtungen und suchte einen Fluchtweg. Überall waren weiße verschlossene Türen. Der Ninja schien ihre Panik und Todesangst zu genießen, denn er machte sich nicht einmal die Mühe, sie schnell zur Strecke zu bringen. Cyana dachte angestrengt nach. Die letzte weiße Tür auf der linken Seite, bevor der Gang in einer Sackgasse landete, müsste das Badezimmer sein, das sie gestern benutzt hatte. Es hatte ein großes Fenster, welches direkt auf den Pool hinaus zeigte. Sie wusste, dass dies ihre einzige Chance sein würde, weshalb sie, ohne weiter darüber nachzudenken aufsprang. Sie drehte sich unter dem Tisch hervor, griff nach einer Handvoll Scherben, die sie auf den Ninja warf, um ihn abzulenken. Dieser hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sie versuchen würde zu fliehen oder gar sich zu wehren, weshalb er kurze Zeit nur im Flur stand, die Peitsche auf mittlerer Höhe. Diese Zeit nutzte Cyana, um um ihr Leben zu sprinten. Sie blickte nicht einmal zurück, um nachzusehen, wie weit der Ninja ihr auf den Fersen war, sondern konzentrierte sich nur darauf, hier rauszukommen. Schlitternd kam sie vor der Tür zum stehend und drückte mit zitternden Händen die Klinke herunter. Schnell trat sie herein und schloss die Tür wieder hinter sich, bevor sie sich in dem geräumigen Badezimmer umsah. Neben ihr stand eine schwer aussehende Kommode, welche sie vielleicht vor die Tür schieben konnte. Schnell griff Cyana sie mit beiden Händen und schleifte sie mit zwei großen Schritten über den Boden, bis vor die Tür und schloss mit bebenden Händen ab. Dies würde ihr möglicherweise lebensrettende Sekunden verschaffen. Ohne noch einmal zu überprüfen, ob die Kommode im idealen Winkel stand, rannte zum gekippten Fenster und versuchte es ganz zu öffnen. Sie drückte den Griff zurück und zog ihn nach unten bevor sie versuchte, das Fenster aufzuziehen. Doch es funktionierte nicht. Der Griff klemmte und obwohl sie immer wieder hektisch daran zog, gab er nur ein quietschendes Geräusch von sich. Plötzlich hörte Cyana, wie jemand versuchte die Türklinke herunterzudrücken. Der Ninja war die Spielchen mittlerweile offenbar leid und als er die Tür nicht augenblicklich öffnen konnte, hörte sie einen heftigen Schlag gegen die Tür, als würde jemand versuchen, sie einzutreten. Die Kommode hielt ihn noch davon ab, doch Cyana konnte sehen, wie sie unter den Schlägen wackelte und jeden Augenblick umfallen würde.

Entschlossen wand sich Cyana wieder dem Fenster zu und zog mit ihrem ganzen Gewicht und ihrer ganzen Kraft am Griff des Fensters. Sie konnte hier nicht sterben und sie würde hier nicht sterben. Dieser Gedanke, gab ihr noch das letzte bisschen Kraft, dass sie scheinbar gebraucht hatte, denn mit einem kräftigen Ruck flog das Fenster auf, während sie von dem unerwarteten Rückstoß auf ihrem Hintern landete. Gleichzeitig hörte sie jedoch, wie die Kommode unter den regelmäßigen Schlägen endgültig nachgab, und mit einem weiteren gezielten Schlag war zu hören, wie das Türschloss zersprang. Sie würde diese Nacht nicht überleben, dies wurde ihr nun immer klarer. Der Ninja hatte mit nur ein paar Schlägen die Tür eingetreten und stand nun wenige Meter von ihr entfernt. Er hatte einen roten Strich, quer über sein Auge gezogen, welchen sie im Flur nicht bemerkt hatte. Es musste ein tiefer Schnitt sein, denn immer wieder quoll Blut heraus und tropfte über das Tuch, das seine untere Gesichtshälfte verbarg. Hatte sie dies verursacht? Cyana hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn während er immer nähe kam, saß sie immer noch auf dem Boden. Sie sah ihn an, seine vor Rage zusammengekniffenen Augen und konnte in diesen erkennen, dass er nicht vor hatte ihr einen schnellen Tod zu schenken. Es war unmöglich ihm zu entkommen, dieser ständig  schwingenden Peitsche, doch sie wusste auch, dass sie auf keinen Fall in einem Raum mit einer Fluchtroute direkt vor ihren Augen sterben konnte. Nicht ohne einen Versuch zu unternehmen.  Also nahm Cyana ihren ganzen Mut zusammen und sprang im selben Moment auf, indem der Ninja auf sie zu rannte. Und als sie bemerkte, wie der Ninja in einer unmenschlichen Geschwindigkeit seine Peitsche schwang, diesmal unausweichlich, war die einzige Möglichkeit, die ihr noch blieb, zu springen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 13 ⏰

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