3 - Arschtritt für die Dämonen

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Kaum waren der letzte Gitarrenton und die letzte Musiknote verklungen, starrte John benommen auf die Autobahn, die sich wie ein Teppich aus schwarzen Farbtupfern vor ihm bis ins Unendliche erstreckte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, fiel es ihm schwerer, zu atmen, und sein Herz klopfte immer schneller gegen seinen Brustkorb.

Das, was er in den vergangenen Minuten erlebt hatte, konnte er nicht richtig in Worte fassen. Er hatte sich schwerelos und leicht gefühlt. Frei. Und irgendwie auch besonders.

Vielleicht klang es komisch, doch so losgelöst wie in den letzten vier Minuten hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.

John seufzte. Ein Kloß, der sich nicht herunterschlucken ließ, formte sich in seinem Hals.

Genauso schnell wie das Gefühl des Glücks gekommen war, genauso schnell war es auch wieder verschwunden. Als wäre es nie dagewesen.

Leider.

„Ist alles in Ordnung?", erkundigte sich Tamisha besorgt bei ihm.

Ihre Worte bohrten sich wie feine Nadelstiche in Johns Haut und rüttelten ihn aus seiner Trance. Obwohl er nicht gerne über seine Emotionen sprach, schüttelte er den Kopf und wollte dann von Tamisha wissen: „Wie schaffst du es, so glücklich zu sein?"

Die Angesprochene zog überrascht die Luft ein. Trotz der Dunkelheit, die nicht nur die Nacht, sondern auch den Wohnwagen ausfüllte, konnte John aus dem Augenwinkel beobachten, wie Tamisha ihre Stirn runzelte. Ihr Blick verlor sich währenddessen in der Ferne. An dem Punkt, an dem die Finsternis von den leuchtenden Sternen am Himmelszelt durchbrochen wurde.

„Na ja", zögerte sie mit ihrer Antwort, „eigentlich gibt es nur eine einzige Regel, die man beachten muss."

„Und welche?", hakte John sofort nach. Vor lauter Aufregung hätte er den Wohnwagen am liebsten zum Stehen gebracht, doch er zwang sich dazu, weiterhin dem Straßenverlauf zu folgen.

„Wenn man glücklich ist, sollte man nicht noch glücklicher sein wollen."

Was?!

Schwere Ketten aus Stahl schnürten sich um Johns Lungenflügel. Ohne es verhindern zu können, krallte er seine Finger stärker um das Lenkrad, bis seine Knöchel wie weiße Eisbergspitzen hervortraten.

Er hatte sich eine andere Antwort gewünscht. Eine, die er besser nachvollziehen konnte.

Trotz der Enttäuschung, die in seinen Adern pulsierte, räusperte sich John. Seine Stimme war kaum lauter als ein Hauchen, als er murmelte: „Ich kann gar nicht noch glücklicher werden wollen, denn dazu müsste ich erstmal wissen, wie ich es überhaupt schaffe, glücklich zu sein."

Eine einzelne Träne, die mit Kummer und Schmerz gefüllt war, kullerte über Johns Wange. Sie perlte an seinem Kinn ab, glitt für ein paar Sekunden schwerelos durch die Luft und zersprang letztendlich wie eine Glaskugel auf dem Lenkrad.

Die Stille, die sich nun in dem Wohnwagen ausbreitete, war unangenehm. Zwei Fremde, die erst vor wenigen Minuten an einer Tankstelle zueinander gefunden hatten, saßen nebeneinander und wussten nicht, wie sie mit der bedrückenden Ruhe umgehen sollten.

Am Ende war es Tamisha, die all ihren Mut zusammennahm und das Schweigen brach. „Vermutlich geht es mich nichts an, aber gibt es irgendwelche Dämonen aus deiner Vergangenheit, die dich jagen?"

Boom!

Ihre Frage traf John mitten ins Herz. Er spürte, wie eine Bombe in seinem Inneren explodierte und seine ganze Gefühlswelt durcheinandergewirbelt wurde.

Denn ja, es gab Dämonen aus seiner Vergangenheit. Und nicht gerade wenige.

„Weißt du", fuhr Tamisha nun mit einfühlsamer Stimme fort, „um glücklich zu sein, müssen wir erst lernen, den Ballast der Vergangenheit abzuwerfen. Lass deine Dämonen los. Dann wird es dir bessergehen."

Ein Stellplatz fürs GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt