~4.1~

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Sich auf einem Drachenrücken zu halten war gar nicht so leicht. Ständig rutschte ich und krallte mich panisch in ihre Schuppen. Nach dazu kam der elendig tiefe Abgrund, so tief, dass man nichts als Schwärze sah. Ich atmete erleichtert aus, als Fly endlich vor der rustikalen Tür hielt und mich auf der Plattform abstiegen ließ.

„Wenn ich dir einen Tipp geben darf, betrachte alles mit Abstand. Der Rektor neigt zu Übertreibungen und Dramatisierungen."

„Klingt... sympathisch..."

„Wenn du das wirklich denkst, solltest du dein Urteilsvermögen mal untersuchen lassen, Kleine."

Ich schluckte und betrachtete die schimmernden blauen Schuppen von Fly. Es schien, als würde sie mich anstarren, dann stürzte sie hinab und verschwand in der Schwärze der Tiefe. Ich hob meine Hand und klopfte an die schwere Tür. Es hörte sich so leise und zaghaft an, sodass ich meine Zweifel hatte, dass man es drinnen hörte.

„Komm rein, Jolynn Spyrs." Die Tiefe Stimme dröhnte durch die Tür. Meine Finger umschlossen die Klinge und traten ein, danach schloss ich die Tür wieder. „Woher weißt du meinen Namen?"

„Ich bitte dich! Ich bin Rektor Hayes.Ich was alles. Wer was macht, wann und wie. Nichts geht an mir vorbei", berichtete er mit einem Hauch von Stolz in der Stimme. Es ließ ihn arrogant und gleichzeitig unsympathisch wirken.

Ich ließ mir Zeit mit meiner Antwort und musterte ihn stattdessen. Er wirkte ziemlich ernst. Keine Lachfältchen um den Augen, er hatte Furchen auf der Stirn. Seine braunen Haare und sein brauner Drei-Tage-Bart hatte einen leichten gräulichen Schimmer. Seine Lippen fest zusammengepresst. Ich war mir sicher, dass er Lächeln verlernt oder nie gelernt hatte.

„Bist du gut angekommen?"

„Wie man es halt nimmt wenn man irgendwo fremd aufwacht, von fremden Männern aufgegabelt wird und erzählt bekommt was hier für Wesen leben. Und was sind sie? Der Drahtzieher des Menschenhandels? Als Akademie getarnt? Wie viele Menschen hast du schon auf dem Gewissen?" Ich setzte mich auf dem Sessel ihm gegenüber. Nur ein kleiner Couchtisch stand zwischen uns. Das Büro wirkte an sich eher wie ein Wohnzimmer einer Wohnung. Hier war nichts, was wirklich auf ein Büro hindeuten konnte. Rechts neben mir an der Wand standen zwei Regale. Eins mit dicken, vergilbten Büchern gefüllt und eins mit kolbenartigen Gefäßen, die mit Flüssigkeiten in jeglichen Farben gefüllt waren. Einige kuriose Bilder von seltsamen Gestalten schmückten das Mauerwerk.

„Ich darf doch sehr bitten! Wäre das hier das was du denkst, dürftest du dich garantiert nicht frei bewegen."

„Als ob hier Hexen, Werwölfe und Vampire leben!"

„Die drei und noch einige andere", erwiderte er und ich schluckte.

„Was noch?"

„Nun ja... du musst es die praktisch wie einen eigenen kleinen Planeten vorstellen. Keine Straße führt zurück in die Welt, die du kennst. Aber es gibt viele Parallelen. Kleinigkeiten. Wir haben auch Freizeitaktivitäten. Einen Zoo, einen Freizeitpark-"

„Mit Löwen und Komodowaranen?"

„Wo denkst du hin? Nein unser Zoo stellt ausschließlich mysteriöse Wesen aus. Es gibt dort unter anderem Dschinns, Sirenen, Gestaltwandler."

„Die existieren also auch...?"

„Alles." Er lehnte sich nach vorne und stützte sich auf seinen Knien ab. „Alles, jedes Monster, aus deinen Alptraumen entspricht der Realität. Jedenfalls für dich und nicht nur das."

„Was auch immer. Und warum bin ich hier?"

„Du?" Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, dabei wirkte es so unecht wie der Gedanke an das, was er mir hier weismachen wollte. „Migräne ANfälle in den letzten Tagen? Unglaubliche Stärke? Heilungsprozess? Alle vergessen dich?"

„Ja...?"

„Du bist eine Hexe, Jolynn. Du bist hier um deine Fähigkeiten zu kontrollieren, die Basics zu erlernen und um im Kampf ausgebildet zu werden. Du wirst nach Fairywood ziehen, die ein Apartment mit Angel teilen. Und ich erwarte, dass du dich möglichst schnell anpasst. Je schneller desto besser, ansonsten kann das hier sehr schnell ungemütlich werden." Seine Augen zogen sich zu gefährlichen Schlitzen zusammen. „Und das wollen wir beide nicht, richtig?" Eine Frage, aber er fuhr direkt fort: „Cameron ist für dich verantwortlich. Er wird dich jetzt zu hayden bringen. Der Heiler, sowie der Konrektor. Von ihm bekommst du deinen Stundenplan und weitere wichtige Informationen."

Warum hatte ich das Gefühl, dass er mich indirekt bedrohte? Eine Gänsehaut breitete sich in meinem Nacken aus und ich stand eilig auf. „Sind wir fertig?"

„Sicher doch. Aber denk dran: Mach uns keinen Ärger!"

Mit zügigen Schritten eilte ich aus dem Büro und war froh, dass Fly sich direkt vor mir aus der Tiefe erhob. Ich kletterte auf ihren Rücken. Der Rückflug verlief bei weitem besser, als noch vorhin. Ich wusste direkt, wo ich am besten Halt hatte. Auf der anderen Seite kletterte ich hinab und positionierte mich vor Cameron.

Fly verschwand, ohne etwas zu sagen.

Cameron dagegen musterte mich eingehend. Sein Blick glitt über meinen Körper und blieb an meinen Augen hängen.

Nach dem Gespräch mit Rektor Hayes war ich noch verunsicherter als vorher. Und widerwillig musste ich mir eingestehen, dass Cameron bei weitem nicht einen solchen Einfluss auf mich hat. Bei ihm fühlte ich mich tatsächlich gut aufgehoben und irgendwie sicher.

„Und? Was bist du?"

„Hexe... das ist so absurd, ich kann ja nicht mal Sachen vorhersehen. Und dann soll ich ne Hexe sein?"

„Hayes irrt sich nie."

„Beruhigend... nein ernsthaft. Ich bin doch keine Hexe. Das hätte ich doch gemerkt." Ich hob meinen Blick und schaute in seine düsteren Augen. „Oder?"

„Als er mir sagte, dass ich ein Werwolf sei, fand ich es auch absurd. Aber es kam alles nach und nach. Dagegen bist du schon relativ weit fortgeschritten, was mitunter eine echte Bedrohung sein kann. Andererseits... soweit ich weiß haben Hexen keinen schnellen Heilungsprozess, der Heilungsprozess von Hexen bleibt menschlich."

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