Kapitel 1

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Kapitel 1

„Wie zur Hölle bin ich bitte in diese Situation geraten?" fragte sich Cassian.

Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein absolut gewöhnlicher Tag gewesen, und nun wurde ihm mit dem Tode gedroht. Und das, an einem Ort von dem er weder verstand, was es war, noch wie er dorthin gelangt war.

Noch vor wenigen Stunden spielte Cassian friedlich mit seinen Geschwistern fangen. Die Sonne stand tief am Horizont, und ein warmes, goldenes Licht tauchte die raue Landschaft des Grenzlands Amriths in ein zauberhaftes Leuchten, als er den Kindern hinterherrannte. Die Kinder, mit denen Cassian auf der grünen Wiese spielte waren streng genommen nicht wirklich seine Geschwister. Sie waren Kinder wie er, die ihre Eltern auf tragische Weise verloren hatten, oder von diesen gar nicht erst gewollt waren, und nun unter der fürsorglichen Obhut von Mutter Elara wie eine Familie im Waisenhaus aufwuchsen. Er war der älteste Bewohner des Waisenhauses, wodurch er unfreiwillig in die Rolle des großen Bruders für die Jüngeren gerutscht ist.

Ein fröhliches Lachen und die Rufe der Kinder erfüllten die Luft, als sie versuchten vor Cassian wegzurennen. Seine großen, grauen Augen, von dichten Wimpern umrahmt, blickten aufmerksam auf die anderen Kinder, während seine blonden Haare im Wind leicht wehten und er mühelose, mit ihnen Schritt hielt. Sein geschmeidiger Laufstil wirkte fast katzenartig, als er sich durch das Spiel bewegte. Die Sonnenstrahlen umspielten sein Gesicht, betonten die Konturen seines festen Kiefers und gaben seinen blonden Haaren einen goldenen Schimmer. Sein Gesicht strahlte von einem ansteckenden Lächeln, das selbst die schüchternsten Kinder zum Lachen brachte.

Die Szene vor dem Waisenhaus, einem imposanten Steinbau mit Efeu bewachsen und Fenstern, die im Sonnenlicht glitzerten, strahlte pure Geborgenheit aus. In der Tür des Waisenhauses stand Mutter Elara, eine liebevolle und weise Frau mit grauen Haaren und einem warmen Lächeln. Sie beobachtete Cassian und die anderen Kinder mit einem stolzen Blick, in dem man ohne Frage die Liebe, die sie für die Kinder empfand, erkennen konnte.

„Du fängst mich niemals Cassy!" lachte ein kleines Mädchen herausfordernd, als sie vor ihm wegzurennen versuchte. Zu diesem Zeitpunkt war die einzige Sorge, die Cassian hatte, dass Momente wie diese schon bald der Vergangenheit angehören würden, sobald er seine Ausbildung zum Soldaten beginnen würde.

Lebhaft und fröhlich sprang die kleine Tessa, eines der jüngsten Kinder im Waisenhaus, über die Wiese. Cassian lächelte, seine Augen strahlten vor Spielfreude. Er beschleunigte seinen Schritt, erreichte sie im Nu und fing sie spielerisch in seinen starken Armen auf.

"Tessa, du bist wirklich schnell, aber du kannst mir nicht entkommen", neckte er, während die anderen Kinder kichernd um sie herumstanden. Der warme Wind trug das fröhliche Lachen über die grüne Landschaft, während die Sonne langsam dem Horizont entgegensank.

„Ich denke, dass reicht für heute. Es wird langsam auch schon dunkel und ihr werdet doch bestimmt bald müde. Ich selbst kann kaum noch meine Augen offenhalten." Versuchte Cassian die jüngeren Kinder zu überreden und unterstrich seine Aussage mit einem gekünstelten Gähnen.

„Ich bin aber noch gaaar nicht müde." nörgelte Finn. „Und wir wollen alle noch ganz viel mit dir spielen bevor du weg gehst"

„Na gut, ich verspreche euch, in den nächsten Wochen werden wir so viel spielen, wie ihr wollt", sagte Cassian mit einem breiten Grinsen. "Aber jetzt ab ins Haus, es wird wirklich dunkel. Und ich glaube Mutter Elara ist auch schon fast mit dem Kochen fertig."

Die Kinder jubelten, als sie sich auf den Weg ins Waisenhaus machten, gefolgt von Cassian, der jeden von ihnen liebevoll auf den Kopf tätschelte. Die Sonne war mittlerweile untergegangen, und der klare Sternenhimmel breitete sich über der Landschaft aus.

Labyrinth of Shadows:  Treue und VerratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt