Kapitel 3: Zwischen Licht und Schatten

21 2 3
                                    


Die Tage vergingen, und Y/N fand sich zunehmend in einem Strudel aus widersprüchlichen Gefühlen wieder. Einerseits wusste sie, dass Mahito gefährlich war - ein Fluch, der ohne zu zögern töten würde. Andererseits spürte sie, dass es da mehr gab, als er zeigte. Ihre Begegnungen, so kurz und intensiv sie auch waren, hinterließen Spuren in ihr, die sie nicht ignorieren konnte.

Y/N versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während sie durch die Wälder rund um Tokyo lief, die in den letzten Tagen zu ihrem Rückzugsort geworden waren. Die Bäume rauschten leise im Wind, und das Knirschen der Blätter unter ihren Füßen bot eine willkommene Ablenkung von dem Chaos in ihrem Kopf. Doch egal wie sehr sie es auch versuchte, Mahito drängte sich immer wieder in ihre Gedanken.

Dann, an einem besonders dichten Teil des Waldes, blieb sie plötzlich stehen. Ihr Instinkt, der sich in den letzten Tagen geschärft hatte, warnte sie, dass sie nicht allein war. Vorsichtig drehte sie sich um, bereit, jede Gefahr abzuwehren.

„Du wirst besser", erklang eine vertraute Stimme aus den Schatten. Mahito trat aus dem dichten Laub hervor, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.

„Was willst du?" fragte Y/N, sich bemühend, die Anspannung in ihrer Stimme zu verbergen.

„Es ist interessant", sagte Mahito, während er langsam auf sie zuging. „Du suchst immer noch nach einem Grund, nach einem Motiv. Warum fragst du dich nicht einfach, warum du selbst hier bist?"

Y/N verschränkte die Arme vor der Brust, doch sie wusste, dass er genau wusste, was sie umtrieb. „Vielleicht, weil ich nicht verstehe, warum du mich immer wieder aufsuchst."

„Und ich verstehe nicht, warum du mich nicht meidest", entgegnete er ruhig, seine Augen funkelten vor Neugierde. „Du könntest weglaufen, versuchen, mich zu vergessen. Aber du tust es nicht."

Ein Moment der Stille trat ein, in dem beide sich einfach nur ansahen. Es war, als ob in dieser einen Sekunde das Universum stillstand, und sie allein in dieser Welt existierten. Der Wind nahm zu und ließ die Blätter um sie herum tanzen, während die Dämmerung sich über den Wald senkte.

„Vielleicht", begann Y/N schließlich, „glaube ich, dass es mehr in dir gibt, als du zeigst. Etwas, das du selbst nicht verstehst."

Mahito lachte leise, und es war kein hämisches Lachen, sondern eines, das von echter Amüsiertheit zeugte. „Interessant. Du denkst, du könntest mich analysieren, mich verändern?"

„Vielleicht", erwiderte sie, entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Oder vielleicht hoffe ich, dass da noch etwas Menschliches in dir ist."

Diese Worte ließen Mahito innehalten. Ein dunkler Schatten zog über sein Gesicht, und für einen Augenblick verlor er seine Fassung. „Menschlich?" Er spuckte das Wort aus, als wäre es Gift. „Ich bin kein Mensch. Ich bin ein Fluch, geboren aus dem Hass und der Angst der Menschen. Alles, was ich bin, ist das Gegenteil von Menschlichkeit."

„Und doch", sagte Y/N leise, „scheinst du dich mehr für mich zu interessieren, als ein reiner Fluch es tun würde."

Mahito trat näher, bis er nur noch einen Atemzug von ihr entfernt war. „Vielleicht, weil du anders bist", murmelte er, während er sie mit seinen durchdringenden Augen fixierte. „Vielleicht, weil du die Grenze zwischen Fluch und Mensch überbrückst, ohne es selbst zu wissen."

Diese Worte trafen Y/N wie ein Schlag. Was meinte er damit? Bevor sie eine Antwort finden konnte, spürte sie, wie sich die Luft um sie herum verdichtete. Es war ein Gefühl, das sie kannte - Mahito bereitete sich auf etwas vor.

Doch anstatt sie anzugreifen, hob er eine Hand und legte sie vorsichtig an ihre Wange. Die Berührung war überraschend sanft, fast schon zärtlich, und Y/N erstarrte unter seiner Berührung. „Du denkst, du kannst mich verstehen, Y/N. Aber sei vorsichtig. Das Spiel, das wir spielen, hat keine Regeln, und der Preis könnte höher sein, als du bereit bist zu zahlen."

Dann zog er sich abrupt zurück, seine Augen wieder kalt und distanziert. „Vergiss nicht, wer ich bin", sagte er leise, bevor er sich umdrehte und im Wald verschwand, wie ein Schatten, der im Licht der Dämmerung verschluckt wurde.

Y/N stand allein zurück, ihre Hand noch immer an der Stelle ihrer Wange, wo Mahito sie berührt hatte. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust, und sie konnte das Gefühl der Verwirrung und des Schmerzes nicht abschütteln. Was war das eben gewesen? Ein Warnsignal? Oder ein Zeichen dafür, dass Mahito selbst nicht wusste, was er wollte?

Mit jeder Begegnung wurden die Linien zwischen Freund und Feind, zwischen Hass und... etwas Anderem, immer unschärfer. Y/N wusste, dass sie sich in einem gefährlichen Spiel befand. Doch trotz all ihrer Zweifel und Ängste war sie entschlossen, es bis zum Ende zu spielen. Denn tief in ihrem Inneren spürte sie, dass ihr Schicksal untrennbar mit Mahito verbunden war. Und sie wollte herausfinden, warum.

Liebe Zwischen Fluch & Mensch ?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt