Leilas Tagebuch

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Da du dich selbst nicht vorstellen kannst, mache ich das für dich. Du bist mein Tagebuch und ich werde deine Seiten jetzt mit meiner Geschichte füllen und dich dann in ein Regal sperren. Das Regal werde ich mit Öl übergießen, anzünden und dabei zuschauen, wie es verbrennt, bis nur noch ein Haufen Asche übrig ist. Jetzt, wo ich das geschrieben habe, fühle ich mich schlecht. Armes Regal. Nein, Scherz. Aber du bist ein Tagebuch. Du kannst keinen Schmerz empfinden und solltest mir deshalb auch kein schlechtes Gewissen machen. Dabei weiß ich eigentlich, dass mein schlechtes Gewissen meiner Mutter gilt, dir mir dich geschenkt hat. Aber ich sollte beginnen, sonst verliere ich mich noch in der Vorstellungsrunde und wir kommen nie zu dem, worun es eigentlich hier geht. Meinem Leben. Momentan noch nichts Besonderes, aber da allen, die Tagebuch schreiben, irgendwas Spannendes passierte, ihr Leben auf den Kopf stellt und sie mit ihrer großen Liebe zusammenbringt, ist es wohl einen Versuch wert. Quelle dieser Informationen sind sämtliche Romantasy-Bücher in Tagebuchformat, die ich bis jetzt gelesen habe. Nun denn, ich will es nicht weiter herauszögern: Willkommen im Reich der Normalität, dem mit eurem Eintritt Großes phrophezeit wird.

~ Montag, 13. Februar ~

Ich schaute ungeduldig auf die Uhr. Er war schon drei Minuten und 45, 46, 47... Sekunden zu spät. Wir würden zum Bus rennen müssen. Als ich bei vier Minuten und 37 Sekunden angelangt war, ging endlich die Tür auf und er kam herausgerannt und wischte sich Mamas Kuss von der Wange. Kleine Jungs eben. Genauer gesagt siebenjährige kleine Brüder. Jona grinste mich spitzbübisch an, weil er genau wusste, wie sehr ich es hasste, wenn er zu spät war. Seine Grundschule begann erst 10 Minuten spätwr, sodass er theoretisch auch den nächsten Bus nehmen konnte, ich allerdings nicht. Dann aber setzte er schnell wieder eine Unschuldsmiene auf, weil Mama uns immer nochmal aus dem Fenster verabschiedete. Wir winkten ihr zurück und machten uns auf den Weg zum Bus.

Ich sah Alina schon von Weitem auf mich zurennen. Erst kurz bevor sie vor mir stehen blieb, bemerkte ich, dass sie eine neue Schülerin im Schlepptau hatte. "Hey Leila!", sagte sie ein wenig zu laut und umarmte mich stürmisch. Das andere Mädchen hatte rote, lockige Haare, die ihr wild vom Kopf abstanden, schaute jedoch eher schüchtern drein. "Hey Amelie, wen hast du denn da angeschleppt?", fragte ich belustigt und sie kicherte. "Das ist Asha, sie ist neu hergezogen und wir werden ihr jetzt die Schule zeigen!" Dann flüsterte sie:,,Ich konnte den lieben Herrn Boehmer davon überzeugen, dass wir dafür die erste Stunde frei kriegen, also wehe, du kommst nicht mit."

(08.05.2020)


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