13. Turnmädchen

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Kapitel 13 – Turnmädchen

Die Wahrheit ist,

ich kann allein stehen.

Allein wachsen

Allein sein.

Aber ich möchte es nicht.

(aus der unerschöpflichen Sammlung anonymer Social Media Zitate)


„Es tut mir leid, dass du so viel Ärger wegen mir hast", sagte Alex und griff nach Lorys Hand. „Vor allem, dass du jetzt nochmal her musst, um das mit deiner Mutter zu erklären."

Lory sah zu ihm auf und ihr missfiel der Gedanke, sich damit auseinandersetzen zu müssen. Aber es war keine Option gewesen es zu verschweigen. Es machte sich einfach deutlich besser, dass Alex ihr mit ihrer psychisch kranken Mutter geholfen hatte, als dass sie es wild miteinander im Bett getrieben hatten. Ihr war nichts Besseres eingefallen, außer die Wahrheit zu sagen.

„Ich werde es überleben", seufzte sie. Sie sah zu Alex auf und legte den Kopf an seine Brust. Sofort schloss Alex beide Arme um sie, um sie festzuhalten. Lory war einfach nur froh, dass das Thema vom Tisch war. Jetzt würde sie nur noch abwarten, wie die Entschuldigung ausfallen würde und dann musste sie Melanie hoffentlich erstmal eine Weile nichtmehr ertragen. Ein Schulverweis war eine verdammt gute Idee. Auch für ihr eigenes Nervenkostüm. Tief atmete sie Alex Geruch ein und sie mochte einfach sein Aftershave. Irgendwie fühlte sie sich geborgen, wenn er sie so hielt und das war kein Gefühl, dass sie oft erlebt hatte.

„Sollen wir heimfahren? Bevor wir noch ärger bekommen, dass wir uns in der Schule umarmen?", fragte Alex und Lory musste grinsen. Sie löste sich von ihm und hauchte ihm einen kleinen Kuss neben den Mundwinkel. Langsam machten sie sich auf den Weg aus dem Gebäude heraus. Alles war wie ausgestorben.

„Ich muss nochmal zur Sporthalle. Schauen, ob alle Mädchen abgeholt wurden und die Sportmatten wegräumen."

„Ich komm mit. Bist du mit dem Auto da?"

„Nein, öffentlich. Ich vermeide es mit dem Auto zu viel durch die Stadt zu fahren. Normal fahre ich immer öffentlich."

Sie waren mittlerweile an der Eingangstür angekommen. Große Regentropfen schlugen gegen die Glastür. Es war schon auf dem Hinweg furchtbar kalt gewesen, da sie sich nicht umgezogen hatte. Aber das war jetzt tatsächlich Pech.

Unschlüssig blieben sie vor der Tür stehen und auch Alex sah nicht sonderlich begeistert aus.

„Danke für alles heute. Ich glaub ohne dich wäre ich vollkommen aufgeschmissen gewesen", sagte Alex plötzlich. Lory nickte. Wäre er wahrscheinlich. Und dass sie sich an die Kameras in der Tiefgarage erinnert hatte, war pures Glück gewesen. Sie hatte sich erst noch bei der Hausverwaltung darüber beschweren wollen, dass sie von Kameras überwacht wurde. Jetzt war sie ganz glücklich darüber.

„Dafür sind Freundinnen da", sagte sie und fügte dann hinzu. „Im Gegensatz dazu, was du für mich bei Dimitrov getan hast, war das eine Kleinigkeit."

„War es nicht", sagte er und zog sie etwas näher an sich. „Außerdem lasse ich keine perversen alten Männer hübsche Mädchen belästigen. Und schon gar nicht meins."

Lory drückte ihren Kopf an seinen Pullover und nickte. Sie spürte wie ihr die Tränen hochkamen und verfluchte sich selbst. Das war gerade einfach zu viel gewesen. Nochmal den Abend durchzugehen, wenn auch nur in Gedanken. Es war so verdammt knapp mit Dimitrov gewesen. Sie wollte nicht wissen, was passiert wäre, wenn Alex nicht dabei gewesen wäre. Oder wenn er ihm die Waffe nicht abgenommen hätte. Der Gedanke machte ihr Angst und das Dimitrov noch immer irgendwo hier in München war, machte ihr auch Angst und die letzte Nacht hatte sie alleine im Bett gelegen und darüber nachgedacht und kaum geschlafen. Lory hatte dem Regen vor dem Fenster gelauscht und jedes Knarzen hatte sie zusammenschrecken lassen. Sie hasste es allein zu sein.

Loreley - Singularität der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt