Harry

55 5 0
                                    

Laut knallte Alisha Santos mit ihrer flachen Hand auf den Tisch und erzielte die gewünschte Wirkung. Ihre Mutter und ihr Bruder fuhren sichtlich erschrocken zusammen, obwohl sie doch damit rechnen hätten können. Henrys Hand legte sich auf ihre Schulter, doch voller Abscheu stoß sie sie weg. Gerade konnte und wollte sie niemanden von ihnen ertragen, weder Henry noch ihren Bruder oder ihre Mutter. Sie wollte eigentlich nicht mal ihre Ausreden und Argumente hören. Sie wollte, wenn sie sich selber ehrlich war, überhaupt nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Sie hatten sie verraten und zwar auf einer der abscheulichsten Weißen die es gab. Sie hatten sie ausgenutzt und betrogen und belogen. Kurzum Lish war verdammt sauer und nicht milde zu stimmen.

„Es tut mir Leid, mein Schatz.", versuchte sich ihre Mutter zu wehren, indem sie ihrer Tochter mit Tränen in den Augen versuchte ein schlechtes Gewissen zu machen. Ihr war klar, dass sie mit einer solchen Aktion nicht gerade Mutter des Jahres werden würde, aber so war sie nun mal. Das einzige was sie wohl machen konnte war zu gehen. Wahrscheinlich für immer. Sie hatte nicht den Glauben, dass ihr ihre Tochter verzeihen würde.

„Was hast du vor? Du willst sicherlich gehen, oder?", fragte Alishas Bruder Jack.

Sie antwortete ihnen nicht, jedoch konnten wohl beide sich ihre Schlüsse daraus ziehen.

„Das musst du nicht.", mischte sich ihre Mutter ein, „Wir werden gehen. Das ist wohl das mindeste was wir machen können."

„Ja, aber nicht gemeinsam.", stellte Jack klar und grenzte sich damit deutlich von seiner Mutter ab.

Alisha stand nur da und sah das Ganze mit an ohne ein Wort zu sagen und wenn sie ehrlich zu sich war, war sie wohl wirklich froh ihre Familie jetzt vom Hals zu haben, auch wenn sie von dieser Sekunde an ein Gefühl der Einsamkeit überkam.

Ihre Mutter Dorothee drehte sich um und ging gemeinsam mit Jack ihre Sachen packen, nur um anschließend zu verschwinden. Das soll es also gewesen sein?, fragte sie sich innerlich, Ich sehe meine Tochter nie wieder und wahrscheinlich ist das auch besser so.

Zwei Monate nachdem sie ihre Tochter verlassen hatte trieb sich Dorothee im Süden an der Sonne rum und hatte jeden Tag zu einem Tag auserkoren, an dem sie ihr Leben und ihr komplettes Wesen mit Alkohol auslöschen wollte. Irgendwo in Frankreich an der Côte Azur glaubte sie zu sein, doch sie war sich nicht mehr sicher.

Wie zum Teufel war es überhaupt so weit gekommen? Ach ja richtig, sie ist zum Staatsfeind der USA geworden und hatte ihre Familie verraten. Obwohl... eigentlich könnte sie anfangen sich die Schuld schon an einem viel früheren Zeitpunkt zu geben.

Wie alt war sie bei ihrer ersten Mission? Noch nicht einmal geboren. Ihre Mutter hatte schon für den KGB gearbeitet. Dorthee wurde dort hinein geboren. Sie konnte nicht direkt was dafür eine Agentin zu sein, aber sie konnte sehr viel dafür immer noch eine zu sein. Wenn ihr jetzt glaubt, dass der KGB damals aufgelöst worden war, dann täuscht ihr euch aber gewaltig. Sie existieren immer noch, genau wie Dorothee.

Wütend über sich selbst schmiss sie ihr Whiskyglas gegen die dünnen Wände der Strandbar und bekam erschrockene Blicke zugeworfen. Es traute sich jedoch niemand sie zu Maßregeln.

Es war alles ihre eigene Schuld und dessen war sie sich bewusst.

„Wissen sie eigentlich wie es ist nach 25 Jahren zu merken, dass man für die Misere, die sich das eigene Leben nennt, selbst verantwortlich ist?"

„Ja."

Ein Schauer durchfuhr Dorothee. Es war nicht weil sie eine Antwort bekommen hatte, obwohl sie keine erwartet hatte, es war weil sie diese Stimme kannte. Es war die ihres alten Partners Harry.

„Was machst du hier?"

„Wenn ich gewusst hätte, dass ich so begrüßt werde, wäre ich gar nicht erst rüber gekommen."

„Wär vielleicht auch besser gewesen.", spuckte ihm Dorothee giftig entgegen. Sie fand es zwar schön einen guten alten Freund zu treffen, aber sie wurde auch zum Misstrauen ausgebildet und vermutete einen ganz anderen Sinn hinter ihrer kurzen Unterhaltung.

„Mikey, du kannst mir vertrauen."

Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn Misstrauisch an. „Du weißt genau wie ich dass es Humbug ist Harry."

„Na schön, du kannst es nicht, aber deshalb bin ich nicht hier, also erzähl was du auf dem Herzen hast."

Mit kurzem Zögern lenkte Dorothee ein und gab Harry ein Zeichen sich neben sie zu setzten.

„Kannst du dich noch an den Sturz erinnern? An deinen Ersten."

„Ja.", er lächelte, „Ich hatte mich in ein Mädchen verliebt und hätte alles für sie getan."

„Bis auf den Dienst quittieren!"

„Bis auf den Dienst quittieren!", bestätigte er, „Worauf willst du hinaus?"

„Mein erster Sturz war mit 11. Ich traf auf Jace und damit fing die ganze Misere an."

„Jace Santos? Den Drogenboss?"

„Ja, damals war er der Sohn des Drogenbosses. Ich war erst 11, aber ich hatte mich trotzdem in ihn verliebt. Getroffen hatte ich nur, weil ich verdeckt gegen seinen Vater ermitteln sollte."

„Warum erzählst du mir das? Ich meine, das ist etwas sehr privates und du traust mir nicht mal."

„Irgendjemand muss unseren Kindern doch unsere Geschichte erzählen können, da beide nichts mehr mit uns zu tun haben wollen."

„Eure Kinder?", fragte Harr ungläubig.

„ich war verdammt lange nicht im aktiven Dienst, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte."

„Deswegen bin ich eigentlich hier."

„Hör zu.", Dorothee drehte sich mit ihrem ganzen Körper zu ihm, „Meine Kinder sind mir wichtiger und sie sollen die ihrer Eltern und somit auch ihre Geschichte irgendwann erfahren und keiner ihrer Eltern wird sie ihnen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit erzählen. Deshalb kannst du mir gerne sagen, was du zu sagen hast, wenn ich fertig bin.", noch bevor Harry ihr antworten konnte fing sie an zu erzählen und er hörte ihr zu, ohne ein Wiederwort.

Mal wieder eine neue Schule und eine neue sechste Klasse. Wenn ich Glück hatte, war ich in zwei Wochen wieder hier weg. Irgendwo anders auf einem Einsatz mit mehr Action und nicht in einer langweiligen sechsten Klasse in der auch irgendein Junge geht, an dessen Vater ich rankommen soll.

Aber was solls. Ich bemühe mich einfach und bin dann wieder ganz schnell weg.

„Mikey Levinstin?", wurde mein Name aufgerufen und ich meldete mich. Gleich würde wieder die Standartfrage kommen. „Mikey ist ein ungewöhnlicher Name für ein Mädchen. Wie kommt es denn dass du so heißt?" da war sie ja und ich würde meine Standartantwort geben.

„Das geht sie nichts an, Lady."

„Nicht in diesem Ton Levinstin."

Gelangweilt schaute ich auf meine Finger und tippte mit ihnen auf dem Tisch rum.

„Jace Santos?"

„Ja.", antwortete er knapp.

Ich drehte mich zu ihm um und begutachtete ihn skeptisch. Hoffentlich war er nicht so eingebildet, wie er gut aussieht.

_______________________________________

Hallihallo,

Ich hoffe euch ist aufgefallen dass die in Ich-Perspektive geschriebenen Zeilen in der Vergangenheit spielen und die Zeilen die im Auktorialen Erzähler geschrieben sind spielen in der Gegenwart.

Eine Sache noch hier wird eine Nebengeschichte thematisiert, die eigentlich zu meinem Buch Badboy meets Ex-Badgirl gehört, dort aber nicht weiter ausgeführt wird, also könnt ihr da ja auch mal reinschneien, müsst aber nicht.

Wünsche euch noch eine Gute Nacht :)

Remember - Du musst dich erinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt