„Hey." Ich öffnete ihm mit einem klammen Lächeln die Tür.
Sofort zog er fragend die Augenbrauen zusammen. „Ist irgendetwas? Du rennst gerade wie bescheuert die Einfahrt herunter und dann siehst du aus, als hättest du einen Geist gesehen?"
Ich schüttelte den Kopf, hielt aber mitten in der Bewegung inne und nickt dann doch. „Ich glaube ich werde verrückt."
Er stutzte, sagte allerdings nichts. Stattdessen sah er mich einfach nur mit diesem besorgten Glitzern in den Augen an. Sie schienen im Licht beinahe nur so zu leuchten, wie zwei sattgrüne Halbedelsteine, die man gegen eine Glühbirne hielt. Ich suchte seinen Blick und wollte mich ihm am liebsten nie wieder entziehen. Es war, als hätte er einen unsichtbaren Bannkreis um mich gezogen, den er je unterbrach, als er den Kopf zur Seite wandte. „Willst du drüber reden?"
Wollte ich das? Er würde mich, wenn ich das erzählte, wohl endgültig für durchhalten. Aber seit wann interessierte mich Lukas Meinung von mir?
Ich musste schwer schlucken. Mit einem Mal fühlte sich meine Kehle ganz trocken an. Stumm blinzelte ich ihn einfach nur an. Was wusste ich denn? Ich war doch eigentlich noch viel zu verwirrt, um zu verstehen was gerade wirklich passiert war.
Er legte den Kopf schief und musterte mich. Sofort zog ich leicht die Schultern hoch. Noch nie hatte mich sein Blick so verunsichert, weil ich einfach nicht wusste, was er als nächstes tun würde. „Willst du...", stammelte ich, „Willst du nicht mit Pantas irgendetwas machen?"
Lukas hob nur beide Augenbrauen. „Das stimmt, aber gerade siehst du aus, als könnest du mich eher gebrauchen als der kleine Irre."
Bevor ich überhaupt dazu ansetzen konnte ihm zu Wiedersprechen, fand ich mich schon wieder in seinen Armen wieder. Fest drücke er mich an sich und fuhr mir beruhigend über den Rücken. Wie von selbst rannen mir Tränen über die Wangen und sickerten in sein T-Shirt. Ich fühlte mich plötzlich so verletzlich. Es war, als wäre etwas in mir übergekocht. Ich wollte das nicht. Ich wollte hier nicht herum heulen und mich in seinem ruhigen Herzschlag verlieren. Hilflos kämpfte ich mit dem Chaos in meiner Gefühlswelt und gegen den süßen, dumpfen Schmerz, der sich wieder einmal in meiner Brust festbeißen wollte.
„Hey, alles gut! Du bist nicht allein", hörte ich seine Stimme wie durch Watte an meinem Ohr. „Ich bleibe, bis deine Mutter zurück ist."
Ich schüttelte den Kopf. Sie würde wer weiß was denken. Ich wollte keinen weiteren Tag zuhause bleiben und noch vor meinem eigentlichen Termin zu meiner Therapeutin gebracht werden. Ich wollte doch einfach nur mein altes Leben zurück. Mit all seinen leicht zu lösenden Problemen. Wann reite ich die nächste Reitstunde? Wo habe ich morgen Mathe? Ich verstehe Physik nicht. Wer auch immer den Regler in meinem Kopf verdreht hatte, sollte ich ihn einfach wieder zurück auf normal stellen.
Irgendwann waren alle Tränen ausgeweint. Meine Augen brannten und ich lehnte wie eine Ertrinkende an ihm. Mir war es, als hätte etwas alle Kraft aus mir herausgesaugt. Lukas faste mich sachte an den Schultern und drückte mich von sich. Ihm war das bestimmt zu viel. Ich würde es ihm nicht übelnehmen, würde er jetzt gehen und mich einfach allein lassen. Er angelte an mir vorbei nach meinem Haustürschlüssel und zog dann die Tür hinter mir ins Schloss.
Wie eine willenlose Puppe ließ ich mich von ihm zu der Lücke in der Hecke ziehen. Er schwang sich auf den obersten Balken und klopfte neben sich. Zittrig schob ich mich ebenfalls auf den Zaun. Das Gras war kurz gefressen. Einige Vögel wanderten durch die heute nicht mit Pferden bestellte Wiese.
„Was ist passiert?", fragte Lukas nach einer Weile in der wir nur schweigend nebeneinander auf dem Zaun gesessen hatten.
„Ich glaube ich habe jemanden gesehen der mich verfolgt." Meine Stimme klang immer noch dünn und zittrig. „Ich habe Angst, dass ich mir das eingebildet habe und gleichzeitig auch dass ich mir das nicht eingebildet habe. Wenn du weißt, was ich meine."
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Verfolgt
Teen Fiction-ACHTUNG: Diese Geschichte hat nicht mehr mit der veröffentlichten Reihe zu tun. Der Band 2, der in die Veröffentlichung und damit in den Handel geht, hat eine ganz andere Storyline bekommen und ist aktuell auf seinem Weg ins Lektorat- -Die Reitclu...