Kapitel 1

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Hey, meine lieben Leser! Ich muss euch vorwarnen -> diese Geschichte startet im Herbst. Vielleicht kommt euch, dass jetzt leicht komisch vor, aber es ist noch wichtig für die weitere Handlung. 


„Du musst aufstehen", drang die Stimme meiner Großmutter sanft durch den dunklen Schleier der mich umgab. Schweißgebadet schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Sie berührte mich sanft an der Schulter. „Liebes, ist alles in Ordnung?", fragte die Mutter meines Vaters besorgt. Ich rang mir ein Lächeln ab um ihr zu verstehen zu geben, dass alles gut war. Ohne weitere Fragen zu stellen verließ sie mein Zimmer. Dass liebte ich an ihr besonders. Sie wusste immer auf Anhieb wenn jemand Ruhe brauchte. 

Unwillkürlich musste ich an meinen Großvater denken, der sie immer gebeten hatte sich diese Eigenschaft anzueignen. Doch erst nach dem mein Opa vor zwei Jahren gestorben war entwickelte sich diese Fähigkeit bei ihr immer stetig weiter.

 Ich versuchte nicht mehr an meinen Opa zu denken und ging unter die Dusche. Das warme Wasser und der Seifenschaum ließen mich die Zeit vergessen. Gerade als mir dieser Gedanke kam rief mich Oma auch schon. Langsam bewegte ich mich aus der Duschkabine und begann mein Haar zu föhnen. Zügig machte ich mich mit einem weißen Frotteehandtuch umschlungen auf den Weg in mein Zimmer. Ich entledigte mich meines Handtuchs und zog mich, wenn auch widerwillig, an. Meine Wahl fiel auf eine bequeme dunkelblaue Jeans und ein dunkelgrünes Top. Beim Hinausgehen aus meinem Zimmer griff ich noch nach meinem grauen Sweater und machte mich auf den Weg ins Esszimmer.

 Ich ließ mich auf meinen Platz fallen und schenkte mir ein Glas Orangensaft ein. Dazu nahm ich mir noch ein Schokocroissant aus dem Frühstückskörbchen. Gedankenverloren aß ich mein Croissant und dachte über meinen Traum nach.

 An den Turm, die Rittergeschichten meines Vaters und an den Bau der Treppe konnte ich mich erinnern. Aber wer war dieser Junge? Und warum war ich nur so unfassbar wütend auf ihn gewesen? In diesem Traum war ich diejenige, die etwas geben konnte. Normalerweise war ich nie in der Lage jemandem einen Gefallen zu tun oder mich für etwas zu revanchieren. Aber diesem Jungen hätte ich eine Freude machen können. Aber...ich war nicht einmal in der Lage einfach in diesem Turm zu bleiben. Ich weiß nicht warum aber ich war so unfassbar wütend auf den Fremden aus meinem Traum. Obwohl ich mich auf seltsame Weise zu ihm hingezogen gefühlt hatte empfand ich doch noch auch etwas anderes. Einen kleinen Funken Wut, der zuvor im Traum noch ein loderndes Feuer gewesen war. Doch es war zu spät. Ich konnte dem Jungen keine Fragen stellen oder ihm auch nur das Haar aus der Stirn streichen. So fest hatten mich meine Gefühle im Griff gehabt. Doch nun ergriff mich ein starkes fast übermächtiges Gefühl der Reue. Wie konnte ich so etwas empfinden obwohl ich den Jungen nicht einmal kannte? Ich musste dieses Gefühl dringend loswerden. So etwas durfte nicht passieren. Man konnte sich doch nicht einfach so in jemanden verlieben, der gar nicht existierte. 

Um mich abzulenken griff ich nach der Zeitung um in den Stellenangeboten nach einem gutbezahlten Ferienjob zu suchen. Es gab eine Anstellung als Kellnerin in einem Restaurant hier in der Nähe. Oder einen Job als Kassiererin bei einer Tankstelle. Aber ein Angebot stach mir besonders ins Auge. Zwei Jobs in einem Gartencenter. Einer als Blumenbinder und Verkäufer aber auch jemand für die Pflege der Blumen. Dazu gehörte das Anpflanzen, das Pflegen und schlussendlich die Aufgabe die Pflanzen zu pflücken und sie in das Geschäft zu bringen wo sie verkauft werden sollten. Das hörte sich, fand ich, toll an. Diese beiden Aufgaben waren meiner besten Freundin Paige und mir wie auf den Leib geschneidert. Paige war sehr geschickt in allem was sie tat aber auch über aus freundlich. Ich dagegen war sehr tollpatschig. Nein,..... das war noch stark untertrieben. Wäre ich an Bord der Titanic gewesen wäre ich für ihren Untergang verantwortlich gewesen noch lange bevor sie den Eisberg überhaupt erreicht hätte. Aber bei Pflanzen und Tieren war das anders. Ich weiß nicht warum aber irgendwie kommt es mir so vor als wäre ich mit ihnen auf derselben Wellenlänge. 

Mein kleiner Bruder Luke kam schlaftrunken aus seinem Zimmer heraus getorkelt und auch meine Großmutter setzte sich mit einer Tasse Kaffee an den Frühstückstisch. Das war für mich das Zeichen aufzuhören über allesmögliche nachzugrübeln. Sonst würden sich die anderen Sorgen um mich machen. Ich konnte nämlich nichts vor meiner Familie geheim halten. Aber ich hatte ganze Zeit verdrängt was für ein Tag heute war. Ich wusste was heute auf mich zukommen würde aber ich hatte es die ganze Zeit verdrängt. 

Ich hielt das andauernde Schweigen am Frühstückstisch nicht mehr aus. „Wann machen wir uns auf den Weg?", fragte ich meine Großmutter Rose so leise dass ich mir nicht sicher war ob sie es gehört hatte. Doch kurz darauf antwortete sie mir mit einer Stimme in der unsagbare Trauer lag :„ In einer halben Stunde. Oh, und vergiss nicht deinen Brief mitzunehmen!" „Ja", presste ich mit tränenerstickter Stimme hervor. 

Ich begab mich erneut in mein Zimmer und kramte in meiner Schreibtischschublade herum bis ich schließlich den schwarzen Briefumschlag fand der meine tiefsten Gefühle beherbergte. Ich war so gefesselt vom Anblick des Papiers dass ich gar nicht merkte wie mir Tränen über die Wangen liefen. Meine Aufmerksamkeit wurde erst dadurch erweckt das sich auf dem Umschlag ein kleiner aber deutlich erkennbarer feuchter Punkt befand. Ich legte meinen Brief auf den Schreibtisch und hielt mich an seiner Kante fest um meiner Trauer freien Lauf lassen zu können ohne auf die Knie zu sinken. Meine salzigen Tränen rannen über mein Gesicht und tropften nun ungehindert auf den hellen Parkettboden meines Zimmers. Ich hörte Schritte die sich langsam meiner Tür näherten. Schnell schnappte ich mir ein Taschentuch, wischte mir die Tränen und die verlaufenen Überreste meines Mascaras weg. Gerade als das zusammengeknüllte Papier in meinem Mülleimer landete öffnete sich die Tür und mein kleiner Bruder Luke stand mit verquollenen Augen vor mir.

 „Luke, ....", begann ich. Doch noch bevor ich meinen Satz beenden konnte, hatte er die kurze Distanz zwischen uns überwunden und den Kopf an meiner Taille vergraben. Ich nahm seine Hände, welche er um mich geschlungen hatte und drückte sie leicht. Er sah mich mit seinen grünen Augen an, die so typisch für unsere Familie waren und Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln. „ Ich weiß, dass es schwer für dich ist aber du musst nach vorne sehen!", sagte ich darauf bedacht ihn meine eigene Verzweiflung, über die Situation nicht spüren zu lassen. „ Du hast doch auch geweint!", fuhr er mich an. Einen Moment musste ich überlegen ob er nicht gut auf mich zu sprechen war. Doch ich wusste dass es nicht böse gemeint war. Er kannte mich sehr gut, manchmal sogar besser als Paige. Ich fuhr ihm mit meiner Hand durch die Haare und flüsterte ihm beruhigende Worte zu. Zumindest hoffte ich das „Shhht...und es wird alles wieder gut! beruhigend auf einen 10-Jährigen wirkten. 

Mir fiel es schon immer schwer Gefühle zu erkennen. Aber Luke, besaß diese Gabe. Er und ich waren einfach zu verschieden als dass ich ihn so einfach verstehen könnte. Kaum zu glauben das wir Bruder und Schwester waren. Während es ihm im Gegensatz zu mir relativ leicht fiel Menschen zu mögen und ihnen zu vertrauen, brauchte das bei mir immer eine Weile. Aber vielleicht lag es auch nur daran,das er erst zehn Jahre alt war. Meine Großmutter versicherte mir immer wenn ich sie danach fragte warum es mir so schwer fiel anderen zu vertrauen, dass ich plötzlich ein paar Tage nach meinem elften Geburtstag damit begonnen hatte und das mir diese Eigenschaft seit dem geblieben war. 

Was Luke und mich aber besonders verband waren unsere leuchtend grünen Augen, da diese nur uns beiden gegeben waren. Oma Rose verglich sie gerne mit Meerwasser. Unsere dunkelbraunen Haare, die bei uns wie bei jedem unserer Verwandten, väterlicherseits, einen Rotstich besaßen, verliehen uns ein starkes Zugehörigkeitsgefühl. Durch unsere Haarfarbe fühlten wir uns angenommen, akzeptiert, als Teil einer Gruppe. Doch immer wenn unsere Großmutter uns in die Augen sah, konnte man, auch wenn man so etwas normalerweise nicht bemerkte, sehen wie es ihrem Herzen einen Stich versetzte. Doch diese Tatsache traf auch auf unsere restliche Verwandtschaft zu, was Familientreffen nicht gerade erträglicher machte. Und mich schmerzte es ebenso wenn ich es bemerkte. Denn ich wusste im Gegensatz zu meinem Bruder, der immer wieder danach fragte warum es so war, den Grund. Es lag daran,das wir beide dieselbe Augenfarbe hatten, dieses Grün, um die uns unsere Oma oft so beneidete aber auch manchmal so bemitleidete. Denn diese Augenfarbe hatte auch jemand gehabt, den sie im Gegensatz zu uns gut gekannt hatte. 

Jemand der meinem Vater unendlich viel Schmerz zugefügt hatte. Jemand über den bei uns nicht gesprochen wurde. Jemand den weder Luke noch ich ,obwohl wir die Person kaum kannten, noch einer unserer Verwandten, leiden konnte. Jemand mit dem ich nicht verwandt sein wollte. Ich wage es kaum dieses kleine Wort zu denken, noch weniger es auszusprechen. Die Person an der wir fast alle zerbrochen wären und an der jemand zerbrochen ist. Eine Frau die anscheinend keine Skrupel kennt. Meine.....Mutter.



Die TräumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt