Acht Uhr am Morgen klingelte der Wecker und Jonas wachte auf. Er wusste, dass heute der beste Tag in seinem Leben war. Genau heute trat er mit seinen Freunden eine lang herbeigesehnte Reise nach Bayern an. Dort wollten sie gemeinsam die Weihnachtszeit verbringen und sich vielleicht ordentlich einen hinter die Birne kippen. Er war noch nie in Bayern gewesen. Seine Freunde Lara, Ali und Jenny, jedoch schon. Für sie wäre diese Bayernreise das zweite Mal, dass sie einen Fuß in den Freistaat gesetzt hätten.
Er kannte die drei schon seit der Schulzeit. Mit Jenny hatte er sogar seinen ersten Kuss gehabt, als die beiden in der siebten Klasse waren. Jonas hatte vor Aufregung so geschwitzt, als die damals etwas größere Jenny sich zu ihm runter beugte und die beiden sich unter dem Kastanienbaum auf dem Schulhof geküsst haben. Er wusste noch genau, wie er anschließend mit einem riesigen Ständer von der Schule zurück nach Hause gekommen war und sich darauf erstmal einen runterholen musste. Ach, wie einfach noch das Leben mit zwölf war, dachte er.
Jonas hat Lara hingegen durch seinen alten Mini-Job als platonische Freundin gewonnen. Die beiden waren zwar auch in einer Klasse, hatten aber außer der Anwesenheitspflicht in der Schule nicht viel gemeinsam. Als die beiden jedoch zufällig im selben Cafe angefangen haben, haben Jonas und Lara gemerkt, dass sie doch noch mehr Gemeinsamkeiten teilten. Oft hat Joans sich dann schon auf die Arbeit gefreut, da er dort wieder mit Lara herumalbern konnte, um ein bisschen die Gäste zu ärgern. Beide teilten zu ihrer Überraschung auch die gleiche Abneigung gegenüber ihrem Klassenlehrer. Wieder richtig kacke, dass Herr Müller durch die Mädchenumkleide gelaufen ist, der macht das bestimmt mit Absicht, sagte Lara.
Jonas antwortete daraufhin etwas peinlich berührt: Der will sich doch nur an euch ergötzen, da seine Frau bestimmt im Bett nichts drauf hat, so alt wie sie aussieht.
Auf Ali hingegen war Jonas in den ersten drei Schuljahren nicht gut zu sprechen gewesen. Die beiden haben sich ständig geprügelt. Ali hat dann nach Schulschluss oft mit seiner Großfamilie auf Jonas gewartet, um ihn anschließend zu zehnt den Bordstein fressen zu lassen. Nachdem die Eltern von Jonas jedoch die Polizei alarmiert hatten, da ihr acht Jahre alter Junge schon wieder fast Zahnlos und mit mehreren Knochenbrüchen nach Hause gekommen ist, hat sich sein Verhältnis zu Ali gebessert. Er wusste nicht, was die Polizisten gemacht haben, er wusste nur, dass Alis große Familie auf drei Leute geschrumpft war. Ali meinte, dass seine restlichen Verwandten wieder in der Heimat wären, was das aber bedeutete, wusste Jonas damals noch nicht. Ihm war das aber auch egal, da er und Ali nun viel Zeit in der Pause verbracht haben und richtig dicke Freunde geworden sind.
Noch ein bisschen müde rollte Jonas sich zur Seite und schaltete seinen Handywecker aus. Scheiße, mein Handy hat nur noch zehn Prozent, schoss es ihm durch den Kopf, während er sein Handy an das neben dem Bett liegende Ladekabel schloss. Er richtete sich auf und stieg aus seinem Bett. Naja, Bett konnte man es nicht nennen. Es war eine alte Matratze, die er vor einem Jahr auf dem Sperrmüll gefunden hat. Er hasste es, wenn Leute Sachen wegwerfen, die eigentlich noch gut sind.
Ein ihm sehr bekannter Geruch von Kaffee lag in der Luft. Seine roten Gardinen ließen durch die durchdringenden Sonnenstrahlen seine kleine Einzimmerwohnung wie ein Bordell auf der Reeperbahn erscheinen. Das offene Fenster ließ die Gardinen durch die Luft schwingen, als würden sie zusammen auf einem Ball tanzen.
In der Ecke stand eine sehr traurig aussehende Rose, die er von seinen Eltern zum Einzug geschenkt bekommen hatte. Ein voll gepackter Koffer wartete schon bereit vergraben unter einer Regenjacke vor der Haustür. Verschlafen öffnete Jonas seine Gardinen und ging hinüber zur Küchenzeile, um sich seinen frisch gemachten Kaffee mit einem schönen Frühstück einzuverleiben.
Er wollte gerade den ersten Bissen von seinem frisch gemachten Käse Brot nehmen, als sein neben dem Bett liegendes Handy aufleuchtete. Verärgert über die Ablenkung legte er sein Brot nieder, ging zum Handy und öffnete WhatsApp. Seine Augen weiteten sich, als er folgende Nachricht las: "Jonas, komm schnell zum ZOB, du musst dich unbedingt beeilen."
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Dunkle Weihnacht
Teen Fiction"Die Weihnachtszeit ist eine Maskerade; die wahre Natur des Menschen enthüllt sich erst, wenn die festlichen Lichter erlöschen und die Dunkelheit ihre Geheimnisse preisgibt."