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-Sonntag Abend-

Das Ferienhaus war ein einziger Traum. Es liegt auch am Meer, aber abgeschottet. Vor einem waren nur die Dünen und das Wasser. An diesem Wochenende sah ich hier keinen Spaziergänger oder sonst irgendwen. Lou erzählte mir, sie käme hier öfter her, wenn ihr alles über den Kopf wächst. Laut ihr war das ihr geheimer Ort, denn sie hatte niemanden hiervon erzählt.
Heute war unser letzter Tag hier. Es machte mich traurig, dass dieses Wochenende so schnell vorbeiging. Ab morgen sitze ich wieder auf der Arbeit und auch heute Abend weiß ich wieder nicht, wie genau es weitergeht. Sie will mich kennenlernen, aber vielleicht hat sich in den letzten beiden Tagen etwas verändert. Obwohl ich das Gefühl habe, wir kommen uns immer näher. Wir haben einiges unternommen. Wir waren bei dem Tierheim hier in der Nähe und waren mit zwei Hunden spazieren. Die beiden hätte ich am liebsten mitgenommen. Wir haben einen Drachen steigen lassen. Abends haben wir zusammen gekocht und wir haben versucht einen Film zu schauen, aber wir waren beide so erschöpft, dass wir einfach eingeschlafen sind. Wir sind Arm in Arm eingeschlafen und wieder aufgewacht. Wir haben irgendwelche Kartenspiele gespielt oder einfach ein Bier am Strand getrunken. Viel zu schnell war die Zeit vorbei.
Ich saß auf der Terrasse mit ihr auf einer Hollywoodschaukel. Wir schwangen leicht hin und her. Ich spürte wie sie meine Hand ergriff. Ganz langsam umschlossen ihre Finger meine. Selbst so eine kleine Berührung jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Sie fing an zu reden, „Ich weiß, dass wir heute Abend noch wieder losfahren müssen und ich könnte ewig mit dir hier bleiben, aber du sollst wissen, dass ich meine Worte wirklich so meine. Ich möchte dich kennenlernen. Es wäre am Besten, wenn wir uns bei dir treffen würden. Ich könnte so oft, wie es möglich ist vorbeikommen und vielleicht schaffen wir es manchmal auch hierher". „Ich möchte dich auch nach wie vor kennenlernen", sagte ich zu ihr, „und gerade gefällt es mir auch ganz gut, wenn wir beide alleine sind". Ich lehnte mich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Ich küsste mich bis zu ihrem Hals entlang und verwöhnte sie dort. Unsere Hände sind weiterhin verschränkt und ihr Griff um meine Hand wird fester. Sie versucht ein Stöhnen zu unterdrücken. Nach einer Weile drehte ich ihr Gesicht zu mir und küsste sie leidenschaftlich. Wir versanken in diesem Kuss. Er gab uns so viel. Wir nahmen alles von dem anderen in uns selbst auf. Wir gaben uns Kraft und wir gaben uns zu verstehen, dass wir füreinander da sind. Nach und nach wurde ich langsamer, bis ich ihr einen Kuss gab und mein Gesicht von ihrem entfernte. Sie ließ die Augen geschlossen. „Am liebsten würde ich dich ins Schlafzimmer zerren", kam es von ihr. Obwohl ich nichts lieber tun würde, musste ich widerstehen. „Wenn wir das jetzt tun, werden wir nicht mehr so schnell aufstehen", sagte ich zu ihr. Nun öffnete sie ihre Augen. Sie lächelte etwas traurig, aber gab mir einen kleinen Kuss. Sie wusste es genau so gut wie ich. „Komm, wir gehen rein. Wir haben noch etwas Zeit. Ich möchte ein Spiel mit dir spielen", sagte sie und stand auf. Sie griff nach meinen Händen und zog mich hoch. Im Haus setzten wir uns auf das Sofa. Ich war gespannt, was sie spielen möchte. „Also das Spiel funktioniert so: Man darf zwei Fragen stellen und der andere muss auf eine von beiden antworten. Wenn die Frage schon gestellt wurde, darf man sie nicht nochmal stellen. Verstanden? Ich fang an". Ich nickte schnell zur Bestätigung.

L: „Wieso hast du dich für diesen Job entschieden? Wo siehst du dich in zehn Jahren?"
J: „Puh. Die Bauwelt hat mich schon immer interessiert. Erst habe ich eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht und irgendwann habe ich meinen Traum verfolgt. Mein Vater hatte vor ewigen Jahren eine Baufirma, die er schließen musste. Als Kind war ich öfter mit ihm dort und habe mit ihm die Abnahme gemacht. Ich schätze so ist es dazu gekommen"
L: „Das klingt schön. Du bist dran"
J: „Was war als Kind dein Traumberuf? Welches Abenteuer würdest du gerne erleben, wenn deine Angst dir nicht im Weg stehen würde?"
L: „Ich möchte unbedingt mal ein paar Flugstunden machen, aber bisher fehlte mir die Zeit und zudem bin ich ein kleiner Angsthase."
J: „Da bekommen wir dich noch hin"
L: „Ich bin dran. Wie war deine letzte Beziehung? Was möchtest du in deinem Job erreichen?"

In ihren Augen konnte ich genau sehen, welche Frage sie sehnlichst interessiert.

J: „Meine letzte Beziehung war, als ich noch woanders gewohnt habe. Es ist jetzt sechs Jahre her. Wir wohnten zusammen, aber sie hat mich mit irgendeinem Kerl betrogen, den sie in der Bar kennenlernte. Ich kam von einer Dienstreise einen Tag eher nach Hause und da lagen die beiden nackt in unserem Bett."
L: „Es tut mir leid"
Sie drückte kurz meine Hand und ich schenkte ihr ein Lächeln.
J: „Na los. Weiter geht es. Denkst du, du schaffst es dich irgendwann von deiner Mutter zu lösen? Was sagt dein Vater zu der ganzen Situation?"
Sie blickte mich nur an.
J: „Du musst nicht antworten, wenn du nicht möchtest"
L: „Das ist das Spiel, aber ich möchte dir aus meinem Leben erzählen, nur ich rede mit niemanden großartig darüber, deswegen ist es ungewohnt. Also mein Vater ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Meine Mutter und er waren nur noch auf dem Papier verheiratet. Er hat mich oft geschützt und mir geholfen, wo er konnte."
Ich zog sie näher zu mir.
J: „Ach Lou, ich bin sicher, er passt noch immer auf dich auf"

Irgendwann hatten wir das Spiel beendet, da es zu spät wird. Wir mussten aufbrechen. Unsere Sachen waren wieder gepackt und in unseren Autos verstaut. Ich wollte mich nicht von ihr verabschieden.
Ich fragte sie, „Hast du morgen früh schon wichtige Termine?"
Sie antwortete, während sie im Auto herumkramte. Mir kam nämlich eine Idee, aber ich wusste nicht genau, wie sie darauf reagieren würde. Einerseits haben wir das Wochenende zusammen verbracht, aber vielleicht möchte sie noch nicht so weit gehen.
Ich setzte an, „Ich hatte nur gedacht ... vielleicht", ich fand keine Worte mir. Sie hatte aufgehört zu suchen und stand nun vor mir. „Jo, was ist los?", fragend blickte sie mich an. „Möchtest du mit zu mir kommen? Du könntest morgen von mir aus fahren, wenn der Termin nicht zu weit weg ist", ich traute mich nicht ihr in die Augen zu schauen. Sie drückte mein Kinn mit ihrer Hand hoch. „Das würde ich sehr gerne", lächelte sie mir entgegen und küsste mich. Ich seufzte leise, so viel Angst hatte ich davor, sie könnte nein sagen und ich wäre zu weit gegangen.
„Gib mir dein Handy und ich gebe meine Adresse ein". Sie zückte ihr Handy, entsperrte es kurzerhand und gab es mir. „Dann sehen wir bald wieder", sagte sie noch zu mir und ging zu ihrem Auto. „Bis bald" und mit den Worten setzte ich mich ins Auto. Ich spürte die Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich freue mich, dass sie noch mit zu mir kommt. Mit diesem guten Gefühl fuhr ich los.

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