BENEDICT

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Der Himmel über dem Footballfeld strahlt in diesem tiefen Blau, das sich nur im frühen Herbst zeigt. Als würde der Ozean die Seiten wechseln. Schweiß perlt von meiner Stirn und vom Nacken in das Trikot. Bis gerade war ich mit den anderen am Ende des Spielfelds im Hantelbereich und habe Gewichte gestemmt, aber jetzt will Coach Davies einen Zug mit uns elf Hauptspielern durchgehen.

Neben mir dreht Nolan seinen Helm in den Händen. Das schwarze Gitter reflektiert das Sonnenlicht und blendet mich. Sein Blick gleitet zu den Cheerleaderinnen, die auf der anderen Seite des Felds trainieren. »Warum schlägt mein Herz für diese Tänzerinnen mehr als nach einem heftigen Training?«

»Weil dein Herz auf deinen Schwanz hört«, entgegne ich.

Seufzend tätschelt Nolan seinen Tiefschutz. »Stimmt. Der Große hat einen besorgniserregenden Einfluss auf mein lebenswichtigstes Organ. Ich sollte ihn mehr fördern.«

»Du förderst ihn. Manchmal mehrmals täglich, und das sehr laut an allen möglichen Orten, danke dafür.«

Nolan lacht. »Du doch auch, Bro. Dich und Mackenzie kann man drei Meilen entfernt hören.«

Ich ziehe den schwarzen Handschuh zurecht und beobachte Mackenzie, die gerade von ihren Teamkolleginnen in die Luft geworfen wird. Gestern haben wir es dreimal getrieben, morgens in der Uni, mittags im Verbindungshaus und abends bei ihren Eltern. Und jedes Mal fühle ich mich danach gleich: geil und beschissen. Ihre Eltern gehören zu den großzügigen Spendern des Stipendiatenprogramms, und immer, wenn ich das Gefühl habe, Macks und ich passen nicht zusammen, kommt dieser kleine scheiß Teufel in meinen Kopf und behauptet, ich wäre ein undankbares Drecksschwein.

»Jungs!«, brüllt Coach Davies vom Mittelfeld. Er steht vor dem großen roten H zwischen der 40- und 50-Yard-Linie, drückt eine Hand in den Rücken von Cardinal, unserem Linebacker, und gibt ihm einen Schubs über den Platz, während seine Adleraugen sich auf Nolan und mich stürzen. »Kommt her!«

Wir joggen über das Spielfeld zu ihm. Er legt uns jedem eine Hand auf die Schulter und sieht uns an, als würde er uns nun in den Krieg schicken. »Ich konnte gestern Nacht nicht pennen.«

»Und?«, frage ich.

»Und dann habe ich mir diesen Weiberfilm angesehen.«

»Welchen?«

»Den mit dieser von High School Musical.«

»Vanessa Hudgens?«, fragt Nolan. Ich werfe ihm einen Blick zu, und er zuckt die Achseln. »Ads hat mich gezwungen, alle Filme mit ihr zu sehen.«

Ads ist Nolans zwölfjährige Schwester und in mich verknallt. Letzte Woche hat sie mir ein Herzchenarmband geschenkt und angefangen zu heulen, als ich es vorgestern bei ihrem Tanzauftritt nicht getragen habe.

»Und?«, wiederhole ich, drehe meinen Helm in der Hand und grinse Coach Davies an, während ich die Augen wegen der Sonne zusammenkneife. »Hast du getanzt?« Ich mache einen Hüftschwung. »You are the music in me. Nananana – oh. Nananana.« Ich halte Nolan ein imaginäres Mikro vors Gesicht, und er singt: »Yeah!«

Ein paar Studentinnen am Spielfeldrand kichern schwärmerisch.

Coach Davies verdreht die Augen. »Nein, es war dieser Prinzessinnentausch-Film.«

»Prinzessinnen?« Meine Brauen wandern die Stirn hoch. Dann lege ich die Hände an den Mund, sehe mich verschwörerisch um und raune: »Hast du noch jemandem außer uns erzählt, dass du dir nachts einen Prinzessinnenfilm angesehen hast?«

»Die Harmonie beruhigt mich«, sagt er.

»Und was war jetzt mit der Hudgens-Prinzessin?«

»Sie haben ihre Rollen getauscht. Die eine ist ins Leben der anderen geschlüpft. Und da kam mir dir Idee, dass ihr das auch machen könntet.«

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