Kapitel 2 Hayden

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Ich habe schon einige peinliche Sachen gemacht.
Ich habe versucht, einen Olli im Sand zu machen, ich bin bei einem Skateboard Wettbewerb auf die Fresse geflogen. Zwei Mal. Keine Bestleistung.
Aber nichts von all dem war so peinlich, wie das Gespräch letzte Woche im Restaurant.
Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen.
Als Chase jedoch von meinem und Kelly's Umzug erfahren hat, war es aus. Er sah rot.
Deshalb bin ich gerade um so mehr überrascht, dass nicht nur Kelly und ihre beste Freundin, Jenna (, welche auch im Laden von Mister Donovan arbeitet) , sondern auch Chase bei dem Umzug helfen.
Während ich gerade einen von meinen Kartons mit Büchern habe, trägt Chase Jenna auf seinen Schultern, um eine Lampe im Wohnzimmer anzubringen. Dabei schaukelt er mit seinem Körper hin und her. Nicht weil er sie nicht tragen kann. Sondern weil er sie dem Anschein nach ärgern möchte. Es scheint zu funktionieren. Sie klammert sie wie wild an seinem Kopf fest und schreit herum.
„Chase!", sagt sie mahnend und tritt mit einem Fuß gegen seine Brust.
Er hält sofort inne und bleibt stehen, als er mich sieht. Offensichtlich kann er mich immer noch nicht ausstehen.
Ich schaue auf den Boden, wo immer noch die sehr kitschige Lampe liegt, und hebe sie zögernd auf.
Ich schaue zu Jenna auf und muss unwillkürlich lächeln. Ihre Haare, die normalerweise immer sehr geordnet sind, sind zerzaust und sie trägt eine für sie untypische Jogginghose. Dazu hat sie ein weites Shirt mit Hello Kitty Print an, welches auch von einem kleinen Kind sein könnte.
„Nettes Shirt", scherze ich und kassiere dafür einen Tritt von Jenna gegen meine Brust. Wie jeder normale Mensch, der gerade einen Fuß kräftig gegen die eigene Brust bekommen hat, kreische ich ein Ow.
„Verdient. Das Shirt ist mein Liebstes also sei lieber leise, Jackson."
Lachend reiche ich ihr die Lampe an und sie befestigt sie an der Decke über unserem neuen Couchtisch.
Unser neues Wohnzimmer ist echt perfekt. Niedlicher Balkon mit Feuerleiter zum Dach (welche mich an "How I met your mother" erinnert), großer Fernseher, helles Sofa, Poster an der Wand und jetzt auch mit unserer neuen Lampe ausgestattet.
Mir ist es eigentlich wirklich egal, wie mein neues Zuhause aussieht, hauptsache ich bin aus dem Irrenhaus namens Mom und Dad's Haus raus. Ich habe es dort einfach nicht mehr ausgehalten. Morgens leise sein, um keine verkaterte Person aufzuwecken und Abends schnell die Tür abschließen, um keine Bierflasche gegen den Kopf geworfen zu bekommen. Lieber ertrage ich die Anwesenheit von Kelly's Freund, der mich töten möchte.
Wie als könnte er meine Gedanken lesen, dreht er sich zu mir und mustert mich mit Jenna auf seinen Schultern. Sehr breite Schultern...
Schnell nehme ich meine Kartons und verschwinde in meinem neuen Zimmer.
Ich kann von Glück sprechen, dass unser Umzugsdienst schon heute früh all unsere größeren Möbel vorbeigebracht hat. Somit muss ich mich heute Nacht nicht auf dem Boden wälzen, sondern darf einfach in meinem Bett schlafen. Sehr zu meiner Freude. Mein Bett ist mein bester Freund. Vor Kelly und niemand kann je dafür sorgen, dass ich mein Bett hasse.
Ich stelle alle meine Kartons auf den Boden vor mein Fenster und lasse mich auf mein geliebtes Bett fallen. Das hier ist der Himmel auf Erden...

★★★

Ungefähr zwei Stunden später werde ich von Stimmen aus dem Flur aus meinem Schlaf gerissen. Was an sich ganz gut ist. Ich habe wohl den schlimmsten Traum meines Lebens gehabt. Meine Eltern haben auf ein Mal vor der Haustür unserer neuen Wohnung gestanden. Sie wollten mich wieder in ihre Hölle zurücknehmen. Was für andere jetzt wohl kein gruseliges Szenario ist, ist für mich das pure Grauen. Schon alleine bei dem Gedanken zieht sich alles an mir zusammen und ich bekomme Schweißausbrüche. Überall.
Einatmen...ausatmen...
Langsam greife ich nach meinem Handy und schaue auf die Uhrzeit. Dreiundzwanzig Uhr fünfunddreißig.
Ich hätte eigentlich auf Mitternacht geschätzt, aber auch in Ordnung.
Wieder höre ich die Stimmen aus dem Wohnzimmer. Beim genaueren Zuhören erkenne ich Kelly's und Chase's Stimmen. Ich frage mich, worüber sie reden, bis ich das Zufallen unserer Haustür wahrnehme. Ich stehe auf und gehe zu meiner Tür. Bedächtig öffne ich sie, nur um Kelly in einem zu großen Pullover und einem Becher Popcorn auf dem Schoß vorzufinden. Ihr Gesicht wird vom Fernseher beleuchtet und ihre Haare sind zu einem unordentlichen Dutt nach oben gesteckt.
Dann sieht sie zu mir auf und winkt mich zu sich.
Ich lasse mich neben sie fallen und lehne meinen Kopf gegen ihre Schulter, während wir beide auf den Fernseher starren.
„War Chase eben noch da?", frage ich sie mit einem leichten Schmunzeln in der Stimme.
„Ja, war er. Er musste aber kurzfristig auf Emmy aufpassen."
Um komplett ehrlich zu sein, verstehe ich Chase's Familienkonstellation nicht so ganz. Ich weiß nur, dass er eine Schwester namens Jenna, zufällig meine Arbeitskollegin, und einen Vater namens Matthew, zufällig mein Boss, hat.
Ich starre nur wortlos auf den Fernseher, auf dessen Bildschirm gerade Titanic läuft. Kelly's Lieblingsfilm. Und eventuell auch meiner.
Gerade steigt Rose mit ihrem Scheiß-Freund (was war sein Name noch gleich?) aus dem Auto und sie betrachten die Titanic.
Egal wie traurig der Film auch sein mag, Kel und ich schauen ihn einmal pro Monat. Ohne Ausnahmen.
Seit wir uns mit zwölf Jahren auf einem Skateplatz getroffen haben und den Film einen Monat später im Kino angeschaut haben, ist es eine feste Tradition, die von keinem von uns gebrochen werden darf. Punkt, Aus, Ende.
Ich klaue Kelly ein bisschen Decke und kuschle mich näher an sie.
„Wieso hasst dein Freund mich?", frage ich Kelly erneut etwas über Chase, was in diesem Moment irrelevant ist.
Sie zuckt mit den Schultern und schaut mich dann sanft an.
„Hayden...das hat nichts mit dir zu tun. Er ist einfach nur eifersüchtig auf dich. Zerbrich dir deswegen nicht den Kopf, okay?", will sie mir versichern. Leider dringen ihre Worte nicht so ganz zu mir durch.
„Zwischen dir und mir ist mal so gar keine sexuelle Spannung."
Kelly lächelt wieder und nickt leicht.
Während sie weiter ihr Popcorn futtert, schaue ich zu unserem Balkon, auf dem eine Gießkanne, aber keine Pflanze und ein Hängesessel ihren Platz einnehmen.
Weiter rechts befindet sich eine Treppe, welche auf das Dach führt, das von niemandem benutzt wird.
Ich schaue Kelly verschwörerisch an und sie weiß genau, woran ich denke.
Das Dach hat eine Steckdose (von der ich keinen blassen Schimmer habe, wieso sie überhaupt existiert) und einen Schornstein, der von Klinkern umrandet ist.
In diesem Moment merke ich erst, wie schlau es war, sich einen Beamer für die neue Wohnung zu kaufen.
Kelly blickt mich schmunzelnd an und die Worte, die ihren Mund verlassen, sind auch in meinem Kopf eingemeißelt.
„Filmabend auf dem Dach?"
„Darauf kannst du wetten, Kel."
Fünf Minuten später sitzen wir schon auf dem Dach, eingekuschelt in ein paar Decken und schauen auf die Hochhäuser Brooklyns. Sie trägt immer noch ihren Hoodie und ich habe mir auch einen übergeworfen.
Der aktuelle Plan ist es jetzt, morgen Abend einen Filmabend mit Chase, Jenna, Kelly und meiner Wenigkeit zu machen. Jenna ist süß und echt eine tolle Person, aber ihr Bruder...
Er ist echt heiß mit seinen hellbraunen Haaren und grünen Augen, aber das macht seine Persönlichkeit keines Falls wett.
Jetzt steht nur noch die Frage im Raum, welcher Film es sein soll.
Vielleicht Forrest Gump? Oder ein Halloween Film? Würde nahe liegen, da wir schon den zwanzigsten September haben. Mein inneres Kind würde am liebsten „Hotel Transsilvanien" anschauen, jedoch sträubt sich der Kerl in mir, der fast ein Erwachsener ist, dagegen vor Chase etwas so Kindliches zuzugeben. „The Nun" wäre laut einer Menge Cliches perfekt für Leute meines Alters. Ich bin jetzt mal ganz offen und ehrlich. Ich hasse Horror. Für mich gibt es keines Falls etwas schönes daran zuzusehen wie Leute sterben, gejagt, gefoltert oder ähnliches werden. Ich habe trotzdem das leichte Gefühl, dass Chase Horror liebt. Er ist nun mal alles, was ich nicht bin. Beliebt, gefühlskalt, ernst, heiß, in einer Beziehung. Warte. Heiß? Langsam muss ich mir abgewöhnen, Kelly's Freund als heiß zu bezeichnen. Er ist es nicht. Ich bin sicher nur müde...

Sorry not sorry (Boyxboy) deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt