𓆈 5. Kapitel 𓆈 Gullideckel 24A-B

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Amelie schwebte eine ganze Weile in ihren Fieberträumen und sah immer wieder wie der Hund sich verwandelte. Sein Fell, dass sich in die eigene Haut zurückzog und einer zähen Lederhaut Platz machte. Glänzende Schuppen, die aus dem Nichts auftauchten. 

Die Geräusche von Sehnen, Haut und Knochen waberten wie Schlaflieder umher und resonierten irgendwo ganz tief in ihrem Inneren. 

Überall spürte sie Wärme und ein angenehmes Prickeln. Nur die Hitze war zu heiß, so unerträglich. 

Sie merkte, dass sich etwas bewegte. Ganz entfernt drangen Stimmen zu ihr hindurch, doch sie waren nur ein leises Flüstern. Mal wurden sie lauter, dann wieder leiser. Dann war es wieder still und alles, was zurückblieb, war ein leises Brummen. 

Irgendwann begann ihr Körper abzukühlen und ihr Atem wurde regelmäßiger. Das Prickeln wich einem wohligen Pochen unter ihrer Haut. Langsam glitt sie von ihrem Fieber hinüber in einen tiefen Schlaf. 



Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie über sich einen grauen Himmel. Sie stöhnte und legte sich eine Hand auf ihr Gesicht. Es war ganz nass, wahrscheinlich der Schweiß. Unter ihr vibrierte und rumpelte es. Sie setzte sich mit einiger Mühe auf und erkannte, dass die graue Fläche nicht der Himmel, sondern das Autodach gewesen war. 
Sie saß auf der Rückbank einer Limousine. Amelie roch das vertraute Parfüm von Minna noch bevor sie ihren Hinterkopf auf dem Fahrersitz entdeckte. 

Der Wellensittich auf ihrer Schulter drehte seinen Kopf und starrte sie an. Das weckte die Aufmerksamkeit der Haushälterin und sie schenkte Amelie ein Lächeln durch den Rückspiegel. 

Während sie sich weiterhin auf die Straße konzentrierte, flatterte der Wellensittich auf den Beifahrersitz. Es raschelte und er kam mit einem Briefumschlag im Schnabel wieder zum Vorschein. Mit einem Flügelschlag hüpfte er auf Amelies Schoß, ließ den Brief dort fallen und saß eine Sekunde später wieder auf Minnas Schulter. 

Amelie wollte schon fragen, wo ihre Mutter war, da erkannte sie ihre Handschrift auf dem Papier, das halb aus dem Briefumschlag herausragte.

Sie holte es heraus und beinahe wäre es ihr aus den Fingern geglitten. Ihr Griff war so schwach. Vorsichtig legte Amelie die Nachricht auf die Decke ab, die über ihren Beinen lag. 

Meine liebe Amelie, 

Das ist alles nicht so gelaufen, wie ich das wollte. Du hast wahrscheinlich den Brief der Schule schon bekommen. 
Ich wollte bei dir  sein, wenn du ihn öffnest und dich nach Siehdichum begleiten, statt dich damit alleine zu lassen. 

Ich muss noch bleiben - du hast ungewollt einen hochklassigen Drachen verwandelt, was eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Er war in seiner wahren Gestalt und wir mussten ihn so schnell wie möglich einfangen, damit die Mumpitz ihn nicht sehen. 

Leider gab es ein paar Komplikationen, deswegen verspäte ich mich. 

Minna begleitet dich bis nach Siehdichum, dort musst du ihr sagen, welche Zugangs-Zuordnung du bekommen hast, dann zeigt sie dir den Weg. 

Kuss

deine Mama

Amelie las mit trommelndem Herzen den Brief noch ein zweites Mal. Es war also tatsächlich wahr. Es war ein Drache. Sie hatte tatsächlich einen echten Drachen gesehen. 

Sie sah zu Minna, die ihren Arm nach hinten ausstreckte und ihre Augenbrauen hob. Amelie verstand und drückte ihr den Brief in die Hand. Zu ihrem Erstaunen fuhr sie einen Augenblick später rechts ran, stieg auf die Landstraße hinaus und zückte ein Feuerzeug. Die gierige Flamme streckte sich nach dem Papier und hatte es innerhalb weniger Sekunden verschlungen. 

Wo Drachen sich verstecken | Die Schule der Drachenkünste | BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt