Teil 4 - Das große Finale

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Als Thomas mich weckte, war es bereits 19 Uhr, noch eine gute Stunde, bis wir auf die Bühne mussten. Ich zog mir mein Bühnenoutfit an, schminkte mich und richtete mir noch einmal meine Frisur und schon war es 19:45 Uhr. In diesem Augenblick klopfte es an meiner Tür und Hannes steckte seinen Kopf hindurch. „Kommst du zum Einsingen, Steff?", fragte er. „Jepp, ich bin schon fertig", sagte ich und folgte ihm zu Nowi, Fabi und Thomas, die schon zusammen saßen und sich unterhielten. „Sehr gut, dann können wir ja anfangen", sagte Thomas, als er und sah. Ich sang mich ein und probte noch einmal alle Stellen, an denen es unter Umständen zu Unsicherheiten kommen könnte und blickte anschließend zufrieden in die Runde. „Gut, dann dürfte es in 10 Minuten losgehen", nickte Nowi. „Oh, fuck", murmelte ich und mein Puls ging automatisch wieder hoch. „Wir kriegen das hin, Steff", sagte Hannes und klopfte mir auf die Schultern.
Nun ging die Tür erneut auf und Tobi stand davor. „Wenn ich kitschig wäre, würde ich jetzt sagen, auf auf", sagte er und wir mussten grinsen, obwohl das hier gerade unser Startsignal war.
Vor der Bühne stellten wir uns in unseren altbekannten Kreis auf.
„Aufatmen!", rief Nowi.
„Auftauen!", antworteten wir.
„Auftauchen!"
„Aufräumen!"
„Aufbauen, aufblühen!", schrie Nowi noch lauter.
„Aufstehen!", antworteten wir mindestens genauso laut.
„Aufbleiben!"
„Aufdonnern!"
„AUFBRECHEN!", schrie Nowi so laut, dass ich schwören könnte, das Publikum hätte ihn gehört.
„AUFDREHEN!", schrien wir zurück.
„Und jetzt legen wir ne gute Show ab!", sagte Nowi und klopfte Hannes und mir, die neben ihm standen, auf den Rücken. „Das wird gut", rief Thomas und klatschte in die Hände.
„Auf geht's, Steff", lachte Hannes über seinen Wortwitz und ich grinste.
Ich stöpselte mir meine Hörer in die Ohren, schaute noch einmal unsicher zu Thomas, der mir beruhigend zunickte und ging schließlich auf die Bühne. Bevor ich auch nur richtig an meiner Position stand, schossen mir schon Tränen in die Augen. „Hallo Dresden", brach ich hervor und die Leute jubelten. Schon begannen wir den ersten Song zu spielen und arbeiteten die Setlist ab.
Das Konzert war ein voller Erfolg. Das Publikum war der Wahnsinn, die Songs funktionierten mehr oder weniger gut. (Damit meine ich, dass einige Songs durch meine Tränen unterbrochen wurden, aber unsere Fans halfen mir glücklicherweise.) Meine ganze Familie war da und ich blickte stolz zu meiner Mama, meiner Schwester und dem Freund meiner Mama und hätte mich nicht besser fühlen können.
Ehe ich mich versah, waren fast 2 Stunden um und nur noch ein einziger Song stand auf der Setlist unter meinen Füßen. Ich atmete durch, Nowi und Hannes hatten die Bühne bereits verlassen, um den Moment ganz Thomas und mir zu schenken. Thomas hatte seine Gitarre schon an Tobi gereicht und rutschte gerade das Klavier in Position.
„Ihr Lieben", begann ich, „ihr könnt euch nicht im Geringsten vorstellen, wie aufgeregt ich bin euch den letzten Song für diesen Abend anzukündigen. Ich kann es nicht glauben, aber der Grund, warum wir den Song jetzt spielen, seid ihr. Ich weiß nicht wie oft ihr uns täglich damit genervt habt, diesen Song zu spielen und ich weiß nicht, wie lange ich mit Thomas diskutiert habe, aber..." Der Moment in dem meine Stimme wegbrach. Die Fans kreischten. Ein Blick in die vorderen Reihen verriet mir, dass einige Tränen in den Augen hatten, andere lagen schon komplett heulend in den Armen ihrer Begleitung und wiederum andere hielten den Atem an und folgten mir gebannt, wie ich meine Tränen runterschluckte und mit zittriger Stimme sprach: „Aber... der letzte Song heißt Ja."
Ich weiß nicht genau wieviel eine halbe Sekunde ist, aber ich könnte schwören, es dauerte nichtmal halb so lang, da legte sich das größte Kreischen über die Menge, das ich je gehört hatte. Augenblicklich schlug ich mir beide Hände vor's Gesicht und wischte mir schnell die Tränen weg, die sich nun wie Regen auf den Weg machten. Da erklang schon das Klavier. Das Klavier. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich es vermisst hatte. Ich blickte zu Thomas, der 2 Meter hinter mir am Klavier saß und mich anlächelte. Noch ein letztes Mal atmete ich aus, dann sang ich.
„Ich bin verlor'n in deiner Mitte. Machst mich zum Kämpfer ohne Visier. Alles gedreht, Sinne wie benebelt, ich bin so heillos betrunken von dir."
Verwirrt sah ich zu Thomas; ich hörte mich kaum. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und sang weiter:
„Du wärmst mich auf mit deinem Wesen. Und lässt nicht einen Zentimeter unterschont. Du flutest alle meine Decks mit Hoffnung. Auf ein echtes Leben vor dem Tod"
Auf einmal verstand ich: Ich war gar nicht zu leise. Mein Mikrofon war genau in der selben Lautstärke wie schon das ganze Konzert. Jedoch war das Publikum so laut, dass sie mich fast übertönten. Ich sah in die Menge und sah die üblichen Leute; Gesichter, die ich schon auf vielen Konzerten gesehen hatte, Gesichter, die ich noch gar nicht kannte, Gesichter, die mir von Instagram bekannt vorkamen und Gesichter, die nur bei den Dresden-Konzerten erschienen. Ich sah meine Mama, die sich eine Träne verdrückte und so tropfte bei mir auch gleich eine herab. Ich sah meinen Stiefvater, der stolz zu mir sah. Ich sah meine Schwester Janet, der tatsächlich die Kinnlade nach unten gefallen war, als sie den Songtitel hörte und ich sah schließlich Thomas. Seine Augen waren geschlossen, seine Lider flackerten, nur seine Wangen waren ein wenig nass und ich wusste, dass das definitiv kein Schweiß war. Als er seine Augen ein Stück öffnete, schwebten Tränen darin und am liebsten hätte ich abgebrochen und wäre zu ihm gegangen, doch das ging natürlich nicht. Schon gar nicht, weil ich gerade den Refrain fertig gesungen hatte, welcher auf Und jede meiner Fasern sagt ja endete.
Ich kämpfte mich durch, durch durch die zweite Strophe und den zweiten Refrain und es fiel mir unglaublich schwer, Stimme zu bewahren.
„Ja zu jedem Tag mit dir. Ja zu jedem deiner Fehler. Asche und Gold, ich trag alles mit dir. Denn ich bin und bleib verlor'n in..."
Nun brach meine Stimme vollkommen weg. Ich setzte mich auf die Bühne, drückte mir meine Hände vor das Gesicht und weinte. Es war so lange her, dass diese Zeilen Bühne gefunden hatten. Und ich wollte nie wieder ein Konzert ohne dieser Zeilen spielen. Die Fnas hatten die letzten Zeilen der Bridge für mich übernommen und nun war nur noch ein letztes Mal der Refrain übrig.
„Und ja, ich...", begann ich. „Atme dich", beendete das Publikum. „Ja, ich brenn für dich. Und ja, ich leb für dich, jeden Tag." Ich drehte mich zu Thomas. „UND JA, ICH LIEBE DICH!" Die Leute schrien. Sie schrien und kreischten und weinten. „Und ja, ich schwöre auf dich und jede meiner Fasern sagt ja." Sang ich zu ende. Wir bekamen den Applaus unseres Lebens. Ich konnte mich beim besten Willen an kein Konzert, keinen Song erinnern, der die Leute so zum Beben brachte. „Vielen vielen Dank", flüsterte ich und blickte mit einem breiten Lächeln zu Nowi und Hannes, die nun auch wieder den Weg auf die Bühne gefunden hatten, und blickte zu Thomas. Er sah mich mit vollem Stolz an.
Ich trat einen Schritt zurück und wir warteten, bis der Applaus ein wenig verklungen war, was zugegeben ziemlich lange dauerte. Zuletzt begann nun der Instrumentalteil. Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf und die Tränen rannen nur so über meine Wangen. Freudig zählte ich das Finale des Songs ein und ein Feuerwerk rauschte zum Himmel. Ich hatte das Gefühl, das Feuerwerk beschrieb das, was in mir vorging. Lauter Gefühle und Erinnerungen kamen in mir hoch und legten sich über mein Gesicht. Ich lachte, strahlte und weinte.
Als Thomas den letzten Ton spielte, schaute ich wieder ins Publikum. Der Applaus war so stark und ich überglücklich. „Dankeschön", rief ich, „kommt gut nach Hause!" Dann gingen wir von der Bühne.

Ja... auf der Setlist?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt