Kampf gegen die Vergangenheit

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Diese Kurzgeschichte ist mein Beitrag zum Schreibwettbewerb (Juli) von @eisbaerlady zu dem Thema Fantasy mit den Unterthemen ,,Wasser, Nebel, Vergangenheit und Wettkampf", welche ich zur Übersichtlichkeit fettdrucken werde. Diese Kurzgeschichte besteht aus exakt 1243 Wörtern.

Wir liefen durch das Labyrinth unserer persönlichen Albträume. Um uns ein Teil unserer Vergangenheit, hinter uns die Gegenwart und vor unsere Zukunft, verdeckt von einem undurchdringlichen Nebel. Auch ich durchlebe dieses Labyrinth und wie jeder andere auch, hoffe ich auf eine Erkenntnis, damit ich mit dem Orakel sprechen kann, welches mir sagen wird, wie ich meine Familie finden kann. Doch um mit diesem Orakel sprechen zu können, muss ich als erstes durch dieses Labyrinth finden, denn es erlaubt nur eine Frage pro Jahr. Mit 18 Jahren durfte man daran teilnehmen, weshalb es mein erstes Mal war.

So stehe ich also hier vor meiner ersten Aufgabe. Eine Gruppe kommt auf mich zu, sie lächeln tückisch. Ich kenne sie, sie haben mich nicht nur einmal verprügelt, nur weil meine Familie mich nicht wollte und ich deshalb bei einer Pflegefamilie wohne. Sie kommen immer näher, doch ich fürchte mich nicht. Ich muss meinen Gedanken der Rache verwerfen, um diese Aufgabe zu bestehen. Also halte ich ihnen meine Hand hin. Verwunderung kommt auf und der Schlimmste unter ihnen gibt mir seine Hand und entschuldigt sich, dann verblasst die Gruppe.

Mein Weg führt mich an vielen Erinnerungen vorbei und bald sehe ich es. Das muss meine finale Erinnerung sein. Vor Ewigkeiten, war ich beinahe im Wasser ertrunken, seitdem fürchtete ich das Wasser. Bereits wenn ich davor stand, erstarrte ich mit Gänsehaut am ganzen Leibe. Es muss die letzte Aufgabe sein, denn sie ist die Schwerste. Meine Angst ist zu groß, als dass ich einfach durch dieses Wasser hätte gehen können, also suche ich voller Verzweiflung nach einem Weg, um es zu umrunden.

Dann erkenne ich es. Ich bin von dem Wasser umgeben. Erst als ich an meine Familie denke und an meinen Wunsch, wird mir klar, dass ich durch dieses Wasser muss. Das erste Mal muss ich wirklich gegen meine Vergangenheit kämpfen und sie hinter mir lassen, um weiterzukommen. Mit zitternden Händen betrete ich also das Wasser, einen Schritt nach dem Anderen. Das Wasser ist kalt und genau wie damals zieht ein Sturm auf. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und sorge dafür, dass die Wellen gegen meine Brust prallen. Ich blieb stehen, die Angst ist zu groß. Meine Augen schließe ich in der Hoffnung aus dieser Hölle hinaus finden zu können, natürlich waren sie erfolglos.

Es geschieht nichts. Ich ertrinke nicht, ich sinke nicht und meine Kraft schwindet nicht. Meine Augen öffnen sich wieder und ich sehe zum ersten Mal kein grausames Monster in dem Wasser, sondern lediglich etwas Ungezähmtes. Mein Herz trommelt nicht mehr wild gegen meine Brust und meine Gänsehaut folgt den Wellen. Das Wasser beruhigt sich, weshalb ich mit meiner Hand sanft über die Wellen streiche. Dad Wasser ist nicht bösartig, war es nie. Ich konnte nie schwimmen, doch hatte die Schuld auf das Wasser geschoben, als ich beinahe ertrunken wäre und trotz dieser Lektion, habe ich nie das Schwimmen gelernt. Ich bleibe wo ich war und sehe auf das sich beruhigende Gewässer. Das Wasser sinkt und schon bald stehe ich auf einer grünen Wiese. Der Nebel lichtet sich dieses Mal nicht. Verwirrt trete ich näher an den Nebel, doch nichts geschieht.

Plötzlich höre ich meinen Namen. Zwei Personen, oder ihre Silhouetten rufen nach mir. Ich weiß sofort wer sie sind. Meine echten Eltern, sie haben mich damals zur Adoption freigegeben und dennoch vermisste ich sie jeden Tag und vergab ihnen sofort. Ich renne auf sie zu, doch sie gehen immer weiter weg. Dann ruft meine Pflegefamilie. Ich erkenne sie an ihren Ähnlichkeiten untereinander. Sie alle haben schwarze Haare und eine zierliche Statur, ich hingegen, bin robust gebaut und habe rotes Haar. Sie bitten mich bei ihnen zu bleiben, doch ich sehe nur meine Familie. Sie schauen mich an und ich renne weiter auf sie zu. Erst als mein Bruder, aus meiner Pflegefamilie, schreit, halte ich inne und blicke zurück. Er versinkt im Treibsand, während meine Pflegeeltern ihn festhalten und alles tun, damit er nicht versinkt. Alles in mir will zu meinen leiblichen Eltern, sie lachen und flüstern mir verlockend zu, doch dann erkenne ich es. Ich sehnte mich nach einer Familie, die ich bereits hatte. Wieso setze ich alles daran meine echten Eltern zu finden, wenn ich doch alles habe, was ich brauche? Mich aus meiner Starre lösend renne ich los, um meinen Bruder zu retten. Meine Hand ergreift seine noch bevor sein Kopf endgültig verschwindet und zieht ihn mit aller Kraft aus dem Sand. Wir umarmen uns, meine Familie und ich. Während ich sie froh und zufrieden umarme, lösen sie sich auf, so wie der Nebel es auch tut.

Vor mir erblicken ich eine Schüssel gefüllt mit silbernem Wasser. Das muss das Orakel sein. Meine Schritte führen mich näher an das Orakel und meine Hand berührt fast das Wasser, als ich zurück zucke. ,,Orakel?", frage ich stattdessen und doch es antwortet nicht. Es zeigt mir meine Familie, doch ich greife nicht danach, es zeigt mir Gold, doch ich will es nicht. Alles was ich möchte, ist nach Hause zu meiner Familie. Das Wasser des Orakels beginnt zu plätschern.  Vorsichtig weiche ich zurück und kurz nachdem ich zurückgetreten bin, zeigt mir das Orakel etwas. Es zeigt mich, wie ich in dem Labyrinth alles tue, um hierher zu kommen. Dann fragt es: ,, Hat sich der ganze Aufwand gelohnt? Alles was du je wolltest, kann ich dir geben und trotzdem zögerst du? Wieso?" Meine Gedanken kreisen um meine Vergangenheit. Meine Eltern hatten mich verlassen, dann war ich noch beinahe ertrunken und in der Schule wurde ich gemobbt und verprügelt.

Die Schuld hatte ich immer auf die anderen geschoben, dabei jedoch nie daran gedacht, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich hatte nie versucht mich aus den Fängen meiner Mobber zu befreien. Ich hatte nie versucht mich meiner Angst vor dem Wasser zu stellen. Ich hatte nicht einmal meine Familie als meine wahre Familie angesehen und das nur, weil sie nicht das gleiche Blut hatten, wie ich. Für einen Moment überkommen mich selbstzweifel. War ich ein schlechter Mensch? Habe ich meine Familie überhaupt verdient? Wieso habe ich nicht gehandelt? Das Orakel lacht, was mich zusammenzucken lässt. Es zeigt mir, was ich verpasst habe, zeigt mir, was ich übles getan hatte. Es scheint als würde mich meine gesamte Vergangenheit überrollen, einholen und zertrümmern. Doch das ist nicht der Fall. Ich erkenne das Spiel des Orakels. Es lockt mich in Zweifel und Selbsthass und ich wäre fast darauf hinein gefallen.

,,Orakel", spreche ich es also an, ,,Ich möchte meine Vergangenheit hinter mir lassen. Ich möchte in der Gegenwart leben und mich auf meine Zukunft freuen. Ich möchte kein Geld, ich möchte meine biologischen Eltern nicht länger finden. Mein einziger Wunsch ist es also, dass du mir den Weg zurück zu meiner Familie weist, damit ich sie in meine Arme schließen kann!" Das Orakel lacht erneut, bevor es nach Luft schnappend antwortet: ,,Nach Hause zu deiner Familie schicke ich dich sowieso, also was willst du wirklich? Anderes Haar? Ein höheres IQ? Was wünscht du dir?"
Ich schüttele nur den Kopf, bevor ich es erkläre: ,,Das brauche ich alles nicht. Alles was ich brauche, hast du mir bereits gezeigt. Du hast mir gezeigt, dass ich meine Vergangenheit hinter mir lassen muss, so wie auch meine biologischen Eltern. Durch dich weiß ich, dass ich aus meinen Fehlern lernen muss, für mich einstehen muss und vorallem, dass ich meine Ängste überwinden muss."

Damit entlässt das Orakel mich und öffnet die Hecke vor mir, wo meine Familie bereits auf mich wartet.

Und Sie Öffnen Dir Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt