Schleier

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Kai war kein beeindruckender Mann. Er war nicht besonders groß oder klein oder dick oder dünn. Er war unscheinbar. Was seinen Job als Drogenbaron recht einfach machte. Ivana hatte ihn zwar lange nicht mehr gesehen (seitdem sie und ihre Geschwister bei ihm aufgetaucht sind um einen psychopathischen Nekromanten zu verhaften) aber sie erinnerte sich trotzdem an das Lächeln, dass er ihr durch verschmierte Autofenster schenkte. Leider führte das auch dazu, dass sie sich schlagartig daran erinnern musste warum sie mit diesem sadistischem Idioten Schluss gemacht hatte. Das ließ sie sich jedoch nicht anmerken. Sie Lächelte zurück. Und verfluchte dabei seine Existenz. Benjamin ließ, dass Fenster runterfahren.

„Liebe meines Lebens, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?"

Säuselte Kai. Ivanas Lächeln blieb wie eingemeißelt auf ihrem Gesicht.

„Ich weiß es nicht Liebling aber viel zu lang aufjedenfall!"

Oh, wie kalt ihre Stimme doch klang.

„Na dann wird's aufjedenfall Zeit, dass wir mal wieder die Präsenz des anderen genießen, findest du nicht?"

Er hatte eine Waffe. Natürlich hatte er eine Waffe. Nicht nur das, er hatte auch drei Männer die im Rücksitz saßen, die sie auffordern ansahen. Sie seufzte. Schloss die Augen. Erinnerte sich daran was sie gelernt hatte. Die Rolle die sie spiele musste.

Benjamin beobachtete das ganze neugierig. Ivana war schon immer eine Mitläuferin gewesen, hatte nie die Tendenz in Gewalt auszubrechen wie ihre Geschwister. Daher überraschte ihn es überhaupt nicht als sie die Tür aufmachte um ins andere Auto einzusteigen. Was ihn eher Überraschte war der kurze Moment der Zögerung. Als wäre ihr erster Instinkt was anderes gewesen. Vielleicht hätte er es gar nicht war genommen, hätte sie ihm nicht Minuten davor ein Messer ins Bein gerammt. Über ihre Motive konnte er später nachdenken. Er lehnte sich über sie was nicht allzu schwer war und knallte die Tür wieder zu bevor sie das Auto verlassen konnte. Sie fiepte empört.

„Ey!"

„Tut mir leid Maus aber ich brauche dich noch."

„Maus?!"

Sie verlor komplett die Fassung, aber konnte nichts mehr dazu sagen als er aufs Gaspedal drückt und wie ein Verrückter losfuhr. Hätte sie noch ein Messer hätte sie es definitiv an ihm benutzt.

„Was soll das?!"

Kreischte sie. Sie konnte hören wie Kais Auto hinter ihnen die Verfolgung aufnahm.

„Mir ist es tatsächlich ultimativ egal ob du jetzt wieder mit deinem Ex durchbrennst oder nicht."

Irgendwie machte sie diese Aussage wütend. Wie konnte er es wagen? Sie hatte sich solche Mühe gemacht sich mit ihm anzufreunden und jetzt tat er so als wäre ihm alles scheiss egal. Sie war kurz davor in die Luft zu gehen.

„Aber deine Eltern werden mich umbringen wenn sie herausfinden dass ich dich jetzt in diesem Moment gehen lassen habe. Daher gehst du nirgendswo hin."

Okay. Sie war nicht für ihre Wutausbrüche bekannt. Tatsächlich hatte sie sich immer unter Kontrolle. Auch wenn es so aussah als würde sie irgendeine Reaktion haben war diese genaustens kalkuliert und hatte immer einen Zweck. Als sie mit der Faust auf Benjamins Gesicht schlug war der einzige Zweck ihm wehzutun. Sie konnte sich nicht dafür ärgern, sie sah nur rot. Denn es war das erste mal seit langem dass sie die Kontrolle verlor und sie wusste nicht warum. Sie war in weitaus schlimmeren Situationen gewesen, hatte schlimmere Worte über sich ergehen lassen. Darüber konnte sie gerade nicht nachdenken. Benjamin hatte eine Vollbremsung hingelegt, das Auto kam schlitternd zum stehen. Mit der einen Hand Griff er nach ihren Fäusten, mit der anderen zog er den Hebel um ihren Sitz ruckartig nach hinten zu schieben. Sie knurrte. Sie hatte noch nie geknurrt. Mit einer Bewegung hatte er sie auf den Sitz gedrückt, sein ganzes Gewicht hielt sie gefangen. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht fühlen. Sie versuchte nach ihm zu schnappen.

„Ivana benimm dich!"

Zischte er, als würde er mit einem unartigen Kind reden.

In ihrer Rage bekam sie mit wie ein Auto neben ihnen anhielt. Benjamin nutzte die kurze Ablenkung um ihr seine Hand um den Hals zu legen. Ihr wütendes kreischen wurde zu eine keuchen. Er schien sie nun gekonnt zu ignorieren, denn er kurbelte das Fenster runter und fing an mit ihrem Ex zu quatschen. Über was hatte sie keine Ahnung. Sie konnte nur das Blut in ihren Ohren pochen hören. Irgendwann machte Benjamin das Fenster wieder zu und richtete seine Eiskalten Augen auf sie.

„Hast du dich beruhigt?"

Er lockerte den Griff um ihren Hals. Sie bleckte die Zähne.

„Ivana. Wenn du mich noch einmal angreifst werde ich dich in den Kofferraum schmeißen. Haben wir uns verstanden?"

Der rote Schleier begann sich aufzulösen und pures Verlegen breitete sich in ihr aus. Sie zeigte es jedoch nicht. Sie ließ ihr Gesicht zu einer Ausdruckslosen Maske verschmelzen und nickte. Die Hand um ihren Hals verschwand. Benjamin stieg von ihr runter und glitt zurück in den Fahrersitz. Ivana blieb kurz liegen bevor sie sich wieder aufrichtete. Wortlos fuhr Benjamin los und lies sie mit ihren Gedanken alleine. Ivana musste erstmal verarbeiten was da gerade passiert war, ausnahmsweise mal war sie dankbar für die Stille. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 27 ⏰

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Von Liebe ErstürmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt