Als die Nacht dem Morgen verfiel

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Wie ein erstarrtes Meer erstreckte sich das Feld vor ihr. Im dämmrigen Licht des Morgens, der den Nebel über der Wiese bettete, klang der Hall der zugeschlagenen Haustür nach. Begleitet von einem Seufzer hatte Dominique Füße auf die Straße gesetzt, ihren Atem ausgestoßen. Es wurde bereits kühler; der September löschte den Sommer aus, hauchte Blätter in rosige Farben.

[...]

Später trat sie in die Universität, in dieses fremde Haus voll mit Menschen, voll vom sie davonjagenden wollendem Lärm. Dominique trat zu einem jungen Mann, der Melàn hieß, und fragte ihn wo denn der Hörsaal sei zu dem sie müsse. ,,Ach, welch ein Zufall'', hatte Melàn gelacht, er müsse dort auch hin und ob sie denn neu sei. Sie hatte genickt und gelacht, hatte die sturmgrauen Augen verengt und ist mit ihm gegangen.

Beim Gehen deutete er auf Gemälde in Korridoren, auf vorbeiziehende Räume und zog Domenique's Gestalt mit sich, lächelte und grinste. Bis sie beide nebeneinander auf hölzernen Stühlen saßen, weiter redend. Worte, Gedanken tauschend, bereits Freunde werdend.

Dominique lehnte sich zurück, musterte die noch leere Tafel. Grinsend über das eben gesagte Melàns. Ihr Herz sollte bald den Takt verlieren, es stolperte, setzte ein Schlag aus als sie sie sah.
Aquamarin.
Ein Wort in ihren Gedanken, ein Wort, das sie erfasste und nie wieder loslassen sollte als sie sah, wie das Mädchen mit den Meer-Augen ihren Blick auffing, ihr ein Lächeln schenkte bevor sie sich wieder den Seelen um sich herum zuwandte.

Aquamarin, dachte Nique erneut und folgte ihr mit den Augen, versuchte diese Augen zu vergessen.

[...]

Melàn war eine Erlösung für Nique. Er fragte nicht, redete zwar viel aber ohne sie jemals zu überhören. Er brauchte ihr Licht nicht zu sehen um zu erkennen wer sie war. Er verstand einfach. Später standen sie am Hafen. Kühle Luft strich um ihre Nasen, raute das graue Wasser auf.

Melàn zog an seiner Zigarette und atmete Rauch aus. Nique versuchte Kreaturen aus dem blaunen Rauch heraus zu lesen, während sie die rechte Hand in ihrer  Manteltasche vergrub und sich dann mit der Linken an den Nacken fasste. ,,Wer ist Aquamarin?'', fragte sie. Melàn blickte sie an, der Wald in seinen Augen schien zu rauschen als er kurz nachdachte.

,,Riva?'', sprach er in die Brise, ,,Sie ist äußerst, nun, still.''. Er sagte, er wisse kaum wer sie sei. Denn Namen sagten doch nichts über die Seele eines Menschen. Wieder Rauch, der in die Luft gemalt wurde. Nique starrte diesen Jungen nur an. Diesen Jungen mit den Wald-Augen und fragte, wie er es denn sähe. Sagten Namen etwas über die Seele eines Menschen aus?

Melàn zuckte nur die Schultern, starrte auf die grauen Wellen, die vom Schaum geküsst vor sich hin wogen. Die Stille wurde nur von ausgespucktem Rauch verwirbelt, der um die beiden umher schlichen, auf die nächsten Worte wartete ohne sie dazu zu drängen.

Es war Nique, die die Stille mit neuen Worten füllte. ,,Augen vielleicht.'', sprach sie langsam in den Wind der ihre Haare durchwühlte. ,,Augen sind der Eingang in die Seele.''. Melàn starrte seinen Kreaturen nach, die im Rauch umhersprangen. ,,Oh wow. Ich habe eine Philosophin erwischt." kam es von ihm zurück, zerstückelte die Stille in ein Gelächter.

AQUAMARIN Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt