Prolog

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Ich lag zusammen gekauert auf dem kalten Steinboden als ich plötzlich draußen Schritte hörte. Ich unterdrückte einen Schrei. Er durfte mich nicht hören. Warum hatte er mich angelogen? Wie konnte er mich nur so verletzen? Die Schritte entfernten sich von meinem Zufluchtsort. „Du musst dich beruhigen!", befahl ich mir selbst. „Er wird dich nicht finden", dachte ich. Ich fühlte mich sofort sicherer. Ich liebte diesen alten aus dem Mittelalter stammenden Wachturm. Der Efeu, der sich rund um den Turm wand war mir so vertraut. 

Ich erinnerte mich daran wie ich früher mit meinem Vater vor diesem Turm gezeltet hatte und seinen Rittergeschichten lauschte. Mein Vater warnte mich immer davor den Turm hinauf zu steigen. Er besaß kein Vertrauen in die alte Holztreppe. Also ersetzte er, auf langes Drängen meinerseits, die alte durch eine neue Treppe aus solidem Eichenholz. Ich wollte meinem Vater unbedingt helfen. Doch alles was dabei heraus kam waren ein schief eingeschlagener Nagel und mein Daumen der zum ersten Mal mit einem Hammer Bekanntschaft gemacht hatte. 

Vorsichtig, darauf bedacht kein Geräusch zu machen stand ich auf und bewegte mich langsam auf das Fenster zu. Ich blickte hinaus und betrachtete die Sonne die versuchte sich einen Weg durch das dichte Blätterdach zu bahnen. War es schon Morgen? Ich musste eingeschlafen sein. Nachdem ich gestern atemlos die Treppe zu meinem Versteck hinauf gehastet war, und in Rekordzeit durch sämtliches Unterholz geklettert war. 

Ich hörte wie die sperrige alte Holztür quietschte. Oh mein Gott er hatte mich gefunden! Ich wollte mich verstecken aber bis auf ein Fenster und einen mit Stroh gefüllten Leinensack, auf dem ich die Nacht über gelegen hatte gab es hier nichts. 

Und schon stand er vor mir. Er sah mich mit seinen wunderschönen blauen Augen an. Eine widerspenstige haselnussbraune Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht. Ich unterdrückte den Drang, meine Hand nach ihm aus zu strecken und sie ihm aus der Stirn zu streichen. „Du bist wütend auf ihn!", rief ich mir ins Gedächtnis. Ich suchte sofort nach einem Fluchtweg. „Bitte, lauf nicht wieder weg!", sagte er. „Lass mich in Ruhe!",schrie ich ihn an. Doch noch bevor ich seine Reaktion auf meinen Wutausbruch, aus seinem Gesichtsausdruck herauslesen konnte, verschwamm alles vor meinen Augen.



Die TräumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt