Holy Water

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Triggerwarnung: Suizid

Crowley
Mit leerem Gesichtsausdruck hob der Dämon das Glas Wein und sandte einen stillen Gruß zum Himmel. Es waren heute auf den Tag 100 Jahre, seit Aziraphale ihn verlassen hatte, um als Erzengel zurück in den Himmel zu gehen. 100 Jahre in denen er den Engel jeden Tag vermisst hatte. Er hatte tausende Jahre damit verbracht den Engel zu lieben, aber der Kuss hatte alles verändert. Es fühlte sich an als wären seine Gefühle um ein vielfaches gewachsen und gleichzeitig war es so unglaublich schmerzhaft auch nur an ihn zu denken. Oder an all die Dinge die sie zusammen erlebt hatten. Jeden Tag aufs Neue war es eine Qual. Die ersten paar Jahrzehnte hatte er noch Hoffnung gehabt, dass der Engel seine Meinung eventuell ändern und zurück zur Erde kommen würde. Dass er ihn ebenfalls vermisste. Aber irgendwann hatte er aufgehört daran zu glauben. Irgendwann war sein Herz taub und seine Seele leer geworden.
Er fragte sich ob der Engel jemals etwas für ihn empfunden hatte. Was für eine lächerliche Frage. Er war ein Dämon und er würde immer einer sein. Er hatte sich damit abgefunden. Er war fertig mit dem Himmel. Und mit der Hölle. Sie konnten ihn alle mal.
Kraftlos schlenderte er durch den Buchladen und ließ den Blick über einige der Bücher schweifen. Sein Blick blieb an einem Buch hängen, von dem er wusste, dass es eines von Aziraphales Lieblingsbüchern war. Er nahm das Buch aus dem Regal, betrachtete den Einband und blätterte durch die Seiten. Dabei viel etwas aus dem Buch und landete auf dem Boden. Überrascht stellte er das Weinglas ab und hob das Papier auf.
Als er es umdrehte stockte ihm der Atem. Es war ein Foto von ihm und Aziraphale aus dem Jahr 1941. Sofort bildeten sich Tränen in seinen Augen, als die Erinnerungen auf ihn einprasselten. Sein Atem beschleunigte sich unangenehm. Gequält presste er eine Hand auf die Brust, doch es fühlte sich an als würde er keine Luft mehr bekommen. Immer mehr Tränen liefen über seine Wangen und dann bemerkte er, dass er schrie. Mit den Knien schlug er hart auf dem Boden auf, während alles in ihm sich zusammen krampfte, bis er kraftlos auf dem Boden saß.
Er bekam nicht mit wie es um ihn herum dunkel wurde, oder wie duzende Blitze in ganz London über den Himmel zuckten.

Aziraphale
Der Engel saß wie immer an seinem Schreibtisch und arbeitete an der Entwicklung von Plänen mit denen sie die Erde besser machen konnten.
Er sah alarmiert auf, als das kleine Modell der Erde, lila aufleuchtete. Er sprang auf und besah sich das Ganze von nahem. Dann lief er direkt in Michaels Büro.

Der Engel hob fragend die Augenbrauen als Aziraphale durch die Tür stürzte. Schnell erzählte er von seiner Beobachtung.
"Wie stark war das Wunder?", fragte Michael.
"20 Lazarii", antwortete Aziraphale, woraufhin Michaels Augen immer größer wurden.
"Wer ist momentan alles auf der Erde?"
"Wir können nur eine einzige Präsenz wahrnehmen."
"Ein einzelner Dämon kann unmöglich so große Macht haben." sagte Michael kopfschüttelnd.
"Deshalb muss ich sofort auf die Erde."
Der Engel nickte zustimmend.
Aziraphale drehte sich um und ging auf direktem Weg zum Fahrstuhl. Das Wunder kam eindeutig aus London und er war sich sicher, dass sich nur ein Dämon dort aufhielt.

Wenige Minuten später trat er auf die Straßen Londons, doch der Anblick unterschied sich deutlich vom letzten Mal. Der Himmel war von schwarzen Gewitterwolken bedeckt und wie es aussah, hatte die Stadt keinen Strom. In der Ferne erkannte er eine dunkle Rauchwolke.
Mit schnellen Schritten ging er die wenigen Meter bis zu seinem Buchladen. Er war sich sicher, dass er Crowley hier finden würde. Allerdings hatte er keine Ahnung wie der Dämon ein so starkes Wunder geschehen lassen konnte und vorallem was er damit bezweckte.
Er betrat den Laden und sah sich um. Er sah so aus wie er ihn verlassen hatte. Allerdings nicht verstaubt oder beschädigt. Es hatte sich definitiv jemand um alles gekümmert. Sein Blick viel auf ein Foto, dass auf dem Boden lag. Zusammen mit einem Brief. Verwundert hob er beides auf und begann zu lesen.

Aziraphale,
ich weiß du wirst das vermutlich niemals lesen, weil du nicht zur Erde zurückkommst. Du hast dich entschieden. Aber falls du diesen Brief doch irgendwann findest, sollst du wissen, dass ich dich liebe. Ich habe dich immer geliebt und ich habe dich jeden Tag vermisst. Seit ich dich kenne, hast du meinem Dasein einen Sinn gegeben. Noch nie hat mir irgendjemand so viel bedeutet und ich weiß nicht wie ich ohne dich leben soll. Deshalb ist das hier mein Abschiedsbrief. Ich hoffe ehrlich du bist glücklich im Himmel. Du verdienst es.
Ich liebe dich Engel.
Crowley

Mit zittrigen Händen laß er den Brief nochmals. "Crowley was hast du getan?", flüsterte er.
Sein Blick fuhr nach oben, als er ein Geräusch hörte. Er ließ den Brief fallen und lief nach nebenan, wo das Hinterzimmer war, in dem er viele Stunden mit dem Dämon verbracht hatte.
Crowley stand dort mit einem Thermobecher in der Hand. Der Deckel war abgeschraubt.
"Crowley!", stieß er hervor. Erschrocken drehte der Dämon sich um und verschüttete dabei den Inhalt des Thermobechers. Weihwasser. Aziraphale hatte den Becher sofort erkannt.
Er sah Crowley in die Augen, während der Becher langsam zu Boden fiel, dann schnippte er mit den Fingern. Das Wasser verdampfte, bevor es Crowley berührten konnte. Das ganze geschah innerhalb einer Millisekunde.

Mit einem lauten Klappern schlug der leere Becher auf dem Boden auf.
Beide standen mit weit aufgerissenen Augen da und atmeten schwer.
Crowley fand seine Sprache als erstes wieder.
"Was.. machst du hier?"
"Die Frage ist was machst du hier?" stieß Aziraphale aufgebracht hervor. Tränen brannten in seinen Augen.
Crowley ignorierte die Frage. Auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Traurigkeit und Zuneigung zu sehen.
"Es ist schön dich zu sehen.", sagte der Dämon.
"Oh Crowley.." Aziraphale ging einen Schritt auf ihn zu. "Es tut mir so leid."
Der Dämon schien nicht zu verstehen, wovon er sprach.
"Dir muss nichts leid tun. Ich weiß, dass du nicht dasselbe für mich empfindest. Du.."
"Aber das tue ich!", unterbrach ihn der Engel. Er sah Crowley verzweifelt an. "Ich liebe dich auch Crowley."
Er ging das letzte Stück auf den Dämon zu, der in diesem Moment so verletzlich aussah. Sanft legte er eine Hand auf dessen Brust. "Ich habe dich auch vermisst. Ich habe meinen Job wirklich gern gemacht, aber ich habe dich jeden Tag vermisst!"
"Aber warum..." Crowley fand nicht die richtigen Worte. Warum hast du mich dann verlassen? Oder Warum hast du nie etwas gesagt? - wollte er fragen.
"Ich habe die ganze Zeit versucht eine Lösung zu finden. Wie wir zusammen sein können, ohne das einer von uns etwas aufgeben muss."
"Du hast keine Lösung gefunden oder?", sagte Crowley bedauernd.
Aziraphale schüttelte den Kopf. Crowley wollte sich abwenden, aber Aziraphale hielt ihn am Handgelenk fest.
"Crowley ich kann dich nicht verlieren! Ich habe die letzten Jahrzehnte nur überstanden, weil ich mir eingeredet habe, dass du hier unten ein gutes Leben führst. Ich hatte keine Ahnung dass... Ich brauche dich!"
In Crowley machte sich ein schlechtes Gewissen breit. Er war davon ausgegangen, dass er Engel seine Gefühle nicht erwiderte. Allerdings machte es keinen großen Unterschied.
"Es gibt keine Zukunft für uns beide."
Aziraphale dachte einen Moment nach. "Dann komme ich zurück. Ich kann meine Aufgaben genauso gut auf der Erde erledigen."
"Kannst du nicht."
"Ich kann immernoch Gutes tun."
Crowley schüttelte traurig den Kopf. "Das würde dich nicht glücklich machen. Und ich möchte, dass du glücklich bist."
"Und ich möchte, dass du verdammt noch mal lebst." Aziraphale kniff kurz die Augen zusammen und ließ den Kopf hängen. "Crowley bitte.", sagte er und sah dem Dämon in die Augen. "Es tut mir leid, dass ich gegangen bin. Bitte verzeih mir. Bitte gib uns eine Chance." Er sah ihn flehend an, während er noch immer Crowley's Handgelenk festhielt.
"Werden sie dich gehen lassen?"
Aziraphale nickte. "Sie werden nicht begeistert sein, aber ja.", sagte er schulterzuckend.
Crowley atmete tief ein und aus. "Okay."

Der Engel sah ihn erleichtert an. Er zog Crowley näher zu sich, legte seine andere Hand an dessen Wange und küsste ihn. Nun konnte er nicht mehr verhindern, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Crowley erwiderte den Kuss und als sie sich voneinander lösten, wischte er sanft die Tränen von seinen Wangen.
"Ich verspreche, dass ich dich nie wieder verlassen werde. Ich liebe dich Crowley."
"Ich liebe dich Engel."

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