Kapitel 5 ~ Nächstenliebe

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Mir brummt der Schädel. Schwer kleben meine Lider zusammen. Nur flatternd kann ich sie öffnen. Licht blendet mich. Als ich meine linke Hand hebe, um sie vor meine Augen zu halten, ziehe ich die Luft scharf ein. Sofort erstarre ich. Ein brennendes Stechen schießt von meiner Schulter durch meinen Oberkörper. Vorsichtig hebe ich nun den anderen Arm und fasse mir an die Stirn. Stoff ist um sie gewickelt. Meine Schläfen pochen. Ich schließe meine Augen, um vor dem dröhnenden Kopfschmerz zu fliehen. Ohne Erfolg. Ich brauche Wasser.

»Wasser«, krächze ich. Der Klang meiner Stimme lässt mich zusammenfahren. So dünn, so schwach habe ich lange nicht mehr geklungen. Eine Tür knarzt. Wo bin ich? Was ist passiert?

Mit aller Kraft kämpfe ich gegen die Schwere an, die sich auf mich legt. Meine Lider schaben über meine Augäpfel. Eine kleine Gestalt taucht neben mir auf. Eine Frau, die nicht viel größer als ein Meter fünfzig sein kann, lächelte mich freundlich an.

»Ich helfe dir dich aufzusetzen, Kindchen«, erklärt sie mit weicher, großmütterlicher Stimme. Entschieden aber dennoch vorsichtig legt sie ihre Arme um meinen Oberkörper und richtet mich auf, ehe sie ein zweites Kissen in meinen Rücken legt. Ich sinke hinein und lehne meinen Kopf gegen das hölzerne Kopfteil. Mit ihrer kühlen Hand greift sie meine Rechte und schließt meine Finger um einen Tonbecher.

»Du musst langsam trinken«, weist sie mich an. Ich nicke und führe den Becher an meine Lippen. Meine Hand zittert so sehr, dass einzelne Tropfen auf die Bettdecke überschwappen. Doch als ich es geschafft habe, seufze ich auf.

Die lauwarme Flüssigkeit befeuchtet meinen Hals und hinterlässt einen klebrigen Geschmack auf meiner Zunge. Für einen Moment schließe ich meine Augen und presse die Lippen auf einander. Es schmeckt zu süß um Wasser zu sein, doch es vertreibt die Kopfschmerzen sofort. Also trinke ich noch einen Schluck.

»Wo bin ich?« Mein Blick gleitet von dem Holzbett zu der hölzernen Wandtäfelung und zurück zu der Frau. Freundlich funkeln ihre Augen. Ein Lächeln strahlt auf ihren Lippen. Die grau melierten Haare sind zu einem strengen Knoten zurückgebunden.

»Du bist in Naeme-Ebere im Haus des Jägers«, berichtet die ältere Frau. Vorsichtig nimmt sie mir den Becher aus der Hand und stellt ihn auf einem Hocker ab. Anschließend tritt sie ans Fenster rechts von mir und öffnet die Riegel. Frische warme Luft und Vogelgezwitscher fluten den Raum.

»Wie bin ich hierhergekommen?«, stelle ich meine nächste Frage. An den Teich kann ich mich erinnern, an diesen Mann, an die Verfolgung. Das alles klingt wie ein surrealer Traum. Doch daraus aufgewacht bin ich nicht. Wo also bin ich? Liegt dieser Raum im Schloss. Bin ich am Hof des bösen Königs?

Verschwörerisch beugt sie sich zu meinem Ohr. »Als ich gestern Nachmittag im Wald nach Kräutern für meinen Mann gesucht habe, habe ich dich entdeckt. Jemand hatte dir in die Schulter geschossen und du hast dir deinen Kopf aufgeschlagen«, flüstert sie und stützt sich mit den Händen auf der Matratze ab. »Natürlich habe ich sofort meinen Sohn geholt und wir haben dich in mein Haus gebracht. Du hättest sonst die Nacht nicht überlebt.«

»Danke«, hauche ich. Kraftlos kämpfe ich gegen das Flattern meiner Lider an. Die Müdigkeit zerrt an mir.

»Du solltest dich ausruhen«, rät sie mir, während sie mich anschaut, als wäre ich ein Rätsel, das es zu lösen gäbe. Sie nimmt meinem Becher und schließt mit der anderen Hand das Fenster. »Wenn du irgendetwas brauchst, ruf bitte nach mir. Ich heiße Martha.« Liebevoll lächelt Martha mir zu, bevor sie den Raum verlässt.

Eine Weile starre ich einfach nur an die Wand und lasse meinen Gedanken ihren Lauf. Wie bin ich hier nur reingeraten? Mein Vater wird sich schreckliche Sorgen um mich machen. Warum habe ich nur versucht mutig zu sein und den Fremden zu retten? Diesen ... diesen. Sein Name fällt mir einfach mehr nicht ein. Ich fasse mir an die Stirn, doch zucke zusammen, als ich den Verband berühre. Das Pochen in meinem Kopf kehrt zurück.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 30 ⏰

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Des Königs Feind (Lanidiam 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt